"Praktisch ganz Paris ist unterhöhlt, das müssen Sie sich vorstellen, wir schreiten über eine gähnende Leere hinweg." Paris im Sommer. Das Cafe "Le Libre achange" ist der Knotenpunkt eines weit verzweigten Handlungsnetzes, das Lilian Faschinger über der Stadt ausbreitet. Ihre faszinierenden Figuren bewegen sich wie in einem Reigen, treffen, verbinden und trennen sich.In diesem ausgefeilten Erzählzyklus sind alle auf der Suche. Ein amerikanischer Schriftsteller meint, endlich auf dem Montmartre die störstrahlenfreie Wohnung gefunden zu haben, in der er seinen stagnierenden Roman vollenden kann. Seine philippinische Putzfrau glaubt, mit ihrem Pariser Ehemann das große Glück gemacht zu haben, auch wenn sie dafür ihre Kinder verlassen musste. Der Wirt des Cafes "Le Libre achange" kultiviert mit großer Leidenschaft giftige Pflanzen und folgt heimlich attraktiven Passantinnen, merkt aber nicht, dass seine Familie auseinander bricht. Eine Altenpflegerin hofft, beim Tango kurs die große Liebe zu treffen, landet aber in den Armen eines bibelfesten Asketen, und die Tochter prominenter Fernsehmoderatoren flüchtet sich in lebensbedrohliche Hungerkuren. Die Lichtkaskaden des spektakulären Feuerwerks am französischen Nationalfeiertag lassen dann alle Schicksale nebeneinander aufscheinen.In acht fesselnden Episoden führt Lilian Faschinger den Leser hinein in das Leben unterschiedlichster Figuren. Ihre Hoffnungen und Sehnsüchte, Enttäuschungen und Ängste blitzen kurz auf, um dann wieder in den Strom des großstädtischen Treibens einzutauchen. Dabei erscheinen einzelne Figuren in mehrfacher Belichtung - eben noch im Zentrum einer Episode, treten sie am Rand einer anderen wieder auf. Neben Lilian Faschingers suggestiver Sprache ist es gerade die kunstvolle Komposition, die den Reiz dieses großartigen Erzählwerks ausmacht.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Dieses Episodenbuch von Lilian Faschinger hat den Rezensenten Uwe Stolzmann "mit nahezu perfekter Prosa anspruchsvoll" unterhalten. Die österreichische Autorin, in Wien und Paris lebend, begleite in ihrem gewohnt "kühlen Stil, ironisch, glatt, sehr routiniert" Verrückte, Eigenbrötler und Sonderlinge auf ihren Wegen durch Paris, die sie am Ende zumeist in das Cafe Le Libre Echange führen, informiert uns der Rezensent. Dort und auch sonst wird wenig dialogisiert, viel monologisiert, was Stolzmann als generelles kommunikatives Unvermögen der Protagonisten deutet. So ganz haben ihn die Figuren aber nicht überzeugt. In ihrer Gesamtschau verdichten sich die Charaktere für ihn zu einem "Klischeebild" des "neuen, leicht neurotischen Pariser Weltbürgers". Am Ende lautet Stolzmanns Urteil: "viel Breite, wenig Tiefgang".
© Perlentaucher Medien GmbH
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