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Wir haben uns daran gewöhnt, dass immer mehr Menschen mit Übergewicht oder Fettleibigkeit kämpfen - oder mit anderen Zivilisationskrankheiten: Diabetes, Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Allergien, Unverträglichkeiten, Aufmerksamkeitsdefizit oder Burnout. Der Name deutet es bereits an: "Zivilisationskrankheiten" findet man in den Industrienationen - aber so gut wie nie bei Menschen, die unter ursprünglichen Bedingungen leben. Die Evolutionsbiologin Sabine Paul beschreibt, warum diese Probleme existieren, warum sie in den letzten Jahrzehnten so dramatisch zunehmen und wie man sie erfolgreich…mehr

Produktbeschreibung
Wir haben uns daran gewöhnt, dass immer mehr Menschen mit Übergewicht oder Fettleibigkeit kämpfen - oder mit anderen Zivilisationskrankheiten: Diabetes, Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Allergien, Unverträglichkeiten, Aufmerksamkeitsdefizit oder Burnout. Der Name deutet es bereits an: "Zivilisationskrankheiten" findet man in den Industrienationen - aber so gut wie nie bei Menschen, die unter ursprünglichen Bedingungen leben.
Die Evolutionsbiologin Sabine Paul beschreibt, warum diese Probleme existieren, warum sie in den letzten Jahrzehnten so dramatisch zunehmen und wie man sie erfolgreich behandeln oder verhindern kann. Voraussetzung dafür ist, die komplexe Interaktion von Genen und Umwelt zu verstehen und wieder in die richtige Balance zu bringen. Der Vergleich des Steinzeitlebens mit dem modernen Alltag ist der Weg, um den natürlichen Bedürfnissen der Menschen auf die Spur zu kommen und den mehr als zwei Millionen Jahre alten Erfolgsprogrammen wieder Geltung zu verschaffen. Diese Kraft und Erfolgsfaktoren, die aus dem paläolithischen Leben stammen, nennt Sabine Paul "PaläoPower" - es ist die Steinzeitkraft oder innere Urkraft, die jeder Mensch in sich trägt und neu entdecken kann.
Autorenporträt
Sabine Paul, geboren 1968, ist promovierte Molekular- und Evolutionsbiologin mit langjähriger Erfahrung als Wissenschaftsautorin, Referentin und Trainerin in Workshops und Fortbildungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.08.2012

Was sich aus der Evolution so alles lernen lässt
Eine Frage der Weltverbundenheit: Wolfgang Welsch verwurzelt uns in der Natur, und Sabine Paul setzt ganz konkret auf die Zutaten altsteinzeitlicher Küche

"Nichts in der Biologie ergibt Sinn außer im Lichte der Evolution", betitelte der Evolutionsbiologe Theodosius Dobzhansky einen Essay gegen den Kreationismus. Vielleicht erleuchtet ja die Evolution auch die Erkenntnistheorie und die Ernährungswissenschaften. Jedenfalls versucht sich Wolfgang Welsch in einer evolutionären Perspektive der Philosophie, und Sabine Paul will das "Wissen der Evolution" für richtige "Ernährung, Gesundheit und Genuss" nutzen.

Wolfgang Welsch argumentiert dafür, dass der Mensch der Welterkenntnis nicht unfähig ist. In der ersten Hälfte seines Buches zeichnet er Genese und Geschichte der "modernen Denkform" nach, die von einer "prinzipiellen Weltfremdheit des Menschen" ausgehe, um dann für unsere grundsätzliche Weltverbundenheit einzutreten. Wofür neben Rilke ("völlig eingelassen in die Natur in einem beinah unbewussten Anschaun") und Cézanne ("Ich will mich in der Natur verlieren, mit ihr und wie sie wieder keimen, die eigensinnigen Töne der Felsen haben, die vernünftige Hartnäckigkeit des Gebirges, die Flüssigkeit der Luft, die Wärme der Sonne") auch eigene Gedanken über guten Sex geltend gemacht werden: "Das Liebemachen wird dann als ein Vorgang erfahren, bei dem nicht wir die entscheidenden Akteure sind, sondern wo ein Größeres und Stärkeres in uns aufbricht und mit uns und durch uns hindurch Liebe macht."

Im nächsten Kapitel sieht Welsch "eine himmlische - eine stellare - Natur" des Menschen, schließlich seien große Teile der Materie, aus der wir bestehen, in Sternen erzeugt worden. Außerdem zeige die biologische Evolution gerade die Kontinuität der Lebensformen und eben keine Sonderstellung des Menschen. Mit dem Beginn der kulturellen Evolution habe sich der Mensch zwar aus der biologischen Evolution ausgeklinkt, aber Welsch sieht eine "allgemeine Reflexionsfähigkeit", und zudem gebe es auch genetisch ererbtes Vorwissen: Bienen und Menschen wissen gleichermaßen, dass ein Baum ein Hindernis ist, dem man ausweichen muss. Unser Wissen über solide Körper sei "evolutionär erwachsen und millionenfach bewährt". Die Evolution dient hier also der theoretischen Philosophie als Empirie. Täuschungen gebe es zwar, doch die Tatsache, dass wir sie als solche erkennen können, gebe Aussicht auf Besserung. Man denke an die Sonne und die Erde und die Frage, wer sich um wen dreht. "Die weiteren Wissensschritte führen nicht von der Welt weg, sondern konkreter, genauer, vollständiger zu ihr hin."

Bei Welsch geht es allerdings weniger darum, wie das menschliche Erkennen von der Evolution geformt und eben auch beschränkt sein könnte, sondern um eine Einheit von Mensch und Welt. Beide beruhten schließlich auf denselben Baustoffen und Prinzipien. Und eine Art Weltgeist hält sie wohl auch zusammen: "In der menschlichen Reflexion wendet sich die von Anfang an reflexiv verfasste Natur auf sich selbst zurück."

Sabine Paul geht es hingegen darum, wie wenig wir in unsere heutige Welt passen. Homo sapiens habe die meiste Zeit seiner Existenz in den Jäger-und-Sammler-Gruppen der Altsteinzeit verbracht und sei an diese Umwelt angepasst. Seit der Sesshaftwerdung und dem damit verbundenen Startschuss rasanter kultureller Entwicklungen seien nur 10 000 Jahre vergangen, also ein Wimpernschlag, der kaum für evolutionäre Anpassungen an die von Menschen veränderte Welt ausreiche. Wolle man den Menschen artgerecht halten, meint Paul, müsse man sich also die Steinzeit zum Vorbild nehmen. Darin liege die Patentlösung für Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht, Arteriosklerose und Diabetes, aber auch für das ADHS und Burnout.

Die konkreten Ratschläge erschöpfen sich dann über weite Strecken in den für Ratgeber üblichen Aufforderungen zur Lebensänderung: gesünderes Essen, mehr Bewegung, weniger Stress, mehr Erholung, auf den Körper hören. Nur sind diese Forderungen durch den Verweis auf den Urzustand des Menschen legitimiert. Wirklich konkret und damit interessant wird es bei den Hinweisen, wie eine gesunde Ernährung auszusehen hat. Zwar seien die Speisepläne der Altsteinzeit je nach Jahreszeit und geographischer Lage sehr unterschiedlich gewesen, trotzdem lassen sich einige Lebensmittel ausschließen. Selten gab es glutenhaltige Gräser, erst recht kein gezüchtetes Getreide, das heute unseren Speiseplan dominiert. Eier gab es nur saisonal und von verschiedenen Vögeln, während es heutzutage ganzjährig Hühnereier gibt. In der Altsteinzeit gab es Zucker nur selten, und zwar in der Form von Honig, Alkohol nur aus vergorenen Früchten und Honig, Milch gar nicht.

Nach der evolutionären Logik von Anpassung und Unangepasstheit soll uns der Verzicht auf ebendiese Lebensmittel gesünder machen. So seien es vor allem die genannten "neueren" Lebensmittel, die Nahrungsmittelunverträglichkeiten, wie eben Laktose-Intoleranz oder Zöliakie (Zerstörung des Darms aufgrund von Gluten), hervorriefen. Dass ein nie dagewesenes Überangebot an Zucker und Fett das auf Mangel programmierte Steinzeithirn zum Zugreifen und damit zum Übergewicht verführen, ist ja schon Allgemeinwissen geworden.

Das Buch liest sich als Mittelweg zwischen Ratgeber und wissenschaftlicher Fundierung. Die Ratschläge hätten in ihrer Ausführlichkeit ruhig dem denkenden Leser überlassen werden können, sofern sich dieser nicht von dem Titel "PaläoPower" und dem mythischen Gerede von "Steinzeitkraft" und "innerer Urkraft" abschrecken lässt. Für einen wirklich lehrreichen Einblick in die evolutionäre Medizin sollte man besser zum Klassiker von Randolph Nesse und George William, "Warum wir krank werden", greifen. So sieht man nach der Lektüre der beiden Bücher seinen Speiseplan zwar im Lichte der Evolution, doch bleibt man hungrig in Bezug auf die Frage, welche Teile der Welt sich der menschlichen Erkenntnis entziehen, weil die Evolution deren Verdauung nicht vorgesehen hat.

LEANDER STEINKOPF

Wolfgang Welsch: "Mensch und Welt". Eine evolutionäre Perspektive der Philosophie.

Verlag C. H. Beck, München 2012. 191 S., br., 14,95 [Euro].

Sabine Paul: "PaläoPower". Das Wissen der Evolution nutzen für Ernährung, Gesundheit und Genuss.

Verlag C. H. Beck, München 2012. 301 S., br., 12,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Durchwachsen scheint Leander Steinkopf dieses Buch über das "Wissen der Evolution" bezüglich der Fragen von Gesundheit und Ernährung, das Sabine Paul vorgelegt hat. Er hebt die Empfehlung der Autorin hervor, sich in diesen Fragen die Steinzeit zum Vorbild zu nehmen, um Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht, Arteriosklerose, Diabetes, ADHS und Burnout den Garaus zu machen. Etwas enttäuscht scheint der Rezensent dann von den bekannten Ratschlägen zur Lebensänderung: gesünder essen, mehr bewegen, usw. Durchaus interessant findet er dann aber die konkreten Hinweise zu einer gesunden Ernährung, die die Autorin gibt und auch evolutionsbiologisch erklärt. So liest sich das Buch für Steinkopf wie ein Mittelding zwischen "Ratgeber und wissenschaftlicher Fundierung". Letztlich scheint ihm der Erkenntniswert des Buchs aber doch begrenzt, empfiehlt er doch Randolph Nesses und George Williams Klassiker "Warum wir krank werden" als bessere Alternative in Sachen evolutionäre Medizin.

© Perlentaucher Medien GmbH