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AIs Joseph Pargfrider 1787 im k. k. Ungarn geboren wird, deutet nichts daraufhin, daß ihm ein außergewöhnliches Leben beschieden sein sollte.
Früh verwaist und ungeliebt von der Verwandtschaft, ist er gezwungen, sich auf eigene Füße zu stellen. Er erlernt den Tuchhandel durchschaut bald die Geheimnisse von Skonto und Rabatt, Profit und Zins und versucht sich in eigenen Geschäften. Als Armeelieferant steigt er zu den reichsten Männern seiner Zeit auf. Dennoch bleibt der "Napoleon des Zwillich" in den besseren Wiener Kreisen ein Außenseiter.
Aber Pargfrider weiß, mit Geld kann man alle(s)
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Produktbeschreibung
AIs Joseph Pargfrider 1787 im k. k. Ungarn geboren wird, deutet nichts daraufhin, daß ihm ein außergewöhnliches Leben beschieden sein sollte.

Früh verwaist und ungeliebt von der Verwandtschaft, ist er gezwungen, sich auf eigene Füße zu stellen. Er erlernt den Tuchhandel durchschaut bald die Geheimnisse von Skonto und Rabatt, Profit und Zins und versucht sich in eigenen Geschäften. Als Armeelieferant steigt er zu den reichsten Männern seiner Zeit auf. Dennoch bleibt der "Napoleon des Zwillich" in den besseren Wiener Kreisen ein Außenseiter.

Aber Pargfrider weiß, mit Geld kann man alle(s) kaufen. Und so kauft er sich, was er sonst nicht bekommen kann, etwa die Freundschaft des berühmten Feldmarschall Radetzky.
Autorenporträt
Stefan Heym (1913-2001) floh vor der Nazidiktatur nach Amerika, verließ das Land in der McCarthy-Ära und lebte seit 1952 in der DDR. Seine trotzig-kompromisslose Kritik an Selbstherrlichkeit, Unterdrückung und Zensur machte ihn zur herausragenden Figur, die geliebt und geachtet wurde. Zeitlebens blieb Heym ein Schriftsteller, der seine Kunst an keine Ideologie verriet (Die Zeit). 1994 eröffnete Heym als Alterspräsident mit einem engagierten Plädoyer für Toleranz den deutschen Bundestag.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.09.1998

Des Fetzentandlers Walhalla
Nebbich Unsterblichkeit: Stefan Heyms Roman "Pargfrider"

Die Empiretruhe ist in Wirklichkeit eine monumentale Geldkassa, für Spenden zur Renovierung des Gemäuers wird höflich gedankt. Kein Zweifel, die Besitzer des Schlosses Wetzdorf im niederösterreichischen Weinviertel sind mit der Erhaltung und Instandsetzung der historischen Anlage sehr überfordert. Doch jedes Übel hat seine gute Seite: Ein Hauch von Märchen liegt bis heute über dem verwunschenen Ort. Klingende Eigentümernamen zieren das beurkundete Schicksal der Herrschaft Wetzdorf im Lauf der Zeiten. Zum Beispiel Herzog Leopold von Schleswig-Holstein, der Fürst Löwenstein-Wertheim-Rosenberg, ein Graf Kolowrat.

Jener Mann, der dort einst auf Privatkosten Österreichs Walhalla errichten ließ, ist freilich im Gotha nicht verzeichnet. Denn Joseph Gottfried Pargfrider, als Inhaber des Franz-Joseph-Ordens schließlich Ritter von Pargfrider, stammte aus durchaus ungeklärten Verhältnissen. Die Legende sieht ihn als natürlichen Sohn von Kaiser Joseph II. und einer "schönen Jüdin". Immer wieder spielte der Vaterlose auf eine allerhöchste bastardische Abkunft an. Jedenfalls hat Pargfrider es als Heereslieferant der Habsburger in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts schnell zu beträchtlichem Reichtum gebracht. Des Millionärs Verehrung für Napoleon, dem er in dem 1832 erworbenen und aufwendig umgestalteten Schloß Wetzdorf einen eigenen Salon widmete, wurde nur von seinen patriotischen Gefühlen übertroffen. Die zeigten indes einen Hang zum Makabren: Joseph Pargfrider sammelte verblichene Feldmarschälle, um sie auf seinem "Heldenberg" - einem riesigen Hain mit lauter Zinkbüsten und Statuetten von ruhmbedeckten Militärs und Majestäten in den Alleen - unter einem Obelisken zur ewigen Ruhe zu betten.

Maximilian Freiherr von Wimpffen selig machte den Anfang. Und anno 1858 kamen mit buchstäblicher pompe funèbre die sterblichen Überreste Radetzkys an, des greisen Siegers von Custozza und Novara, dem der ältere Johann Strauß seinen berühmtesten Marsch gewidmet hatte, die Marseillaise der Konterrevolution. Ein einfacher Handel: Der Lieferant zahlte den Feldherrn die Schulden, die Feldherrn lieferten ihm ihre Leichen. Seit 1863 sitzt im Mausoleum naturgemäß auch Joseph Gottfried Pargfrider - eine Gruftetage unter den Särgen der Generäle, hinter einer Ritterrüstung im rotseidenen Schlafrock mit einem Käppchen auf dem Totenschädel und umgeben von freimaurerischen Symbolen. Das Leben erfindet oft die schönsten, die skurrilsten Geschichten.

Stefan Heym hat die des Heldenberg-Stifters als erster Schriftsteller abgeschrieben und ausgeschmückt. Sein Roman "Pargfrider" zeugt von genauen Recherchen in den nicht allzu umfangreich erhaltenen Archivalien. Um so befremdlicher wirkt ein Dutzende Male auftretender, laienhafter terminologischer Fehler: Die staatsrechtliche Formel "k. und k." gibt es erst seit dem "Ausgleich" von 1867. Heyms atmosphärischer Fauxpas stört weit mehr als sein Versehen, Pargfriders Umbaukosten für das verfallene Wetzdorf auf ein Zehntel der wahren Summe zu beziffern.

Der Romancier Heym, halb Dokumentarist, halb psychologischer Fabulierer, bedient sich eines bewährten, mittlerweile ein bißchen außer Mode geratenen Kunstgriffs. Er stellt sich bloß als Bearbeiter von Originalnotizen dar. Wie diese in seine Hände gelangt sein sollen, nämlich über einen sowjetischen Offizier, berichtet der in allen Fugen leise knirschende Rahmen der Erzählung. Die einundzwanzig knappen Kapitel werden zur stilistischen Etüde, zur Travestie. Daß sich Heym dabei seine Hauptfigur nach Lust und Laune zurechtfrisiert, versteht sich von selbst und ist sein gutes Recht. Die jüdische Mutter gilt in der Fiktion als gesichert, weil so das Außenseitertum des Aufsteigers Pargfrider deutlicher akzentuiert wird. Dessen intellektuelle Neugier wiederum ist ebenso verbrieft wie eine menschenfreundliche Ader. Auch hatte er in der Tat eine Schwäche für "philosophische" Aphorismen. Die leicht marxistische Färbung von Pargfriders Weltsicht dürfte sich allerdings eher dem Verfasser als dem kapitalistischen Armeelieferanten verdanken. Seltsam, daß Heym auf eine hübsche Pointe verzichtet. In den in Vitrinen ausgestellten Resten von Pargfriders Bibliothek entdeckt man auch eine 1846 gedruckte Broschüre: "Studien über ein humanes Mittel gegen den Kommunismus".

Heikel erscheinen die erotischen, der Phantasie des Autors entsprungenen Passagen des Buchs. Nicht weil sie unzüchtig wären, sondern weil sie sich bedenklich den Bezirken von Kitsch und Klischee nähern. Pargfriders italienische Geliebte Anna Liane verwöhnt Wimpffen und Radetzky mit Harfenspiel, wobei sie ausgerechnet das Lied der Mignon trällert: "Ausgedrückt mit solcher Intensität, trieb es Tränen in die Augen der zwei harten Soldaten." Nächtens wird die Rührung handgreiflich. Der betagte "Vater Radetzky", auch als Held der Schlachtfelder längst ins Rollenfach eines père noble hinübergewechselt, versucht der Sängerin sexuelle Gewalt anzutun. Seelenvoller schwärmt Pargfrider für Radetzkys Tochter Fritzi Gräfin Wenckheim: "Vanitas vanitatum, hier war die Frau, die diesem Leben hätte Inhalt geben können; und ich kniete mich vor sie hin und legte meinen Kopf in ihren Schoß...". Derlei sentimentale Redseligkeit mindert leider den Wert der Heymschen Prosa.

Ein "literarisches Kleinod", wie der Verlag behauptet, ist "Pargfrider" darum keineswegs. Aber immerhin ein brauchbares Stück gehobener Unterhaltungsliteratur, auch und gerade dann, wenn es sich auf trockene Informationen beschränkt. Und manchmal, angesichts des pathetischen Aberwitzes der verbürgten Fabel, erfrischt sogar eine Prise nüchternsten Humors. Bei einer rhetorischen Auseinandersetzung mit dem kaiserlichen Innenminister Baron Kempen nimmt Pargfrider das große Wort "Unsterblichkeit" in den Mund. "'Unsterblichkeit!' wiederholte Kempen, und ich dachte, ich hörte ein halblaut gesprochenes Nebbich von seinen Lippen". Das paßt zur immanenten Ironie der Geschichte: Ein "Fetzentandler", ein großformatiger Hausierer, wurde zum postumen Quartiermeister für Österreichs Heroen. ULRICH WEINZIERL

Stefan Heym: "Pargfrider". Roman. C. Bertelsmann Verlag, München 1998. 226 S., geb., 34,90 DM.

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