Studienarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Romanistik - Hispanistik, Note: 1,7, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Romanistik), Veranstaltung: Spanischer Roman der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Sprache: Deutsch, Abstract: 1. Einleitung"Ich kenne nichts Schwereres als die Schande." Diese Proklamation Luises in Schillers "Kabale und Liebe" als Zeichen von Ehrenhaftigkeit und Würde verweist auf eine Problematik, welche vom Menschen in seiner Geschichte von jeher gefürchtet und verabscheut wird. Sprichwörter wie "Besser mit Schaden als mit Schande klug werden.", "Schande hindert Tugend.", "Nichts können ist keine Schande, aber nichts lernen." verweisen auf die hohe Bedeutung von Eigenschaften wie Ehre, Anstand, Authentizität und Ansehen für die menschliche Identität. Wenn man die Geschichte betrachtet wird deutlich, dass neben unterschiedlichen kulturellen Definitionen der Terminologie "Schande", welche von den jeweiligen gesellschaftlichen Normen, Werten bzw. Anschauungen abhängig sind, auch unterschiedliche Formen des Umgangs hiermit existieren. So wird sich eine Gesellschaft, welche auf eine schuldbeladene Vergangenheit zurückblickt vermutlich zweier unterschiedlicher Strategien der Bewältigung gegenübergestellt sehen. Entweder entscheidet sie sich für eine öffentliche, (selbst)kritische Reflektion der vergangenen Verfehlungen oder für eine kollektive Verdrängung im Sinne eines selbst auferlegten Verstummens bzw. Verbergens. Erstere Möglichkeit setzt ein Bewusstsein und die Übernahme von Verantwortung für die vergangenen Fehltritte voraus, um deren lückenlose Aufarbeitung gewährleisten zu können. Beim Prinzip der Verdrängung hingegen versetzt sich eine Gesellschaft hinsichtlich ihrer vergangenen "Schande" bewusst in einen Zustand des Erstarrens. Beide Vorgehensweisen verfolgen jedoch trotz des gegensätzlichen Umgangs mit der Vergangenheit eine gemeinsame Intention: Der Wunsch, das Geschehene hinter sich zu lassen, um einer neuen Ausrichtung zu folgen. Mit dieser Arbeit sollen die Ursachen und Folgen des Verdrängungsprinzips am Beispiel der spanischen transición unter Verwendung des Romans "Corazón tan blanco" von Javier Marías untersucht werden. Im Zentrum der Betrachtungen wird hierbei der Begriff des "pacto de borrón", welcher eine kritische spanische Selbsteinschätzung bezüglich des Umgangs mit der Vergangenheit darstellt, stehen. Dabei soll überprüft werden, inwiefern man hinsichtlich der politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen nach 1975 von Generalamnesie oder kollektivem Schweigen der Spanier in Bezug auf Bürgerkrieg und Diktatur sprechen kann.
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