Roland Kochs neuer Roman berichtet pointiert und scharfsinnig von jungen Ehepaaren, deren überraschendem Unglück und davon, wie eine Frau ihr Leben allmählich in den Griff bekommt.
Christina und Jens sind Anfang dreißig, es geht ihnen gut, sie könnten glücklich sein. Jens, Mathematiker an der Universität, hat gute Chancen auf einen angesehenen Lehrstuhl in den USA, Christina, die es als Kunsthistorikerin schwerer hat, eine Stelle zu finden, sehnt sich nach einem Kind. Das Paar besitzt eine schöne Eigentumswohnung, sie könnten ihre Zukunft in Ruhe planen. Aber Christina hadert mit Jens, der sie betrügt, vor ihrem Kinderwunsch ausweicht und sich entzieht. Christina wirft sich vor, ihre Doktorarbeit nicht geschrieben zu haben und sich von Jens dominieren zu lassen. Auch bedrängen sie die körperlichen Anzeichen dafür, dass sie kein junges Mädchen mehr ist. Christina begehrt auf und beginnt eine Therapie. Allmählich kommt sie zu sich, und als Jens beim Kurzurlaub in Holland plötzlich verschwindet, spitzen sich die Dinge zu. In seinem neuen, bissig und pointiert geschriebenen Roman "Paare" wechselt Roland Koch zwischen Christinas Perspektive und Tagebuchaufzei chnungen von Jens, so dass das Typische dieser Ehe allmählich zu Tage tritt. Genau, einfühlsam und sarkastisch erzählt Koch von jungen Paaren und davon, wie eine etwas unsichere Frau unaufhaltsam die Kontrolle über ihr Leben zurückgewinnt.
Christina und Jens sind Anfang dreißig, es geht ihnen gut, sie könnten glücklich sein. Jens, Mathematiker an der Universität, hat gute Chancen auf einen angesehenen Lehrstuhl in den USA, Christina, die es als Kunsthistorikerin schwerer hat, eine Stelle zu finden, sehnt sich nach einem Kind. Das Paar besitzt eine schöne Eigentumswohnung, sie könnten ihre Zukunft in Ruhe planen. Aber Christina hadert mit Jens, der sie betrügt, vor ihrem Kinderwunsch ausweicht und sich entzieht. Christina wirft sich vor, ihre Doktorarbeit nicht geschrieben zu haben und sich von Jens dominieren zu lassen. Auch bedrängen sie die körperlichen Anzeichen dafür, dass sie kein junges Mädchen mehr ist. Christina begehrt auf und beginnt eine Therapie. Allmählich kommt sie zu sich, und als Jens beim Kurzurlaub in Holland plötzlich verschwindet, spitzen sich die Dinge zu. In seinem neuen, bissig und pointiert geschriebenen Roman "Paare" wechselt Roland Koch zwischen Christinas Perspektive und Tagebuchaufzei chnungen von Jens, so dass das Typische dieser Ehe allmählich zu Tage tritt. Genau, einfühlsam und sarkastisch erzählt Koch von jungen Paaren und davon, wie eine etwas unsichere Frau unaufhaltsam die Kontrolle über ihr Leben zurückgewinnt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.09.2000Widerspenstige Umarmung
Eheliche Mäkeleien: Roland Kochs Roman "Paare"
Auf jeder Seite, die man aufschlägt, greift man hinein ins volle Menschenleben. "Paare" von Roland Koch schildert eigentlich nur ein Ehepaar, dessen Leben aber so durchschnittlich wie möglich ist, also mißraten. Eines der neuen Sujets der Literatur ist die Ehe. Über sie ließ sich bislang wenig beschreiben, weil Dichtung immer die einmaligen, die erhabenen Gefühle und Leistungen des Menschen - Heldentaten, Liebessehnsucht, Künstlerpech - kannte. Glück war nur als idyllisches Intermezzo darstellbar, und die Ehe als die heilige Institution der bürgerlichen Gesellschaft sollte nun einmal dauerhaft glücklich sein. Die Prosa nahm daher, von der Novelle bis zum Roman des neunzehnten Jahrhunderts, an der Ehe nur ihre Grenze wahr, den Ehebruch, also die Zerstörung des Glücks.
Die Vorschrift, die Normalität des Ehealltags den Analysen der Soziologen zu überlassen und seine Monotonie dem Romanleser zu ersparen, wird nun aber allenthalben übergangen. Zudem hat die Literatur Formen entwickelt, um dauerhafte Verhältnisse darzustellen, Vorgänge, die sich wiederholen, wie eben in der Wirklichkeit selbst; die Verlagerung der alltäglichen Langeweile ins Innere einer Figur, wo auch noch das kleinste Ereignis ein Seelendrama werden kann; den inneren Monolog; den Gebrauch der Umgangssprache; ein Unterstatement, das große Dramatik ausdrücklich meidet; die Verweisung der Pathetik in den Bereich des Trivialen.
All diese Mittel nutzt Roland Koch, um eine Ehe zu schildern, die besteht, aber nicht geht. Jens und Christina sind ein Paar, das sich zusammengetan hat, um einander zu mißtrauen. Die Schnüffelei ist in diesem Verhältnis gang und gäbe: Er ruft bei ihrer Psychologin an, um etwas über sich und seine Frau zu erfahren; sie spürt hinter jeder Geliebten her, die ihr Mann möglicherweise haben könnte, ja sie schnüffelt im wörtlichen Sinne ihm nach: "Jens ist außer Atem. Christina riecht an seinen Wangen, Ohren und an seinem Hals. Sie erkennt nur sein eigenes Rasierwasser."
Das ist realistisch, das komme so ungefähr im Leben offenbar vor. Gesten dieser und ähnlicher Art sammelt Koch, bis sich auch dem begriffsstutzigen Leser die Lehre seines Buches aufschließt, daß es nämlich nichts Unangenehmeres gibt als verheiratet zu sein. Übel gelaunt, eifersüchtig, zickig, garstig, grantig, verdruckst, mäkelnd, kleinlich, fade - die eine oder andere Eigenschaft mag bei Ehefrauen zu finden sein; diese Christina hat sie alle auf einmal. Aus dem Musterbuch des schwelenden Unglücks hat Koch die Elemente zu einem Figurenentwurf zusammengesucht, der realistisch bis zur Unwirklichkeit ist. Die Realität wollte er erfassen und hat die Kunst so ganz verfehlt.
Die Kunst, so heißt es, soll der Wirklichkeit den Spiegel vorhalten, Koch aber verwendet nur den Spiegelrahmen. In ihn stellt er Männchen, die Situation für Situation die gehörigen Gesten zelebrieren, wie sie unter eine bestimmte Überschrift passen. Endlich, das heißt um den Roman zu beenden, soll noch etwas Extravagantes geschehen. Deshalb verschwindet, für alle, die Ehefrau, die Freunde, den Leser, unerwartet und unauffindbar, der Ehemann - endlich ein Held! Die gequälte Partnerin läßt sich dies zumuten, um den Heimkehrer nach drei Wochen wie seit eh und je in ihre etwas widerspenstigen Arme zu nehmen. Gerade war ein Ruf aus Boston an den heimgekehrten Ehegatten und Akademiker ergangen - warum gibt es neuerdings so viele Privatdozenten und Professoren in der deutschen Literatur? Wahrscheinlich nur, um, wie es auch hier geschieht, zu zeigen, wie verächtlich eine akademische Laufbahn ist, denn dieser Jens hat bei seinem Ausflug ein Häuschen in der Nähe von Marseille gefunden, wohin er nun entfliehen will; den schönen Ruf, für ihn halb schon der Tod, der ihn ereilen will, schlägt er, trotz verständlicher Einwände seiner Ehefrau, in den Wind. Auf einmal hat sich die Erzählung von der Ehekrise in das Leben eines Taugenichts geläutert, das nicht weniger unwahrscheinlich ist als Eichendorffs Fantasterei. Vielleicht ist die Ehe doch keine so schlechte Einrichtung fürs Leben, denn als Thema für die Literatur taugt sie immer noch nicht.
HANNELORE SCHLAFFER.
Roland Koch: "Paare". Roman. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2000. 335 S., geb., 39,90 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eheliche Mäkeleien: Roland Kochs Roman "Paare"
Auf jeder Seite, die man aufschlägt, greift man hinein ins volle Menschenleben. "Paare" von Roland Koch schildert eigentlich nur ein Ehepaar, dessen Leben aber so durchschnittlich wie möglich ist, also mißraten. Eines der neuen Sujets der Literatur ist die Ehe. Über sie ließ sich bislang wenig beschreiben, weil Dichtung immer die einmaligen, die erhabenen Gefühle und Leistungen des Menschen - Heldentaten, Liebessehnsucht, Künstlerpech - kannte. Glück war nur als idyllisches Intermezzo darstellbar, und die Ehe als die heilige Institution der bürgerlichen Gesellschaft sollte nun einmal dauerhaft glücklich sein. Die Prosa nahm daher, von der Novelle bis zum Roman des neunzehnten Jahrhunderts, an der Ehe nur ihre Grenze wahr, den Ehebruch, also die Zerstörung des Glücks.
Die Vorschrift, die Normalität des Ehealltags den Analysen der Soziologen zu überlassen und seine Monotonie dem Romanleser zu ersparen, wird nun aber allenthalben übergangen. Zudem hat die Literatur Formen entwickelt, um dauerhafte Verhältnisse darzustellen, Vorgänge, die sich wiederholen, wie eben in der Wirklichkeit selbst; die Verlagerung der alltäglichen Langeweile ins Innere einer Figur, wo auch noch das kleinste Ereignis ein Seelendrama werden kann; den inneren Monolog; den Gebrauch der Umgangssprache; ein Unterstatement, das große Dramatik ausdrücklich meidet; die Verweisung der Pathetik in den Bereich des Trivialen.
All diese Mittel nutzt Roland Koch, um eine Ehe zu schildern, die besteht, aber nicht geht. Jens und Christina sind ein Paar, das sich zusammengetan hat, um einander zu mißtrauen. Die Schnüffelei ist in diesem Verhältnis gang und gäbe: Er ruft bei ihrer Psychologin an, um etwas über sich und seine Frau zu erfahren; sie spürt hinter jeder Geliebten her, die ihr Mann möglicherweise haben könnte, ja sie schnüffelt im wörtlichen Sinne ihm nach: "Jens ist außer Atem. Christina riecht an seinen Wangen, Ohren und an seinem Hals. Sie erkennt nur sein eigenes Rasierwasser."
Das ist realistisch, das komme so ungefähr im Leben offenbar vor. Gesten dieser und ähnlicher Art sammelt Koch, bis sich auch dem begriffsstutzigen Leser die Lehre seines Buches aufschließt, daß es nämlich nichts Unangenehmeres gibt als verheiratet zu sein. Übel gelaunt, eifersüchtig, zickig, garstig, grantig, verdruckst, mäkelnd, kleinlich, fade - die eine oder andere Eigenschaft mag bei Ehefrauen zu finden sein; diese Christina hat sie alle auf einmal. Aus dem Musterbuch des schwelenden Unglücks hat Koch die Elemente zu einem Figurenentwurf zusammengesucht, der realistisch bis zur Unwirklichkeit ist. Die Realität wollte er erfassen und hat die Kunst so ganz verfehlt.
Die Kunst, so heißt es, soll der Wirklichkeit den Spiegel vorhalten, Koch aber verwendet nur den Spiegelrahmen. In ihn stellt er Männchen, die Situation für Situation die gehörigen Gesten zelebrieren, wie sie unter eine bestimmte Überschrift passen. Endlich, das heißt um den Roman zu beenden, soll noch etwas Extravagantes geschehen. Deshalb verschwindet, für alle, die Ehefrau, die Freunde, den Leser, unerwartet und unauffindbar, der Ehemann - endlich ein Held! Die gequälte Partnerin läßt sich dies zumuten, um den Heimkehrer nach drei Wochen wie seit eh und je in ihre etwas widerspenstigen Arme zu nehmen. Gerade war ein Ruf aus Boston an den heimgekehrten Ehegatten und Akademiker ergangen - warum gibt es neuerdings so viele Privatdozenten und Professoren in der deutschen Literatur? Wahrscheinlich nur, um, wie es auch hier geschieht, zu zeigen, wie verächtlich eine akademische Laufbahn ist, denn dieser Jens hat bei seinem Ausflug ein Häuschen in der Nähe von Marseille gefunden, wohin er nun entfliehen will; den schönen Ruf, für ihn halb schon der Tod, der ihn ereilen will, schlägt er, trotz verständlicher Einwände seiner Ehefrau, in den Wind. Auf einmal hat sich die Erzählung von der Ehekrise in das Leben eines Taugenichts geläutert, das nicht weniger unwahrscheinlich ist als Eichendorffs Fantasterei. Vielleicht ist die Ehe doch keine so schlechte Einrichtung fürs Leben, denn als Thema für die Literatur taugt sie immer noch nicht.
HANNELORE SCHLAFFER.
Roland Koch: "Paare". Roman. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2000. 335 S., geb., 39,90 DM.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Hannelore Schlaffer sieht den Autor gründlich gescheitert. Das Leben hat er in der Geschichte einer Ehekrise darstellen wollen und hat die Kunst damit "ganz verfehlt", tadelt die Rezensentin. Kochs Figuren erinnern die Rezensentin an ein Musterbuch, derart häuften sich die negativen Attribute der Ehefrau. Durch das Auftürmen realistischer Details entsteht ihrer Ansicht nach nicht fiktive Realität, sondern "Unwirklichkeit". Schlaffer vermutet, dass das Thema Ehe eben nicht für die Literatur taugt, zumindest nicht in der vorliegenden Form.
© Perlentaucher Medien GmbH
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