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Vom Sohn eines armen Steinmetz zu einem der gefragtesten internationalen Künstler seiner Zeit: so lässt sich die Karriere von Paolo Caliari, genannt Veronese (1528-1588) zusammenfassen. Mit Tizian und Tintoretto zählte er zum Dreigestirn des Goldenen Zeitalters der venezianischen Republik. Wie kein anderer verstand er es, durch sein Organisationstalent über 1400 Werke in vierzig Jahren zu produzieren. Das Buch zeichnet diese ungewöhnliche wirtschafltiche und künstlerische Erfolgsgeschichte nach. Veronese war sowohl ein begnadeter Maler als auch Manager, der einen effizient eingespielten…mehr

Produktbeschreibung
Vom Sohn eines armen Steinmetz zu einem der gefragtesten internationalen Künstler seiner Zeit: so lässt sich die Karriere von Paolo Caliari, genannt Veronese (1528-1588) zusammenfassen. Mit Tizian und Tintoretto zählte er zum Dreigestirn des Goldenen Zeitalters der venezianischen Republik. Wie kein anderer verstand er es, durch sein Organisationstalent über 1400 Werke in vierzig Jahren zu produzieren. Das Buch zeichnet diese ungewöhnliche wirtschafltiche und künstlerische Erfolgsgeschichte nach. Veronese war sowohl ein begnadeter Maler als auch Manager, der einen effizient eingespielten Werkstattbetrieb entwickelte. Der Autor vermittelt zunächst ein Bild von Veroneses Werkstatt, in der Lehrlinge ausbildet wurden, den Stil des Meisters in Zeichnung und Malerei perfekt zu imitieren und in der zuerst neben vielen anderen Gehilfen der Bruder mitarbeitete, später dann die eigenen Söhne. Wo die Vernonese-Forschung bislang immer die dem Geniekult geschuldete 'Eigenhändigkeit' des venezianischen Künstlers betonte, gibt Hans Dieter Huber hier erstmals einen differenzierteren und durch intensives Quellenstudium gewonnenen neuen Einblick in die Arbeitsweise und Organisationsstruktur dieses Ateliers: Von den Verträgen mit den Auftraggebern über die äusserst ökonomische Arbeitsteilung zwischen Meister, Gesellen und Lehrlingen, vom Entwerfen der ersten vagen Skizzen über Detail- und Kostümstudien bis hin zur Erfindung und Einführung der Marke 'Paolo Veronese' im internationalen Kunstmarkt des 16. Jahrhunderts, erscheint Veronese als eine äusserst innovative und bisher vernachlässigte Figur der Kunstgeschichte. In der Konsequenz einer systemtheoretischen Vorstellung von Kunstgeschichte beschreibt der Autor eingehend die vielfältigen und oft schwer durchschaubaren Verbindungen zwischen Künstlern, Auftraggebern, Staatsdienern, Literaten und Mäzenen als ein aufgrund der besonderen geographischen Lage Vendigs geschlossenes soziales Funktionssystem, welches sich im 16. Jahrhundert ausdifferenziert. Interessant ist zudem das Verhör vor der Inquisition am 18. Juli 1573, wo sich Veronese in gespielter Unschuld geschickt gegen den Vorwurf der Gotteslästerung verteidigt. Seinen Weltruhm begründete jedoch das untrügliche Gepür für die ökonomische Möglichkeiten der Kunst, das in dieser wegweisenden Studie zum ersten Mal ausführlich gewürdigt und theoretisch verortet wird.
Autorenporträt
Hans Dieter Huber ist Professor für Kunstgeschichte der Gegenwart, Kunsttheorie und Ästhetik an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Nach einer Ausbildung als Maler und Grafiker an der Akademie der Bildenden Künste München studierte er Kunstgeschichte und Philosophie; 1994 habilitierte er sich mit einer Arbeit über Paolo Veronese. Er ist Autor zahlreicher Publikationen zu zeitgenössischer Kunst, Kunst- und Medientheorie.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.11.2005

Lässigkeit am Rande der Inquisition
Was für eine Sprezzatura: Hans Dieter Huber erforscht in seiner Studie über Veronese die Mechanismen hinter dem Werk des Malers / Von Niklas Maak

Ein Palast. Eine lange Tafel. Dicke Herrschaften sitzen dort, einer gestikuliert wild durch die Luft, ein anderer hockt blähbäuchig im Sessel, einem Diener läuft Blut aus der Nase, ein Narr hüpft mit einem Papagei durch die Gegend - und in der Mitte des wüsten Gelages sitzt Jesus Christus. 1573 malte Veronese sein "Abendmahl", das den Erlöser in eine dekadente venezianische Welt hineinprojizierte, doch diese Form der historischen Überblendung rief die Inquisition auf den Plan, die Profanierung und eine Nähe zu deutscher reformatorischer Bildpropaganda am Werk sah. Das Bild wurde schließlich umbenannt in "Gastmahl im Hause des Levi".

Das vielschichtige Werk Veroneses, der 1528 in Verona als Sohn des Bildhauers Gabriele Caliari geboren wurde und in Venedig mit seinem dramatischen, farbreichen Stil zu einem Hauptvertreter des Manierismus wurde, ist keineswegs so umfassend erforscht wie das Tizians. Zwar gibt es eine fast unübersichtliche Literatur, die von Terisio Pignattis grundlegendem Werkkatalog von 1976 über Kurt Badts Versuch, Veroneses Wirken im Kontext der zeitgenössischen venezianischen Gesellschaft darzustellen, bis zu detaillierten röntgenologischen Untersuchungen reicht. Was bisher fehlte, war ein Versuch, die einzelnen Erkenntnisse zu einer Sicht zu verdichten.

Dem in Stuttgart lehrenden Kunsthistoriker Hans Dieter Huber geht es in seinem monumentalen Werk zu Veronese um das osmotische Verhältnis zwischen der "visuellen Konstruktion" des Kunstwerks und der "kognitiven Konstruktion", die der Betrachter angesichts des Werks anfertigt, und um die Mechanismen, die Kunstproduktion und -rezeption im zeitgenössischen Venedig prägten. Schnell kommt Huber daher auf die Eigentümlichkeiten der venezianischen Kunstproduktion zu sprechen. In Venedig war es, anders als in Florenz, seit dem Quattrocento üblich, Familien-Werkstätten zu gründen, in denen nach dem Tod des Meisters dessen Brüder, Neffen oder Gesellen die Arbeit fortsetzten. Besonders Veronese etablierte seinen Namen wie eine Marke und arbeitete so an einem wirtschaftlichen Erfolg, der jede Form von tatsächlicher "Eigenhändigkeit" unmöglich machte: "Veroneses wurden nicht nur von Paolo selbst hergestellt, sondern von den verschiedensten Mitgliedern der Werkstatt. Es gab einen offiziellen Veronese-Stil, der nach außen hin . . . als solcher wiedererkennbar sein mußte." Huber liefert eine minutiöse Darstellung der Produktionsweise des Paolo Caliari alias Veronese. Gezeigt wird, wie Modellköpfe und Charaktertypen immer wieder in den Gemälden auftauchen, wie Präfabrikation und die oft zur postmodernen Errungenschaft erklärte Kulturtechnik des "Sampling" schon Mitte des sechzehnten Jahrhunderts Anwendung fanden. Huber analysiert die Rolle von Veroneses Mitarbeitern wie etwa des Benedetto Caliari, der Menschen so statuarisch wie Skulpturen malte und dessen zum Hölzernen tendierenden Stil man etwa in der Villa Barbaro leicht erkennen kann. In seiner Analyse des "sozialen Systems" der Künstlerwerkstatt Veroneses legt Huber dar, wie einzelne Künstler des Ateliers sich mit einem eigenständigen Stil behaupteten, während andere Gesellen im Versuch, sich den Vorgaben anzupassen, immer stärker zwischen Veronese, Tintoretto und Palma Giovane ins Schleudern gerieten und jeden eigenen Stil verloren. Nicht nur für die Veronese-Forschung leistet Huber mit seiner Untersuchung der Kompositionsmechanismen des Venezianers Grundlegendes. Gezeigt wird, wie Bildaufbau und -größe die inhaltliche Wahrnehmung steuert, wie durch stürzende Diagonalen Unruhe erzeugt wird, wie schwere Architekturformen den Weg nach oben versperren. Kein Himmel bietet Rettung in Veroneses "Familie des Darius vor Alexander" oder im "Gastmahl im Haus des Levi"; das Geschehen ist in die diesseitige Welt zurückgeworfen. Daß die Wahrnehmung dieser Kompositionen als "bedrohlich" oder "ordnend" von der Disposition des Betrachters abhängig und somit jenseits von historischen Quellen, die eine damalige Sicht auf Veronese offenbaren, schwer objektivierbar ist, betont Huber in einem Passus, der sich mit epistemologischen Problemen der Kunstbetrachtung befaßt.

Daß man es bei dem reich bebilderten Prachtband mit einer bearbeiteten Habilitationsschrift zu tun hat, merkt man immer wieder: Schon der einleitenden Danksagung an Niklas Luhmann folgt eine in der für deutsche Habilitationen typischen verknoteten Sprache abgefaßte systemtheoretische Vorstellung von Kunstgeschichte und -rezeption. Es ist, als traue der Autor seinem reichen, überzeugend dargebotenen Material nicht und wolle dem Opus durch einen umständlichen Gestus zusätzliche Bedeutungsschwere verleihen. "Die Interaktionen, die einzelne Komponenten in einem bestimmten Gemälde untereinander aufnehmen können", so Huber, "bilden immer nur einen verschwindend kleinen, selektiven Bereich von Interaktionsmöglichkeiten. Der Künstler selegiert durch seine Komposition des Systems nicht nur die einzelnen Komponenten des Systems, sondern auch ihre im System möglichen Interaktionsbeziehungen." Solche Überlegungen lassen sich, die amerikanische Kunstgeschichte zeigt es, ohne Differenzierungsverluste auch einfacher vortragen.

Weitere Kapitel widmen sich den Entwurfspraktiken Veroneses, der schon von Vasari für seinen disegno gerühmt wurde, sowie der Wirkung der Farben. Präzise wird beschrieben, wie Veronese mit überdrehten Figuren die in Venedig kanonische Norm der Angemessenheit oder "convenevolezza" verletzte und statt dessen auf den Schock des Ungesehenen setzte, um sein Können und seine Souveränität in der venezianischen Kunstwelt unter Beweis zu stellen. Veronese machte Saltos auf den Burgmauern des guten Geschmacks, und letztlich bestand seine Kunst auch darin, die gebildeten Kunstkenner mit subcodierten, geheimen Botschaften zu erfreuen, die dem offiziellen religiösen Gehalt der Werke oft deutlich entgegenstanden.

Huber führt überzeugend vor, wie der kontrollierte Regelverstoß in Veroneses Werk schließlich Ausdruck der "sprezzatura" wurde, jener Lässigkeit, die Castiglione im "Cortigiano" als Zeichen höchster Souveränität feiert. Ob in den geisterhaft verblüffenden Arbeiten in der 1566 von Andrea Palladio errichteten Villa Barbaro in Maser bei Treviso, wo Veronese mit Zelotti eine Reihe von Zimmern und Sälen ausmalte, oder im Schloß Magnadole, wo er das Gastmahl der Kleopatra zeigte: Veroneses Kunst war ein Versuch, höchste Künstlichkeit und mathematisch unerbittliche Organisation des Bildaufbaus als größte Natürlichkeit erscheinen zu lassen. Der Druck des Marktes und das Unterhaltungsbedürfnis der Betrachter durch überraschende invenzione und capricci öffneten Veronese und seiner Werkstatt einen Weg, der vom regelhaft Schönen zur Inszenierung des schockartig Anderen führte. Schon früh findet sich so im überreizten Klima der venezianischen Kunstwelt um 1560 etwas, das Breton Jahrhunderte später "konvulsivische Schönheit" nennen sollte.

Hans Dieter Huber: "Paolo Veronese". Kunst als soziales System. Wilhelm Fink Verlag, München 2005. 602 S., 91 Farbtafeln, geb., 152,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Voll des Lobes ist Franz Zelger für diese Studie zu Paolo Veroneses Werkstattbetrieb und preist sie als "vielseitig und fundiert". Hubers "Verdienst" sei es, dass man nun ein "genaueres Bild" von der Funktionsweise von Veroneses Atelier im Licht der Gepflogenheiten der venezianischen Kunstwelt habe, so der Rezensent anerkennend. Huber, erklärt er, verfolgt einen "systemtheoretischen" Ansatz, in dem mit einem "hypothetischen Suchraster" und einem durch Quellen belegten Zeitrahmen die Mitarbeit der einzelnen Gesellen zeitlich eingegrenzt werden kann und somit verschiedene Hände sicherer unterschieden werden können. Zelger preist die Studie als "facettenreichen Einblick", mit dem sich der Autor als "akribischer Forscher" und als "Kenner" profiliert. Veronese wird im vorliegenden Band nicht nur als herausragender Künstler porträtiert, sondern auch als "Manager", der erfolgreich die "Marke" Paolo Veronese etablierte, so Zelger eingenommen.

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