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Und weg. Weggehen. Einfach weggehen. Ein heißer Tag im Sommer 1947. Eine herrschaftliche Villa in Baden bei Wien. Die Geschwister Madeline und Roderick flüchten vor den öffentlichen und privaten Tragödien ihrer Familie. Doch eine Verzweiflungstat ihres Großvaters läßt beide nicht mehr los. Sie verfolgt sie ein Leben lang, wohin sie auch gehen. Auch Partys in Wien, Arrezzo, Kreta, Santa Barbara, Berlin und Havanna vermögen nicht die Leere zu füllen, die sich in ihrem Leben ausgebreitet hat. Schließlich stranden beide verarmt und verlassen in Chicago. Eine Familiensaga, die in der…mehr

Produktbeschreibung
Und weg. Weggehen. Einfach weggehen.
Ein heißer Tag im Sommer 1947. Eine herrschaftliche Villa in Baden bei Wien. Die Geschwister Madeline und Roderick flüchten vor den öffentlichen und privaten Tragödien ihrer Familie. Doch eine Verzweiflungstat ihres Großvaters läßt beide nicht mehr los. Sie verfolgt sie ein Leben lang, wohin sie auch gehen. Auch Partys in Wien, Arrezzo, Kreta, Santa Barbara, Berlin und Havanna vermögen nicht die Leere zu füllen, die sich in ihrem Leben ausgebreitet hat. Schließlich stranden beide verarmt und verlassen in Chicago.
Eine Familiensaga, die in der k.u.k-Monarchie beginnt und bis ins Jahr 2000 reicht.

Chicago im klaren, kalten Herbst 2000. Im "Crystal Cleaner", einer ungepflegten Reinigung in einem elenden Viertel, arbeitet Madeline Ascher. Über dem Haus rattert die Hochbahn, unentwegt lärmt der Fernseher. Als ein Mann mit deutschem Akzent den Laden betritt, überfällt sie der Schwindel der Erinnerung. Ein heißer Tag im Sommer 1947. Ein herrschaftliche Villa in Baden bei Wien. Die Tat des Vaters wird zum furchtbaren Höhepunkt einer Familiengeschichte, die Generationen zurückreicht. Von nun an bestimmt dieses schreckliche Geheimnis das Leben der Geschwister Madeline und Roderick Ascher. Sie flüchten aus der erbarmungslosen Kleinstadt, sie irren durch die Welt und kehren nicht mehr zurück. Wien, Arrezzo, Kreta, Santa Barbara, Berlin, Havanna. Parties, die die Leere vertreiben sollen. Auch ihre Liebe zueinander rettet sie nicht. Es ist eine Liebe, die nicht sein darf. Sie stranden in Amerika, verarmt, vertrieben, ohne Sehnsucht nach einem Zuhause.
Nach "Nachwelt." der neue große Roman von Marlene Streeruwitz: Wie mit einer digitalen Kamera schildert sie in filmisch verknappter Prosa Madelines Geschichte. Eine phantastische Familiensaga im unheimlichsten Sinne auf der literarischen Folie von E.A. Poes Erzählung "Der Untergang des Hauses Usher", die vom 19. Jahrhundert bis ins Jahr 2000 reicht und auf der ganzen Welt ihre Schauplätze hat.
Autorenporträt
Marlene Streeruwitz, in Baden bei Wien geboren, studierte Slawistik und Kunstgeschichte und begann als Regisseurin und Autorin von Theaterstücken und Hörspielen. Für ihre Romane erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, darunter zuletzt den Bremer Literaturpreis und den Preis der Literaturhäuser. Ihr Roman »Die Schmerzmacherin.« stand 2011 auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Zuletzt erschienen der Roman »Flammenwand.« (Longlist Deutscher Buchpreis 2019), die Breitbach-Poetikvorlesung »Geschlecht. Zahl. Fall.« (2021) sowie der Roman »Tage im Mai.« (2023). Literaturpreise (u.a.):Mara-Cassens-Preis 1996Österreichischer Würdigungsstaatspreis für Literatur 1999Hermann-Hesse-Literaturpreis 2001 (für "Nachwelt")Walter-Hasenclever-Literaturpreis 2002Bremer Literaturpreis 2012Franz-Nabl-Preis 2015Preis der Literaturhäuser 2020Wiener Buchpreis 2023
Rezensionen
Rastlose Leere
Die Österreicherin Marlene Streeruwitz profilierte sich in ihrer Heimat zunächst als Autorin und Regisseurin von Theaterstücken, bevor 1996 ihr erster Roman erschien. Sie wurde mit Preisen und Auszeichnungen überhäuft und pendelt heute zwischen Wien und Berlin, wo sie eine Gastprofessur innehat. In ihrem neuesten Roman schickt die Autorin ihre Leser in atemloser stakkatohafter Sprache um die halbe Welt. Ob Wien, Chicago, Havanna, Santa Barbara, Arezzo oder Kreta - Die Heldin Madeline versucht durch Rastlosigkeit der inneren Leere und Zerrissenheit zu entkommen, die ihr Leben bestimmen. Doch die Erinnerung an persönliche Dramen lässt sich auch nicht durch ständige Flucht und betäubende Partys auslöschen. Stilistisch hervorragend konzipiert, wird das Ausmaß der Tragödie, die sich über mehrere Generationen erstreckt, langsam unter geradezu dokumentarischem Blick ausgebreitet. Eine aufregende und mysteriöse Story über eine Frau auf der Suche nach sich selbst, über das ständige Warten und die Verliebtheit. (www.parship.de)

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.08.2002

Der Fall der Madeline Ascher
Geschwisterliebe: Marlene Streeruwitz macht ein Faß auf mit Poe

"Das Öffnen eines Buchs. Es war schwierig. Sie hätte die Geschichte erst wissen wollen und dann entscheiden, ob sie die Geschichte im Kopf haben wollte. Oder nicht." Wenn das ginge. Dann wäre manche Geschichte von Marlene Streeruwitz nicht im Kopf. Nicht Helenes in "Verführungen" (1996). Auch nicht Margarethes in "Nachwelt" (1999). Sie sind traurig.

Im neuen Roman wird die Geschichte Madeline Aschers erzählt. Sie ist trostlos. Ihr Name weist auf Edgar Allan Poe. Ihr Bruder heißt Roderick. Er wird Rick genannt. "Der Fall des Hauses Usher" ist eine schauerliche Familiengeschichte. Bei Marlene Streeruwitz gruselt es nicht schön. Die Geschichte beginnt auch nicht im gotischen Ambiente. Sondern in einer Reinigung. In einem heruntergekommenen Viertel Chicagos im Jahre 2000. Sie führt über Havanna, Kreta, Santa Barbara, Berlin, Wien, Arezzo und Perugia zurück zum Elternhaus. Nach Baden bei Wien 1947. In dreizehn Stationen.

In der schäbigen Reinigung von Mr. Kowalski muß die sechzigjährige Madeline arbeiten. Sie und ihr Bruder haben das Familienvermögen vertan. Zu Rick hat Madeline ein besonderes Verhältnis. Der Poe-Leser kann sich das denken. "Über Sex wurde seit 30 Jahren nur noch geschwiegen. Und das, was geschwiegen wurde. Das war ein riesiger Berg." Das wird gleich bestraft. Rick erstickt vor seinem Computer. Die ausnahmsweise fröhliche Madeline hat ihn mit einer typisch amerikanischen Pizza gefüttert. Der Belag war von einer Plastikmasse nicht zu unterscheiden. Da denkt der Leser noch: Das könnte lustig werden. Wird es aber nicht.

An welchem Ort der Welt Madeline im folgenden auch ist. Ob in Bars, Hotelzimmern oder auf Autositzen. Sie befindet sich nicht wohl. Sie hat Angst. Sie bekommt Panik. Sie hat Schmerzen. Kalter Schweiß bricht ihr aus. Sie blutet. Sie schluckt. Sie kotzt. Sie fühlt sich schwach. Elend. Trostlos. Traurig. Sie bekommt keine Luft. Leere breitet sich aus. Sie weiß nicht, wo oben und unten ist. Ihr ist verloren zumute. Sie ist sinnlos. Niemand will sie. Sie fühlt sich furchtbar arm. Abgeschoben. Verschwendet. Abgeschrieben.

Und sie muß überall auf der Welt weinen. Und darüber weinen. "Tränen rannen über ihre Wangen. Sie mußte über die Tränen weinen. Begann zu schluchzen." Tränen über Tränen. So viel wie Punkte im Text. Da ist es selbst des Erzählens wert, wenn sie denn einmal nicht fließen. "Sie hatte nicht geweint." Oder: "Sie hätte weinen mögen." Selbst Kaiserinnen weinen. Sissy. Gegen die Traurigkeit hilft keine Psychotherapie. Und auch nicht der Alkohol.

Madeline trinkt. Rotwein. Weißwein. Wermut. Prosecco. Champagner. Mojito. Raki. Cognac. Whisky. Grappa. Getränke so viel wie Punkte im Text. Nichts hilft. Sie wird nur betrunken. Und ihr ist nicht wohl. Ihr ist schlecht. Sie hat Schmerzen. Siehe oben. Sie nimmt Medikamente. Koks. Beruhigungsmittel. Noch weniger helfen die Männer. Madeline will reden. Die Männer nicht. Sondern nur das eine. Sie sind oberflächlich. Ungeschickt. Außen sehen sie besorgt aus. Innen grinsen sie. Sie schieben ihre Hand an ihr Knie. An die Brust. Überall hin. Sie sind Pornographen. Frauen auch. Mit den Männern hat sie Sex. Aber nicht in der Missionarsstellung. "Einmal darunter gelegen. Unterlegen."

Wenn Männer auf ihr liegen, wird sie traurig. Leere breitet sich aus. Ihr ist trostlos zumute. Siehe oben. Keiner ist wie Rick. Sie muß weg und weiter. Am Ende ist das "ältliche Bondgirl" wieder ein Kind geworden. Auf der Schulbank. "Es rauschte in den Ohren. Sie machte die Augen wieder auf. Die Augen feucht. Madeline fühlte sich schwach. Hätte sich nach vorn fallen lassen mögen. Und still weinen. Die Tränen rinnen lassen." Aber dann ist alles in Ordnung. "Madelines schriftliche Arbeiten seien so gut gewesen."

"Alle die ihre Geschichte kannten, die mochten sie nicht mehr." Da irrt Madeline. Die Geschichte ist trostlos. Sie hat zu viele Wiederholungen. Zu viele Punkte. Sie ist einsinnig. Sie handelt vom Scheitern. Vom Lebendigsein. Die Welt ist da. Sie ist sichtbar. "Das Wasser konnte vollkommen still daliegen. Nur vom Wind Wellen." Verheißungsvoll. "Der leere Platz. Schattenlos. Die Wolke draußen. Oben auf dem Blau." Dinge schlagen die Augen auf. "Sie fühlte sich angesehen. Von oben beobachtet." Die Verheißung erfüllt sich nicht. Madeline scheitert. Sie fällt. Nach vorn. Sie ist der Liebe begegnet. Sie weiß es noch. Sie lebt. Die schriftliche Arbeit von Marlene Streeruwitz ist karg. Sie ist gut. Trotz der vielen Punkte. Die Geschichte ist nun im Kopf.

FRIEDMAR APEL

Marlene Streeruwitz: "Partygirl". Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2002. 416 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Eine "Oper der Frauenopfer auf der Wallstatt der Lüste und Leiden der Leiber" erblickt Rezensentin Christiane Zintzen in Marlene Streeruwitz' Roman "Partygirl". Wie Zintzen ausführt, rekapituliert Streeruwitz - angelehnt an Edgar Allan Poes "Untergang des Hauses Usher" - darin den "Fall" der Familie Ascher durch ein halbes Jahrhundert hindurch, indem sie die Lebensstationen der Geschwister Madeline und Roderick (Rick), die eine unerfüllte Liebe verbindet, als umgekehrte Chronologie erzählt. Madelines Wunschtraum zielt nach Zintzen auf die Weiterführung der Inzestbeziehung mit Rick, erschöpft sich aber in ihrem exzessiven "Koitaldrang", den sie ebenso mechanisch wie indifferent mit zahllosen Ersatzpartnern auslebt. So zeigt Streeruwitz nach Ansicht der Rezensentin die Sexualität als "leeres Versprechen", als "Routine" und "Austragungsort von Aggressionen". Die "Kunstfigur" Madeline erinnert die Rezensentin dabei an eine Gummipuppe, "welche - aufgeblasen und in Form gebracht durch etlichen Psycho-Determinismus und einige Partikel Musil, Bachmann und Schnitzler - eine passive und abwaschbare Hülle bleibt." Sie hebt hervor, dass Madelines Bewusstseinsstrom bei all ihren Leiden "flach" bleibt, und nur wenig mehr als das "blanke Protokoll des unmittelbaren Erlebens" mit sich führt, Erkenntnis stellt sich nicht ein. Darin sieht die Rezensentin dann auch die "Botschaft" oder den "politischen Appell" des Romans, der in allen Aspekten vor Augen führe, "dass weibliches Abonnement auf das Leiden keinen Zugewinn an Erkenntnissen bereithalten kann."

© Perlentaucher Medien GmbH
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