"Gustav K. war ein Nachtredakteur. Das Blatt erschien jeden Morgen um drei Uhr. Jede Nacht um elf Uhr dreißig erschien der Nachtredakteur. Er war frisch rasiert, frisch gewaschen, ausgeruht, nach Seife duftend und Menthol. Ein vorausgeeilter Teil des nächsten Morgens. Er schien die Müdigkeit der anderen nicht zu begreifen. Erfrischt von seiner Morgenwanderung durch die nächtlichen Straßen betrat er ahnungslos die Gesellschaft der Erschlafften, klopfte den Stehenden auf die Schultern, den Sitzendenauf die Knie und wunderte sich, daß sie zusammenfielen, morsche Gerüste.Er schien sich für den Gesundesten zu halten. (...) Zwei Stunden später war auch er verwandelt. (...) In seinem dünnen Angesicht flossen die Schatten der Sorgen mit den zufälligen fetten Spuren der Druckerschwärze zusammen, die ein achtloser Finger hinterlassen hatte."Wer die Romane Joseph Roths kennt und schätzt, wird diese Sammlung brilliant formulierter Feuilletons lieben. Das Buch enthält meisterhafte Reportagen und Feuilletons aus der Frankfurter Zeitung und wurde vom Autor selbst für den Münchner Verlag Knorr und Wirth ausgewählt.Der ursprüngliche Erscheinungszeitraum der Feuilletons umfasst die zweite Hälfte der Zwanziger Jahre.Joseph Roth. Panoptikum. Gestalten und Kulissen.Erstdruck: Verlag Knorr und Hirth, München 1930. Vollständige Neuausgabe, Göttingen 2019.LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag
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