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Die Bewohner des kleinen australischen Dorfes Outer Maroo sind mitschuldig am Massenmord der jugendlichen Anhänger des charismatischen Gurus "Oyster". Seine faszinierende Verheißung vom Glück endet für die Tramper aus aller Welt im Schrecken der Zwangsarbeit in den Opal-Minen, von denen Outer Maroo lebt. Die Ankunft von zwei Fremden auf der Suche nach Verschollenen stört die fanatische und fremdenfeindliche Religionsgemeinschaft: die aufgestauten Ängste, Schuldgefühle und Aggressionen entladen sich.

Produktbeschreibung
Die Bewohner des kleinen australischen Dorfes Outer Maroo sind mitschuldig am Massenmord der jugendlichen Anhänger des charismatischen Gurus "Oyster". Seine faszinierende Verheißung vom Glück endet für die Tramper aus aller Welt im Schrecken der Zwangsarbeit in den Opal-Minen, von denen Outer Maroo lebt. Die Ankunft von zwei Fremden auf der Suche nach Verschollenen stört die fanatische und fremdenfeindliche Religionsgemeinschaft: die aufgestauten Ängste, Schuldgefühle und Aggressionen entladen sich.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.09.1999

Bierrennen zur Zuchtperle
Janette Turner Hospital probt die Apokalypse in Australien

Australien ist ein Land ohne Personalausweise und Einwohnermeldeämter. Besonders in den kleinen Ortschaften des fernsten "Outback" suchen daher nicht selten Leute ihr Glück, die längst nicht mehr die Namen tragen, mit denen sie auf ihrem Geburts- oder Trauschein eingetragen sind. Ein solcher Ort ist Outer Maroo irgendwo in den heißen, ausgedörrten Tiefen Queenslands, dort, wo sich Kängurus und Dingos "Gute Nacht" sagen und wo das Glück in Form der wunderschönsten, kostbarsten Opale nur darauf wartet, gefunden zu werden. In Outer Maroo, das auf keiner Landkarte verzeichnet ist, hat sich die Zeit in den unendlichen Raum aufgelöst. Ein Laden und eine Kneipe erfüllen die kleinen Wünsche, Träume stehen für die großen zur Verfügung, und die dicken Fliegen brummen den ganzen Tag. Bis unversehens und weißgewandet ein Mann namens Oyster auftaucht und zum bösen Helden eines Romans von Janette Turner Hospital wird.

Oyster ist eine Mischung aus Gangster und heiligem Narren, der mit dem Blick seiner blassblauen Augen und viel Bibelzitaten eine Schar heilsuchender junger Rucksack-Touristen herbeilockt, Männlein und Weiblein gleichermaßen beschläft - denn die Auster ist androgyn, sich selbst zeugend - und sie in den Opalminen für sich arbeiten lässt. Aufsässigkeit wird nicht geduldet, die Schächte sind zahlreich und tief, und nicht nur die Oyster-Babys verschwinden darin. Flucht ist ohnehin in solcher Einsamkeit nicht möglich, und auch die Postverbindung funktioniert nicht wie sie soll, denn Oyster hat die Posthalterin auf seiner Seite.

Schlimm für Outer Maroo, dass der kleine Ort zwar weiß, was draußen bei den Minen vor sich geht, aber schweigt, teils aus Angst, teils aus Gewinnsucht. Eine kleine totalitäre Gesellschaft ist entstanden, und Turner Hospital liefert summarisch ein paar Signale für ihre Einordnung in die große Geschichte: "Attila, Robespierre, Hitler, Stalin, Idi Amin, Saddam Hussein, Jim Jones . . ." Auf Vernichtung wie in Jonestown, Heaven's Gate und Waco jedenfalls wird es also am Ende hinauslaufen, und nur wenige Gerechte werden Armageddon überleben.

Turner Hospitals Buch fasziniert mit hinreißenden Beschreibungen des ausgedörrten australischen Hinterlandes, der schwelenden, lethargisch machenden Hitze, den über einer unendlichen glühenden Weite flimmernden Luftspiegelungen und der Zeitenthobenheit dieser Atmosphäre. Ein paar Gestalten, "Abschaum" eigentlich, wie einer der reichen Viehzüchter meint, werden in ihrer ganzen Menschlichkeit lebendig, und die Episode, als die junge Mercy eine Autobombe vom Elternhaus abwendet, ist ein Stück guter, spannender Unterhaltung.

Aber täuscht nicht die raffinierte Verschiebung von Zeitebenen, das geschickte Spiel mit Tagen, Jahren, Schauplätzen und Erzählern am Ende vielleicht doch nur darüber hinweg, dass ihre Geschichte keine echten Überraschungen und nichts wirklich Neues in sich birgt? Was dieser Roman enthält und wie er ausgeht, steht schon im Prolog, und ein Geflecht von tieferen Beziehungen zwischen den Menschen entfaltet sich kaum. Stattdessen gibt es die obligaten Informationen über Australien. Wer etwas über Opale oder Zuchtperlen, Bierrennen oder Wallabys erfahren will, wird kompetent bedient. Kurzum: Es ist ein ausgedachtes, nach einem Rezept verfertigtes Buch, einfühlsam und klug im Einzelnen, als Ganzes aber eher schal. Denn dieser Oyster selbst bleibt ein Schemen, seine Macht über andere vermag Turner Hospital nicht glaubhaft zu machen, und die Proklamation eines tausendjährigen Reiches enthält nichts, was nicht andere heilige Narren in der Literatur schon substanzreicher verkündet hätten.

GERHARD SCHULZ

Janette Turner Hospital: "Oyster". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Maria Hill. DuMont Buchverlag, Köln 1999. 413 S., geb., 48,- DM.

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