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Urlaub in Havanna, Partys in Italien, Bars in Wien. Nichts hilft gegen die Leere im Leben Madelines. Es ist ein Leben, das um ein furchtbares und unausprechliches Geheimnis kreist. Marlene Streeruwitz' großer Familienroman auf der Folie von E.A. Poes Erzählung »Der Untergang des Hauses Usher« reicht vom Jahr 2000 bis zurück ins 19. Jahrhundert.

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Produktbeschreibung
Urlaub in Havanna, Partys in Italien, Bars in Wien. Nichts hilft gegen die Leere im Leben Madelines. Es ist ein Leben, das um ein furchtbares und unausprechliches Geheimnis kreist.
Marlene Streeruwitz' großer Familienroman auf der Folie von E.A. Poes Erzählung »Der Untergang des Hauses Usher« reicht vom Jahr 2000 bis zurück ins 19. Jahrhundert.
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Autorenporträt
Marlene Streeruwitz, in Baden bei Wien geboren, studierte Slawistik und Kunstgeschichte und begann als Regisseurin und Autorin von Theaterstücken und Hörspielen. Für ihre Romane erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, darunter zuletzt den Bremer Literaturpreis und den Preis der Literaturhäuser. Ihr Roman »Die Schmerzmacherin.« stand 2011 auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Zuletzt erschienen der Roman »Flammenwand.« (Longlist Deutscher Buchpreis 2019), die Breitbach-Poetikvorlesung »Geschlecht. Zahl. Fall.« (2021), der Roman »Tage im Mai.« (2023) sowie die Bände »Handbuch für die Liebe.« und »Handbuch gegen den Krieg.« (2024). Literaturpreise (u.a.):Mara-Cassens-Preis 1996Österreichischer Würdigungsstaatspreis für Literatur 1999Hermann-Hesse-Literaturpreis 2001 (für "Nachwelt")Walter-Hasenclever-Literaturpreis 2002Bremer Literaturpreis 2012Franz-Nabl-Preis 2015Preis der Literaturhäuser 2020Wiener Buchpreis 2023
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.08.2002

Der Fall der Madeline Ascher
Geschwisterliebe: Marlene Streeruwitz macht ein Faß auf mit Poe

"Das Öffnen eines Buchs. Es war schwierig. Sie hätte die Geschichte erst wissen wollen und dann entscheiden, ob sie die Geschichte im Kopf haben wollte. Oder nicht." Wenn das ginge. Dann wäre manche Geschichte von Marlene Streeruwitz nicht im Kopf. Nicht Helenes in "Verführungen" (1996). Auch nicht Margarethes in "Nachwelt" (1999). Sie sind traurig.

Im neuen Roman wird die Geschichte Madeline Aschers erzählt. Sie ist trostlos. Ihr Name weist auf Edgar Allan Poe. Ihr Bruder heißt Roderick. Er wird Rick genannt. "Der Fall des Hauses Usher" ist eine schauerliche Familiengeschichte. Bei Marlene Streeruwitz gruselt es nicht schön. Die Geschichte beginnt auch nicht im gotischen Ambiente. Sondern in einer Reinigung. In einem heruntergekommenen Viertel Chicagos im Jahre 2000. Sie führt über Havanna, Kreta, Santa Barbara, Berlin, Wien, Arezzo und Perugia zurück zum Elternhaus. Nach Baden bei Wien 1947. In dreizehn Stationen.

In der schäbigen Reinigung von Mr. Kowalski muß die sechzigjährige Madeline arbeiten. Sie und ihr Bruder haben das Familienvermögen vertan. Zu Rick hat Madeline ein besonderes Verhältnis. Der Poe-Leser kann sich das denken. "Über Sex wurde seit 30 Jahren nur noch geschwiegen. Und das, was geschwiegen wurde. Das war ein riesiger Berg." Das wird gleich bestraft. Rick erstickt vor seinem Computer. Die ausnahmsweise fröhliche Madeline hat ihn mit einer typisch amerikanischen Pizza gefüttert. Der Belag war von einer Plastikmasse nicht zu unterscheiden. Da denkt der Leser noch: Das könnte lustig werden. Wird es aber nicht.

An welchem Ort der Welt Madeline im folgenden auch ist. Ob in Bars, Hotelzimmern oder auf Autositzen. Sie befindet sich nicht wohl. Sie hat Angst. Sie bekommt Panik. Sie hat Schmerzen. Kalter Schweiß bricht ihr aus. Sie blutet. Sie schluckt. Sie kotzt. Sie fühlt sich schwach. Elend. Trostlos. Traurig. Sie bekommt keine Luft. Leere breitet sich aus. Sie weiß nicht, wo oben und unten ist. Ihr ist verloren zumute. Sie ist sinnlos. Niemand will sie. Sie fühlt sich furchtbar arm. Abgeschoben. Verschwendet. Abgeschrieben.

Und sie muß überall auf der Welt weinen. Und darüber weinen. "Tränen rannen über ihre Wangen. Sie mußte über die Tränen weinen. Begann zu schluchzen." Tränen über Tränen. So viel wie Punkte im Text. Da ist es selbst des Erzählens wert, wenn sie denn einmal nicht fließen. "Sie hatte nicht geweint." Oder: "Sie hätte weinen mögen." Selbst Kaiserinnen weinen. Sissy. Gegen die Traurigkeit hilft keine Psychotherapie. Und auch nicht der Alkohol.

Madeline trinkt. Rotwein. Weißwein. Wermut. Prosecco. Champagner. Mojito. Raki. Cognac. Whisky. Grappa. Getränke so viel wie Punkte im Text. Nichts hilft. Sie wird nur betrunken. Und ihr ist nicht wohl. Ihr ist schlecht. Sie hat Schmerzen. Siehe oben. Sie nimmt Medikamente. Koks. Beruhigungsmittel. Noch weniger helfen die Männer. Madeline will reden. Die Männer nicht. Sondern nur das eine. Sie sind oberflächlich. Ungeschickt. Außen sehen sie besorgt aus. Innen grinsen sie. Sie schieben ihre Hand an ihr Knie. An die Brust. Überall hin. Sie sind Pornographen. Frauen auch. Mit den Männern hat sie Sex. Aber nicht in der Missionarsstellung. "Einmal darunter gelegen. Unterlegen."

Wenn Männer auf ihr liegen, wird sie traurig. Leere breitet sich aus. Ihr ist trostlos zumute. Siehe oben. Keiner ist wie Rick. Sie muß weg und weiter. Am Ende ist das "ältliche Bondgirl" wieder ein Kind geworden. Auf der Schulbank. "Es rauschte in den Ohren. Sie machte die Augen wieder auf. Die Augen feucht. Madeline fühlte sich schwach. Hätte sich nach vorn fallen lassen mögen. Und still weinen. Die Tränen rinnen lassen." Aber dann ist alles in Ordnung. "Madelines schriftliche Arbeiten seien so gut gewesen."

"Alle die ihre Geschichte kannten, die mochten sie nicht mehr." Da irrt Madeline. Die Geschichte ist trostlos. Sie hat zu viele Wiederholungen. Zu viele Punkte. Sie ist einsinnig. Sie handelt vom Scheitern. Vom Lebendigsein. Die Welt ist da. Sie ist sichtbar. "Das Wasser konnte vollkommen still daliegen. Nur vom Wind Wellen." Verheißungsvoll. "Der leere Platz. Schattenlos. Die Wolke draußen. Oben auf dem Blau." Dinge schlagen die Augen auf. "Sie fühlte sich angesehen. Von oben beobachtet." Die Verheißung erfüllt sich nicht. Madeline scheitert. Sie fällt. Nach vorn. Sie ist der Liebe begegnet. Sie weiß es noch. Sie lebt. Die schriftliche Arbeit von Marlene Streeruwitz ist karg. Sie ist gut. Trotz der vielen Punkte. Die Geschichte ist nun im Kopf.

FRIEDMAR APEL

Marlene Streeruwitz: "Partygirl". Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2002. 416 S., geb., 19,90 [Euro].

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