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Als George Bush senior nach dem Ende des Ost-West-Konflikts den Beginn einer neuen Weltordnung verkündete, wurde damit die Hoffnung verbunden, daß sich Frieden, Demokratie und Wohlstand unter dem Dach der Vereinten Nationen weltweit ausbreiten würden. Heute erscheint die Welt zerrissener denn je. Ulrich Menzel eröffnet Perspektiven auf die paradoxe Weltlage zu Beginn des 21. Jahrhunderts und beschreibt langfristige Trends, die ihr zugrunde liegen. Was steht hinter der Wende der USA zur Neuordnung der Welt mit Waffengewalt? Wieso feiert der bürokratische Entwicklungsstaat in Asien immer neue…mehr

Produktbeschreibung
Als George Bush senior nach dem Ende des Ost-West-Konflikts den Beginn einer neuen Weltordnung verkündete, wurde damit die Hoffnung verbunden, daß sich Frieden, Demokratie und Wohlstand unter dem Dach der Vereinten Nationen weltweit ausbreiten würden. Heute erscheint die Welt zerrissener denn je. Ulrich Menzel eröffnet Perspektiven auf die paradoxe Weltlage zu Beginn des 21. Jahrhunderts und beschreibt langfristige Trends, die ihr zugrunde liegen. Was steht hinter der Wende der USA zur Neuordnung der Welt mit Waffengewalt? Wieso feiert der bürokratische Entwicklungsstaat in Asien immer neue Erfolge, während in Afrika ein neues Mittelalter anbricht? Warum verläuft der deutsche Weg in die neue Weltordnung auf so schmalem Grat? Inwieweit ist die Situation heute auch Resultat der Aufklärung und der ihr immanenten Dialektik? Der Band setzt die in Das Ende der Dritten Welt und das Scheitern der großen Theorie (es 1718) und Globalisierung versus Fragmentierung (es 2022) eröffnete Argumentation auf eigenständige Weise fort.
Autorenporträt
Ulrich Menzel, geboren 1947, ist Politikwissenschaftler und war bis zu seiner Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Beziehungen und Vergleichende Regierungslehre an der TU Braunschweig.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.09.2004

Verletzte Souveränitäten
Ulrich Menzel überdenkt die Paradoxien der neuen Weltordnung

Die nach dem Ende des Ost-West-Konflikts entstandene Weltordnung hat inzwischen vielerlei Charakterisierungen erfahren. In fast allen ging es darum, ihr die Ordnungsqualität zu bestreiten. Begreift man Paradoxie als Widersinn, so hätte auch Menzel dies getan. Man kann unter Paradoxie freilich auch eine Struktur verstehen, die ihren eigenen Widerspruch mit sich führt, und daraus kann sich sehr wohl eine Ordnung ergeben, die für den kundigen Beobachter dechiffrierbar ist.

Was Ulrich Menzel, Politikwissenschaftler in Braunschweig, vorschlägt, ist eine Betrachtung, die sich von der Erwartung der Geradlinigkeit und Einsinnigkeit der Entwicklungen freimacht und statt dessen damit rechnet, daß sie etwas ganz anderes zur Folge haben, als die, die sie in Gang gesetzt oder auch nur begrüßt haben, damit intendiert oder davon erwartet haben. Aber das ist, wie Menzel anhand einiger trefflicher Beobachtungen herausstellt, keineswegs erst seit 1989/90 der Fall, sondern ein Merkmal des gesamten zwanzigsten Jahrhunderts. Die Konstatierung von Paradoxien ist das Eingeständnis, daß der Fortschrittsoptimismus und die Planungseuphorie zumeist unbegründet waren, aber das dispensiert nicht von der Erfordernis, daß Politik auch unter diesen Bedingungen geplant und Entwicklungen gesteuert werden müssen. Es sollte eben nur etwas intelligenter und mit weniger großen Erwartungen versehen sein.

In Menzels Diagnosen mischen sich Skepsis und Zuversicht miteinander, und das ist angesichts der jüngsten Entwicklungen keine schlechte Voraussetzung dafür, einen klaren Blick zu behalten. So findet man bei Menzel nicht das übliche Bush-Bashing, wenn es um die Politik der Vereinigten Staaten geht, sondern die gut belegte Auffassung, daß sich in der Sache mit dem Übergang von Clinton zu Bush kein Bruch vollzogen habe, sondern sich eigentlich bloß die Kommunikationsformen verändert hätten. Gleichzeitig ist Menzel aber weit davon entfernt, die amerikanische Politik als besonders klug und weitsichtig zu feiern. An ihr vermag er die Paradoxien aufzuweisen, denen offenbar nicht nur die Kleinen unterliegen, sondern auch eine Weltmacht. Menzel tut dies unaufgeregt und sachlich, stets in historisch weit gespannten Horizonten, was bei einem Vertreter der internationalen Politik besonders wohltuend ist.

Immer wieder kommt er dabei auf das westfälische System zurück, jene Ordnung der Staaten, wie sie sich nach den Friedensverträgen von Münster und Osnabrück in Europa entwickelt hat und die von einigen Theoretikern der internationalen Beziehungen als der Normalfall der Politik behandelt worden ist. Ist das westfälische System obsolet, wie einige behaupten, oder ist es wirksam, wenn auch nicht mehr so klar und deutlich wie früher? Im Anschluß an Robert Cooper unterscheidet auch Menzel zwischen drei politischen Ordnungsebenen, und in jeder von ihnen herrschen eigene Gesetzmäßigkeiten. In der Welt der postmodernen Staaten ist die westfälische Ordnung außer Kraft gesetzt: Hier haben die Staaten viel von ihrer Souveränität an suprastaatliche Institutionen abgegeben, hier ist ein enges Netz von Verflechtungen und Verträgen entstanden, und hier scheint tatsächlich die offene Gewaltanwendung aus den zwischenstaatlichen Beziehungen verschwunden zu sein. Aber diese Konstellationen bleiben weitgehend auf den Raum der Euroäischen Union beschränkt.

Zu meinen, sie seien bei etwas mehr gutem Willen global realisierbar, ist illusionär. Denn neben den postmodernen gibt es immer noch die modernen Staaten, die auf ihrer Souveränität bestehen, selbst wenn sie nur teilweise der Realität standhält. Diese Staaten wollen sich nicht binden lassen und ihre Interessen notfalls mit Gewalt durchsetzen. Sie bewegen sich weiter in einer westfälischen Ordnung. Aber eigentlich sind nur noch die Vereinigten Staaten in der Lage, die klassische Rolle eines modernen Staates zu spielen, doch gerade sie werden deswegen mit weltpolitischen Ordnungsaufgaben konfrontiert, die weit über die Rolle eines modernen Staates im klassischen Sinn hinausgehen. Die Situation der Vereinigten Staaten ist also zutiefst paradox: letzter moderner Staat und zugleich Weltpolizist - eine Rolle, die es in dem westfälischen System nicht gegeben hat. Daß die Vereinigten Staaten unter diesen Umständen niemanden zufriedenstellen, aber viel Gegnerschaft hervorbringen, ist kaum anders zu erwarten.

Das Hauptproblem der weltpolitischen Ordnung sind die prämodernen Staaten. Damit sind jene Staaten gemeint, denen jede Staatsqualität abgeht beziehungsweise deren Staatsqualität nur aus einer Fassade von Symbolen besteht. Afrika, große Teile Lateinamerikas, Zentralasien und Südostasien sind die Regionen dieser prämodernen Staaten. Im Prinzip wäre es nötig, hier stabilisierend einzugreifen und in den ärgsten Fällen Protektorate zu errichten, in denen Staatlichkeit neu aufgebaut würde. Menzel spricht dies offen aus, aber er weiß, daß sich kaum Mächte finden werden, die dazu bereit und in der Lage sind. Die kurze Phase des humanitären Interventionismus während der neunziger Jahre ist vorüber. All das beschreibt Menzel genau und gelassen. Er läßt die Theoretiker seines Fachs Revue passieren, ebenso wie er sich mit intellektueller Behendigkeit durch die Regionen wie Zeiten bewegt - und das alles im Gestus kritischer Selbstvergewisserung. Das Ergebnis ist paradox: eine angenehme Lektüre über unangenehme Themen.

HERFRIED MÜNKLER

Ulrich Menzel: "Paradoxien der neuen Weltordnung". Politische Essays. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004. 268 S., br., 11,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rundum überzeugend findet Herfried Münkler die politischen Essays über die Paradoxien der neuen Weltordnung von Ulrich Menzel. Er attestiert dem Politikwissenschaftler Diagnosen, in denen sich Skepsis und Zuversicht mischen, sowie einen klaren Blick. Hier finde man nicht das übliche Bush-Bashing, sondern die gut belegte Auffassung, dass sich in der Sache mit dem Übergang von Clinton zu Bush kein Bruch vollzogen habe, sondern sich eigentlich bloß die Kommunikationsformen verändert hätten. Dabei sei Menzel weit davon entfernt, die amerikanische Politik als besonders klug und weitsichtig zu feiern. An ihr weise er die Paradoxien auf, denen die Weltmacht unterliege. Das tut er zur Freude von Münkler "unaufgeregt", "sachlich" und "stets in historisch weit gespannten Horizonten". Generell lobt Münkler die Genauigkeit und Gelassenheit, mit der Menzel vorgeht. Er lasse die Theoretiker seines Fachs Revue passieren und bewege sich mit intellektueller Behendigkeit durch die Regionen wie Zeiten - und das alles im "Gestus kritischer Selbstvergewisserung". "Das Ergebnis ist paradox", resümiert Münkler, "eine angenehme Lektüre über unangenehme Themen."

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