Politische Parteien prägen den politischen Diskurs und sind die wichtigsten Träger politischer Meinungs- und Willensbildung. Was Parteien ausmacht, was sie tun und welche Funktionen sie in Staat und Gesellschaft ausüben, wird in diesem Buch kompakt und präzise erklärt. Ein Überblick über die gängigen Modelle und Theorien über das Parteiensystem mit interessanten und praxisnahen Beispielen macht das Buch unverzichtbar.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2011Basis gegen Funktionäre?
Funktion und Organisation der deutschen Parteien
Dem gestörten Vertrauensverhältnis zwischen Bürgern und Parteien in Deutschland geht Frank Decker nach. Seine kompakte und luzide Einführung umfasst Funktionsanalysen der Parteien, den Wandel des Parteiensystems, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Entwicklung in Europa, Parteien im Staat und als Organisation sowie deren Wettbewerb untereinander. Die Kritik an Parteien kann auf eine lange Tradition zurückblicken, am Ausgangspunkt "steht die Diskrepanz zwischen den schwächer werdenden gesellschaftlichen Wurzeln der Parteien und dem Ausbau ihrer staatlichen Machtbastionen", schreibt der Bonner Politikwissenschaftler.
Dass Parteien als Regierungsinstitutionen "in eigener Sache" entscheiden und sogar mit der Konkurrenz ein Kartell bilden könnten, sei heikel. Und über ihre Akzeptanz würden die erbrachten Leistungen entscheiden: "Bleiben diese hinter den Erwartungen zurück, dürfte auch die Bereitschaft der Bürger sinken, die Machtusurpation der Parteien als notwendiges Übel hinzunehmen." Hier weist Decker auf die Ausdehnung der staatlichen Parteienfinanzierung hin, aber auch auf das Rekrutierungsmonopol des politischen Personals und die Ämterpatronage. Bei der Besetzung von Positionen nach Parteibuch unterscheidet er zwischen Herrschaftspatronage, die der Loyalitäts- und Machtsicherung dient, und Versorgungspatronage, die verdiente Parteigänger mit Posten belohnt. Ämterpatronage finde vor allem "im vorgouvernementalen Bereich", in Rundfunkanstalten und öffentlichen Unternehmen, statt und "nicht" (wohl eher: kaum) in der Ministerialbürokratie.
Was die innerparteiliche Demokratie betrifft, so empfiehlt der Autor den beiden Noch-Volksparteien eine Öffnung für Nichtmitglieder, "die ein Mittel sein könnte, um Quer- und Seiteneinsteiger zu rekrutieren". Dadurch verliert die Mitgliedschaft selbst an Wert, ebenso wie sich mehr Basisdemokratie durch Urwahlen und Mitgliederentscheide zu Lasten der mittleren Funktionärsebene auswirkt, die auf Parteitagen über Personal- und Sachfragen abstimmt. Decker setzt auf eine Aktivierung der einfachen Mitglieder, die den Wettbewerb der Parteien belebt, jedoch die Führungsspitzen stört, die sich in den Strukturen der eigenen Organisation einigeln: "Dabei sind die Integrationsleistungen der Parteien als Willensbildungsorgane, ihre Fähigkeit, die Interessen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen abzugleichen und programmatisch zusammenzubinden, heute mehr denn je gefordert."
RAINER BLASIUS
Frank Decker: Parteien und Parteiensysteme in Deutschland. W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2011. 131 S., 14,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Funktion und Organisation der deutschen Parteien
Dem gestörten Vertrauensverhältnis zwischen Bürgern und Parteien in Deutschland geht Frank Decker nach. Seine kompakte und luzide Einführung umfasst Funktionsanalysen der Parteien, den Wandel des Parteiensystems, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Entwicklung in Europa, Parteien im Staat und als Organisation sowie deren Wettbewerb untereinander. Die Kritik an Parteien kann auf eine lange Tradition zurückblicken, am Ausgangspunkt "steht die Diskrepanz zwischen den schwächer werdenden gesellschaftlichen Wurzeln der Parteien und dem Ausbau ihrer staatlichen Machtbastionen", schreibt der Bonner Politikwissenschaftler.
Dass Parteien als Regierungsinstitutionen "in eigener Sache" entscheiden und sogar mit der Konkurrenz ein Kartell bilden könnten, sei heikel. Und über ihre Akzeptanz würden die erbrachten Leistungen entscheiden: "Bleiben diese hinter den Erwartungen zurück, dürfte auch die Bereitschaft der Bürger sinken, die Machtusurpation der Parteien als notwendiges Übel hinzunehmen." Hier weist Decker auf die Ausdehnung der staatlichen Parteienfinanzierung hin, aber auch auf das Rekrutierungsmonopol des politischen Personals und die Ämterpatronage. Bei der Besetzung von Positionen nach Parteibuch unterscheidet er zwischen Herrschaftspatronage, die der Loyalitäts- und Machtsicherung dient, und Versorgungspatronage, die verdiente Parteigänger mit Posten belohnt. Ämterpatronage finde vor allem "im vorgouvernementalen Bereich", in Rundfunkanstalten und öffentlichen Unternehmen, statt und "nicht" (wohl eher: kaum) in der Ministerialbürokratie.
Was die innerparteiliche Demokratie betrifft, so empfiehlt der Autor den beiden Noch-Volksparteien eine Öffnung für Nichtmitglieder, "die ein Mittel sein könnte, um Quer- und Seiteneinsteiger zu rekrutieren". Dadurch verliert die Mitgliedschaft selbst an Wert, ebenso wie sich mehr Basisdemokratie durch Urwahlen und Mitgliederentscheide zu Lasten der mittleren Funktionärsebene auswirkt, die auf Parteitagen über Personal- und Sachfragen abstimmt. Decker setzt auf eine Aktivierung der einfachen Mitglieder, die den Wettbewerb der Parteien belebt, jedoch die Führungsspitzen stört, die sich in den Strukturen der eigenen Organisation einigeln: "Dabei sind die Integrationsleistungen der Parteien als Willensbildungsorgane, ihre Fähigkeit, die Interessen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen abzugleichen und programmatisch zusammenzubinden, heute mehr denn je gefordert."
RAINER BLASIUS
Frank Decker: Parteien und Parteiensysteme in Deutschland. W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2011. 131 S., 14,90 [Euro].
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