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2 Kundenbewertungen

Hanns-Josef Ortheil durchstreift das alte »Paris, links der Seine« mit dem Blick eines Flaneurs von heute und erlebt seine verführerischen Winkel abseits von den touristischen Ecken auf intensive Weise neu. Seit Jahrhunderten haben die Straßen von Saint-Germain-des-Prés sowie die Terrains rund um das Quartier Latin Künstler, Musiker und Schriftsteller aus aller Welt in ihren Bann gezogen. Auf kleinem Raum entstand eine einzigartige, lebendige Atmosphäre, die vom intellektuellen Milieu der Pariser Universität ebenso lebte wie von den Salons, Ateliers, Studios und Cafés der künstlerischen…mehr

Produktbeschreibung
Hanns-Josef Ortheil durchstreift das alte »Paris, links der Seine« mit dem Blick eines Flaneurs von heute und erlebt seine verführerischen Winkel abseits von den touristischen Ecken auf intensive Weise neu.
Seit Jahrhunderten haben die Straßen von Saint-Germain-des-Prés sowie die Terrains rund um das Quartier Latin Künstler, Musiker und Schriftsteller aus aller Welt in ihren Bann gezogen. Auf kleinem Raum entstand eine einzigartige, lebendige Atmosphäre, die vom intellektuellen Milieu der Pariser Universität ebenso lebte wie von den Salons, Ateliers, Studios und Cafés der künstlerischen Moderne. Sie ließ jenes für Paris typische Lebensgefühl eines melancholisch durchtränkten Glücks entstehen, das in den Pariser Chansons besungen wurde und das Ernest Hemingway in seinen Skizzen Paris - ein Fest fürs Leben beschrieben hat.
Autorenporträt
Hanns-Josef Ortheil wurde 1951 in Köln geboren. Er ist Schriftsteller, Pianist und Professor für Literarisches Schreiben und Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim. Sein literarisches Werk wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Thomas-Mann-Preis der Hansestadt Lübeck, dem Brandenburgischen Literaturpreis, dem Nicolas-Born-Preis und dem Villa Massimo Stipendium. Seine Kindheit und Jugend waren von der Vorbereitung auf ein Leben als Pianist geprägt. Seine ersten Texte schrieb er unter Anleitung seines Vaters in der elterlichen Heimat des Westerwaldes, seiner 'Urlandschaft'. Noch immer zieht er sich in sein dortiges Elternhaus häufig zum Schreiben zurück.
Rezensionen
»Der Clou dieses Buches ist, dass man mit ihm in der Hand losziehen will, nicht auf den Spuren von Hemingway, Sartre oder Roland Barthes, sondern auf denen Ortheils.« Stefan Fischer Süddeutsche Zeitung 20171010

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.10.2017

Unten am
Fluss
Hanns-Josef Ortheil spaziert als charmanter
Kuppler durch das Paris links der Seine
VON STEFAN FISCHER
Es gibt abertausend schlechtere Gründe, um nach Paris zu reisen: Der Vater, ein Geodät, will Metro fahren. Die oberirdischen Sehenswürdigkeiten interessieren ihn kaum, er will die Stadt unter Tage durchmessen, auf allen Linien, von Endhalt zu Endhalt. Eine Vorstellung der Stadt vermitteln ihm, weil er Karten zu lesen versteht, die Straßen- und Metropläne. Mit der Untergrundbahn misst er sie in der Realität ab. Der Sohn wiederum, ein 14-jähriger Teenager, liest in Paris Hemingways „Paris, ein Fest fürs Leben.“ Die Reiselektüre ist ein Geschenk des Vaters.
Und so wie der Vater unter der offensichtlichen Stadt eine zweite Ebene ihrer selbst erkundet, entdeckt der junge Hanns-Josef Ortheil im Jahr 1965 ebenfalls ein zweites Paris hinter dem ersten. Ob es ein Zufall gewesen ist oder ein geschicktes Arrangement des Vaters, gibt Ortheil nicht preis: Die beiden haben gefrühstückt in einem Café im Quartier Latin, und just an diesem kleinen Platz nimmt die erste Erzählung aus dem Hemingway-Band ihren Ausgang. Wie sich die Literatur hier mit der Realität verwebt, elektrisiert den Jungen. Er geht, mit dem Buch in der Hand, die Orte ab, die darin vorkommen. Und sieht nach, ob er mit eigenen Augen und mit eigenem Herzen etwas von dem entdeckt, was dort beschrieben steht.
Ein halbes Jahrhundert später nun hat Hanns-Josef Ortheil das so kundige wie anregende Buch „Paris, links der Seine“ geschrieben, in dem er im Grunde nichts anderes tut als damals während der Paris-Reise mit seinem Vater: Er stromert durch das Quartier Latin und ausgiebiger noch durch das Quartier Saint-Germain-des-Prés und spiegelt die sichtbare Gegenwart in der vor allem kulturellen Vergangenheit dieser zwei Stadtviertel. Nur dass ihm als Referenz inzwischen weit mehr dient als nur dieser eine Hemingway-Band – und er längst selbst auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen kann: Ortheils Biografie ist seit seinen Studienjahren eng mit Paris verknüpft.
Die touristischen Sehenswürdigkeiten interessieren Ortheil wenig – die meisten liegen in den Arrondissements rechts der Seine. Und sie sagen seiner Meinung nach nicht besonders viel über die Stadt aus. Ihr Herz schlägt, darauf beharrt der Literat, in den beiden zentralen Vierteln südlich des Flusses. Weil hier seit jeher und immer noch die Künste so überaus präsent sind. Der Geist der Stadt, der in Paris stets auch mit dem Bauch und einem Bauchgefühl einhergeht, sei hier am besten zu verorten. An einer Stelle bemerkt Ortheil, dass die großen Romanciers des 19. Jahrhunderts – Balzac, Flaubert, Zola – auch große Esser gewesen sind. Gourmands allemal, mitunter sogar Gourmets. Hanns-Josef Ortheil steht ihnen da nicht nach, sein Interesse ist auch ein kulinarisches.
Er denkt die Dinge dabei aber immer zusammen. Wer hat wo früher gespeist? Ist von dieser Atmosphäre noch etwas vorhanden? Welche Gespräche werden in welchem Lokal geführt? Wie öffentlich, wie intim sind die Diskurse? Ortheil spaziert auf den Streifzügen durch die Straßen des Quartier Latin und des Quartier Saint-Germain-des-Prés fröhlich hinein ins 20. und weiter ins 19. Jahrhundert. Ohne dabei die Gegenwart aus dem Blick zu verlieren.
Das gelingt ihm, indem er die Vergangenheit nicht festmacht an Äußerlichkeiten. Er kann sich nicht für das Café de Flore und das Café Les Deux Magots begeistern, bloß weil es die beiden Stammlokale von Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir und ihrer Entourage waren. „Die Speisen und Getränke sind jetzt derart teuer, dass sie zu nichts mehr inspirieren und auch nichts mehr begleiten. Getrunken und gegessen wird museal, mit spitzen Fingern, in lächerlich kleinen Mengen.“ Es sind in Ortheils Wahrnehmung Orte, die ihr – einstiges – Flair nun touristisch vermarkten, was einträglich sein mag, aber einen der Pariser Debattenkultur und der für die Viertel links der Seine spezifischen Lebensweise nicht näherbringt. Die Debattierlust, das veranschaulicht Ortheil kundig und neugierig, ist immer noch präsent und prägend. Sie durchdringt von den maßgeblichen philosophischen Diskursen bis in vielfältige Unterhaltungen des Alltags hinein das Leben der Menschen.
Was auf einer horizontalen Ebene die Künste und die Künstler befeuert, ist auch auf einer vertikalen zu beobachten mit den von Ortheil zu Recht gepriesenen Auswirkungen auf die Lebensart. In Paris, zumal links der Seine, strahlen sich die Künstler traditionell gegenseitig an und erscheinen so in hellerem Licht. Die Frage nach Henne und Ei ist dabei müßig. Dass der Fotograf Brassaï den Maler Picasso porträtiert hat, dass Marguerite Duras „Hiroshima, mon amour“ für Alain Resnais geschrieben hat respektive Resnais ein Drehbuch der Duras verfilmt hat – es hat immer allen geholfen.
Das künstlerische Flair findet aber eben auch seinen Niederschlag in der Geschäftswelt. Unzählige Läden sucht Ortheil auf, in denen die Waren wie in einer Galerie präsentiert werden. Oft ist es nur eine einzige Ware, die in bester Qualität angeboten wird. Ob es sich nun um Rindfleisch handelt, um Messer oder die Herrenmode eines Schneiders. Man erlebe dort „häufig kleine Rundgänge, die Führungen in Galerien oder Museen ähneln“, schreibt Ortheil. „Das Vokabular solcher Führungen ist fast immer Fachvokabular, und die Stimmung ist äußerst entspannt, weil sich auch der Kunde vom ersten Moment des Eintritts in einen solchen Laden von der Pflicht, etwas sofort zu kaufen, befreit fühlt.“ Er solle studieren und kosten, zum Eingeweihten reifen, auf Augenhöhe mit dem Verkäufer – „das ist der geheime Anspruch dieser kleinen Läden“.
Diese Dinge haben ihren Preis, aber sie sind ihn Wert. In diesem Punkt entfaltet „Paris, links der Seine“ beinahe so etwas wie einen praktischen Nutzen. Mit Ortheil kann man sich gewiss nicht auf eine Schnäppchenjagd begeben. Man kann aber – und sei es über die eigenen Verhältnisse, jedoch ohne sich dadurch zu ruinieren – für ein oder zwei Wochen aufs Beste im Quartier Latin und im Quartier Saint-Germain-des-Prés leben auf der Basis von Ortheils Handreichungen, anstatt diese Viertel lediglich zu besichtigen. Wer bereit ist, auf den Eiffelturm zu verzichten, den Louvre und Sacré-Cœur, und sich stattdessen auf ein paar Straßenzüge beschränkt, für die er sich jedoch die Zeit nimmt, um sie beinahe Haus für Haus zu erkunden, der wird, das ist Hanns-Josef Ortheils Versprechen, dem Wesen dieser Stadt auf den Grund kommen.
Der Clou dieses Buches ist, dass man mit ihm in der Hand losziehen will, nicht auf den Spuren von Hemingway, Sartre oder Roland Barthes, sondern auf denen Ortheils. Und so wie er sich von seinen Anstiftern emanzipiert, sollte man auch ihm nicht reiseführersklavisch folgen. Sondern sich zu Herzen nehmen, wofür Ortheil den Pariser Modeschöpfer Karl Lagerfeld vor allem schätzt: für dessen gezieltes Schwadronieren, das in steter Bewegung und deshalb nach allen Seiten offen sei. Die Dinge sind im Fluss, man muss seine Sinne schärfen, um sie gut im Blick behalten zu können.
Brassaï hat Picasso
fotografiert, die Duras hat
ein Drehbuch für Resnais
geschrieben – geholfen hat das
stets allen Beteiligten
Hanns-Josef Ortheil: Paris, links der Seine. Mit Fotografien von Lukas Ortheil. Insel Verlag, Berlin 2017. 320 Seiten, 22 Euro.
E-Book 18,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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