Geboren in Frankreich als Sohn eines russischen Juden, der als Verlegerim Paris der 20er und 30er Jahre eine herausragende Rolle spielte,verschlug es André Schiff rin nach der erzwungenen Flucht vor deneinmarschierenden Nazis mit seiner Familie über Casablanca nachAmerika, wo er nach einem Studium in Yale als Verleger über dieLandesgrenzen hinaus berühmt werden sollte.Die Lebensgeschichte dieses wohl bekanntesten unabhängigen Verlegersliest sich wie ein Entwicklungsroman vor dem Hintergrundder politischen und intellektuellen Turbulenzen der zweiten Hälft edes 20. Jahrhunderts - aber auch wie ein Abgesang auf eine verloreneKultur: Politisches Engagement, die Linke in Amerika, die Atmosphäreunter McCarthy, der Antisemitismus an den Universitätenund immer wieder Begegnungen mit seinen Autoren: Noam Chomsky,Michel Foucault, Eric Hobsbawm, Simone de Beauvoir, Art Spiegelmanoder Marguerite Duras.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.06.2010Unabhängig soll der Verleger sein
André Schiffrins vor zehn Jahren erschienenes Buch über die Umwälzungen in der Buchbranche war auch ein Rückblick auf den Weg des renommierten Lektors und Verlegers, der das kritische Resümee seiner über Jahrzehnte reichenden Erfahrungen zog. Den damals bereits eingewebten Faden seiner eigenen Geschichte nimmt die Autobiographie auf, die nun auch auf Deutsch vorliegt (André Schiffrin: "Paris, New York und zurück". Politische Lehrjahre eines Verlegers. Aus dem Amerikanischen von Andrea Marenzeller. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2010, 253 S., geb., 22,80 [Euro]). Die Bücher bleiben freilich im Zentrum. Oder etwas allgemeiner das Gedruckte, denn es ist die frühe Arbeit an Zeitschriften und politischen Broschüren, die Schiffrins Laufbahn in der amerikanischen Verlagswelt vorbereitete: als Lektor der New American Library, dann ab den sechziger Jahren bei Pantheon Books, bis zum unrühmlichen Untergang dieses Verlages im Strudel der Konzernübernahmen, und seit 1990 als unabhängiger Verleger der von ihm gegründeten New Press.
Als Verleger hatte sich schon der Vater Jacques Schiffrin, aus einer russisch-jüdischen Familie stammend, Anfang der zwanziger Jahre in Paris etabliert, bevor ihn der Erfolg seiner Klassikerausgaben 1932 unter das Dach von Gallimard brachte, wo die von ihm konzipierte Bibliothèque de la Pléiade als Kernstück französischer Klassikerpflege bis heute erscheint. Aber die Position des Vaters im innersten Zirkel der französischen Literatur machte der deutsche Einmarsch in Paris zunichte: Gaston Gallimard beugte sich dem Druck der Besatzer und entließ die jüdischen Mitarbeiter; für die Schiffrins begann die Flucht, die mit der Ankunft in New York im Sommer 1941 endete. Jacques Schiffrin wurde zum Verlagspartner von Kurt Wolff, dem über Italien und Frankreich emigrierten deutschen Verleger, bei Pantheon Books.
Ebendort, wo viele Jahre später der Sohn André, zum Zeitpunkt der Ankunft in New York sechs Jahre alt, die Geschichte fortsetzte: mit einem in der Ära McCarthy geschärften Bewusstsein für die Notwendigkeit, hervorstechende Bücher zu politischen und gesellschaftlichen Fragen, aber auch große literarische Figuren unter amerikanische Leser zu bringen; dabei auf selbstverständliche Weise links, aber gegen alle radikalen Versuchungen von Anfang an durch ein solides sozialdemokratisches Selbstverständnis gefeit. Am grundsätzlichen verlegerischen Engagement änderte das Auf und Ab der öffentlichen Linken wenig; die Verbindungen zu Europa, wo Frankreich - also Paris - eine Ausnahmestellung behielt, wurden dabei gepflegt.
Beeindruckend ist die Reihe der Bücher, die Schiffrin anführen kann, und die Entschiedenheit, mit der er eine in Konzernverlagen außer Kurs gekommene Vorstellung verlegerischer Arbeit hochgehalten hat. Auf einem Terrain, wo heute biegsame Markenverwalter das Sagen haben, wirkt er wie ein intellektueller Repräsentant untergegangener Zeiten und Haltungen. Wogegen er sich freilich vehement wehren und auf die Möglichkeiten kleiner unabhängiger Häuser verweisen würde - und vielleicht ja auch auf den angenehm vom verbreiteten Allerlei abstechenden Verlag, in dem sein eigenes Buch auf Deutsch erscheint.
HELMUT MAYER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
André Schiffrins vor zehn Jahren erschienenes Buch über die Umwälzungen in der Buchbranche war auch ein Rückblick auf den Weg des renommierten Lektors und Verlegers, der das kritische Resümee seiner über Jahrzehnte reichenden Erfahrungen zog. Den damals bereits eingewebten Faden seiner eigenen Geschichte nimmt die Autobiographie auf, die nun auch auf Deutsch vorliegt (André Schiffrin: "Paris, New York und zurück". Politische Lehrjahre eines Verlegers. Aus dem Amerikanischen von Andrea Marenzeller. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2010, 253 S., geb., 22,80 [Euro]). Die Bücher bleiben freilich im Zentrum. Oder etwas allgemeiner das Gedruckte, denn es ist die frühe Arbeit an Zeitschriften und politischen Broschüren, die Schiffrins Laufbahn in der amerikanischen Verlagswelt vorbereitete: als Lektor der New American Library, dann ab den sechziger Jahren bei Pantheon Books, bis zum unrühmlichen Untergang dieses Verlages im Strudel der Konzernübernahmen, und seit 1990 als unabhängiger Verleger der von ihm gegründeten New Press.
Als Verleger hatte sich schon der Vater Jacques Schiffrin, aus einer russisch-jüdischen Familie stammend, Anfang der zwanziger Jahre in Paris etabliert, bevor ihn der Erfolg seiner Klassikerausgaben 1932 unter das Dach von Gallimard brachte, wo die von ihm konzipierte Bibliothèque de la Pléiade als Kernstück französischer Klassikerpflege bis heute erscheint. Aber die Position des Vaters im innersten Zirkel der französischen Literatur machte der deutsche Einmarsch in Paris zunichte: Gaston Gallimard beugte sich dem Druck der Besatzer und entließ die jüdischen Mitarbeiter; für die Schiffrins begann die Flucht, die mit der Ankunft in New York im Sommer 1941 endete. Jacques Schiffrin wurde zum Verlagspartner von Kurt Wolff, dem über Italien und Frankreich emigrierten deutschen Verleger, bei Pantheon Books.
Ebendort, wo viele Jahre später der Sohn André, zum Zeitpunkt der Ankunft in New York sechs Jahre alt, die Geschichte fortsetzte: mit einem in der Ära McCarthy geschärften Bewusstsein für die Notwendigkeit, hervorstechende Bücher zu politischen und gesellschaftlichen Fragen, aber auch große literarische Figuren unter amerikanische Leser zu bringen; dabei auf selbstverständliche Weise links, aber gegen alle radikalen Versuchungen von Anfang an durch ein solides sozialdemokratisches Selbstverständnis gefeit. Am grundsätzlichen verlegerischen Engagement änderte das Auf und Ab der öffentlichen Linken wenig; die Verbindungen zu Europa, wo Frankreich - also Paris - eine Ausnahmestellung behielt, wurden dabei gepflegt.
Beeindruckend ist die Reihe der Bücher, die Schiffrin anführen kann, und die Entschiedenheit, mit der er eine in Konzernverlagen außer Kurs gekommene Vorstellung verlegerischer Arbeit hochgehalten hat. Auf einem Terrain, wo heute biegsame Markenverwalter das Sagen haben, wirkt er wie ein intellektueller Repräsentant untergegangener Zeiten und Haltungen. Wogegen er sich freilich vehement wehren und auf die Möglichkeiten kleiner unabhängiger Häuser verweisen würde - und vielleicht ja auch auf den angenehm vom verbreiteten Allerlei abstechenden Verlag, in dem sein eigenes Buch auf Deutsch erscheint.
HELMUT MAYER
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Sehr viel Neues ist für den Kenner in diesem Buch zunächst einmal nicht zu erfahren, stellt Rezensent Michael Schmitt etwas enttäuscht fest. Seine Verlegerkarriere hat Andre Schiffrin bereits in der kürzeren Streitschrift "Verlage ohne Verleger" geschildert - da wiederholt sich nun manches. (Das ändere aber nichts daran, dass das, von Pantheon Books bis The New Press, wichtige Kapitel der US-Verlagsgeschichte des 20. Jahrhunderts sind.) Nach zwei Dritteln gebe es dann aber, so Schmitt, doch noch spannende Einblicke in andere Stationen von Schiffrins Leben: etwa die Erzählung vom Besuch des 13-Jährigen in Frankreich, wo er Freunden des Vaters wie Andre Gide und Martin du Gard begegnet. Eine Geschichte der US-Nachkriegs-Linken stecke auch drin im Buch, ebenso wie ein Plädoyer für den Glauben ans Wirken und Tun des ambitionierten Verlegers. Insgesamt wird die Besprechung dann doch zu einer Leseempfehlung.
© Perlentaucher Medien GmbH
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