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Daniel Savage wurde zum Richter am Crown Court berufen. Jetzt wird es Zeit, sich auch auf seine Verantwortung als Familienvater zu besinnen. Doch etwas stimmt nicht mehr... Dicht, sensitiv und mit düsterem Humor erzählt Tim Parks vom Zerbrechen einer Familie.

Produktbeschreibung
Daniel Savage wurde zum Richter am Crown Court berufen. Jetzt wird es Zeit, sich auch auf seine Verantwortung als Familienvater zu besinnen. Doch etwas stimmt nicht mehr... Dicht, sensitiv und mit düsterem Humor erzählt Tim Parks vom Zerbrechen einer Familie.
Autorenporträt
Tim Parks wurde 1954 in Manchester geboren, wuchs in London auf und studierte in Cambridge und Harvard. Seine Romane wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem Somerset-Maugham-Award. Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit ist er als Übersetzer (u. a. von Italo Calvino und Alberto Moravia) tätig und unterrichtet Literarisches Übersetzen an der Universität von Mailand. Tim Parks lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Verona.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.07.2003

Der einäugige Richter
Wir basteln uns eine Katastrophe: Tim Parks’ Roman „Doppelleben”
So viele Probleme, wie der Held von Tim Parks’ neuem Roman „Doppelleben” hat, bekommt man nicht einfach so. Ein Autor kann dabei helfen. Parks erzählt uns, wie der Richter Daniel Savage wieder und wieder die Menschen seiner unmittelbaren Umgebung angelogen hat: seine Frau Hilary, seine Kinder, seine Freunde und die Geliebten, mit denen er seine Frau betrügt. Seine Tochter hasst ihn, weil sie von seinen Eskapaden weiß. Ein protziges neues Haus hat Savage und seine Familie in finanzielle Schwierigkeiten gebracht. Aber erst, als der Richter auf sein früheres Leben zurückblickt, drückt ihn die Vergangenheit an die Wand.
Die Familie der Koreanerin Minnie Kwan hat von Minnies Affäre mit Savage erfahren und sie dafür verschleppt. Als Savage aus Interesse am Wohlergehen seiner früheren Mätresse ihrem Verbleib nachforscht, wird er zusammengeschlagen, verliert ein Auge und wacht erst nach ein paar Tagen aus dem Koma auf. Die Täter sind nur Savage bekannt. Wenn er Gerechtigkeit will, dann kann er sie nur erwirken, indem er sich zugleich vor seiner Frau und seinen Kindern schuldig bekennt. Es ist also ein klassisches Dilemma, mit dem der spektakuläre Fall des Richters beginnt.
Schwungräder der Komödie
Nicht nur in dieser Ausgangssituation ähnelt Tim Parks „Doppelleben” Philip Roths Roman „Der menschliche Makel”. Die Helden beider Bücher sind schwarz, erscheinen nach außen aber – aufgrund von Amt, Lebenswandel, relativ heller Hautfarbe und glatter Lügen – als Weiße. Beide sagen sie die Unwahrheit, um selbst zu bestimmen, wer sie sind. Während aber Roths Roman seine Kraft aus der Wut auf die „political correctness” zog und den Leser regelrecht mitnahm, fehlt Parks’ Roman diese Wucht. Er scheint von kaum etwas inspiriert, weder von großem sozialem Engagement, noch von Verliebtheit, Bekenntnisdrang, einer fixen Idee oder schierem Ehrgeiz, noch von der Matrone unter den Musen, der schieren Wut. „Doppelleben” liest sich wie das Ergebnis einer sehr ausgetüftelten Arbeitsanstrengung. Die Materialien, die dabei zur Verwendung kamen, sind alle noch einzeln sichtbar: das Ehedrama, das Gerichtsdrama, das Drama um die Rassenzugehörigkeit. Sie sind die Angeln, um die sich alles drehen soll, um eine bittersüße menschliche Komödie in Schwung zu halten.
Die Gerichts- und die Ehegeschichte setzt Parks geschickt miteinander in Beziehung. Sie machen das Doppelleben des Richters aus. Der Roman demonstriert, wie Probleme dadurch unlösbar werden können, dass niemand sie in die öffentliche Sphäre trägt. Der öffentliche Prozess vor Gericht macht den Konflikt (wenn schon nicht das Wissen um die Wahrheit) allen zugänglich, und erst dadurch wird er real im Sinne eines sozialen Ereignisses, und es kann gelingen, dritte Instanzen schlichten oder entscheiden zu lassen. Das Berufsleben des Richters Savage funktioniert nach dieser Logik, und zwar gar nicht schlecht. Im Gerichtssaal sitzt er auf dem richtigen Stuhl.
Zuhause jedoch wird über die Eheprobleme beharrlich geschwiegen. Savage sagt nichts, weil er davon ausgeht, dass seine Frau nichts weiß; sie sagt nichts, weil sie sich nicht dazu aufraffen kann, ihn wissen zu lassen, dass sie es weiß – und die Konsequenzen daraus zu ziehen. Das beiderseitige Schweigen verspricht, die Probleme gar nicht erst real werden zu lassen. Es ist attraktiver als ein Partner für den anderen.
In diese übersichtliche Konstellation bringen die Themen Rasse – Immigration – Diskriminierung leider allzu wenig Unberechenbarkeit ein. Sie sind in „Doppelleben” präsent, ohne dass Parks ihr Potenzial wirklich nutzt. Es bleibt bei dem allzu simplen Schema, demzufolge diejenigen, die es in die englische Mittelklasse geschafft haben, die anderen auch dann ausbeuten, wenn sie selbst zu einer diskriminierten Gruppe gehören oder gehört haben. Tim Parks hat diese Schwäche seines Romans wohl gespürt und dem Richter Savage einen Freund namens Martin an die Seite gestellt, der als dicklicher Hamlet in eingetsreuten Monologen den Nihilismus predigt. Aber an Abgründigkeit gewinnt der Roman durch diese Passagen nicht viel.
Seine Stärken sind eher die Dialoge zwischen Mann und Frau, die Schilderung der Beziehung zwischen Eltern und Kindern, die Innenansicht einer Familie. Wie beispielsweise Savage mit seiner Tochter spricht und streitet, wie Hand und Gefühle ausgleiten, wenn sich Zuneigung und Aggression mischen, das zeigt die glänzende Beobachtungsgabe, von der Parks als Romanautor zehrt. Dieses Talent wäre womöglich erfolgreicher zum Tragen gekommen, hätte sich Parks in diesem Buch nicht so viel Gepäck aufgeladen. So aber lässt „Doppelleben” allzu viele Wünsche offen, und dazu kommt noch die Übersetzung. Sie ist so nachlässig ausgefallen, dass man fast schon wieder froh sein muss, dass ihr kein besserer Roman von Tim Parks zum Opfer gefallen ist.
KAI MARTIN WIEGANDT
TIM PARKS: Doppelleben. Roman. Aus dem Englischen von Michael Schulte. Carl Hanser Verlag, München 2003. 420 Seiten, 24,90 Euro.
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