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Man wird die "Passagen aus einem Philosophenleben" als ein Schlüsselwerk lesen können - als Lebensbeschreibung eines aufmerksamen, exzentrischen und überaus geistvollen Zeitgenossen, als Reise durch die Gedankenwelt der frühen Moderne - und zugleich: als die vergessene Initiale unserer Gegenwart, in der wir zwar den "Personal Computer" vor uns haben, aber keine Person mehr damit assoziieren."Welches von unseren heutigen Büchern wird wohl im Jahre 2130 noch vergleichbar frisch sein?" (Frankfurter Allgemeine Zeitung)"Ein verrücktes Buch (und endlich übersetzt)." (DIE ZEIT)

Produktbeschreibung
Man wird die "Passagen aus einem Philosophenleben" als ein Schlüsselwerk lesen können - als Lebensbeschreibung eines aufmerksamen, exzentrischen und überaus geistvollen Zeitgenossen, als Reise durch die Gedankenwelt der frühen Moderne - und zugleich: als die vergessene Initiale unserer Gegenwart, in der wir zwar den "Personal Computer" vor uns haben, aber keine Person mehr damit assoziieren."Welches von unseren heutigen Büchern wird wohl im Jahre 2130 noch vergleichbar frisch sein?" (Frankfurter Allgemeine Zeitung)"Ein verrücktes Buch (und endlich übersetzt)." (DIE ZEIT)
Autorenporträt
Charles Babbage (1791-1871), englischer Mathematiker, Erfinder, Polytechniker, baute als erster das Modell einer programmgesteuerten Rechenmaschine.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.11.1997

Rechner, Tod und Teufel
Verblüffende Einfalt, bestechender Scharfsinn: Charles Babbage verstand von allem etwas und ließ es jedermann wissen

Der Präsident der Royal Society läßt fünfhundert Exemplare eines Buches zu einem überhöhten Preis kaufen. Dabei verirrt sich ein nicht unerheblicher Teil des Rechnungsbetrags in seine eigene Tasche. Ein Verschlüsselungsverfahren wird geknackt, das zuvor für völlig sicher gehalten wurde. Forschungsvorhaben werden vom Staat gefördert oder auch nicht. Die Gelder fließen natürlich hauptsächlich an die, welche die besten Beziehungen haben. Gauner erschleichen sich mit klug erfundenen Geschichten Vorteile. Viele Männer engagieren sich nur in der Politik, um sich persönliche Vorteile zu verschaffen, besonders häufig sind es Juristen. Bei parlamentarischen Abstimmungen wird gründlich manipuliert. In Wahlkämpfen werden Kandidaten mit gefälschten Pressemitteilungen lächerlich gemacht. Es gibt schwere Eisenbahnunglücke, obwohl vorher auf die Gefahren aufmerksam gemacht wurde. Es fühlte sich aber niemand dafür zuständig. Der Krach auf den Straßen ist unerträglich, aber die Behörden unternehmen nichts gegen die Verursacher des Lärms. Der Vandalismus der arbeitslosen Jugendlichen nimmt zu. Wer sich über Belästigungen durch seine Nachbarn beschwert, wird in anonymen Briefen mit Brandstiftung und Mord bedroht. Das Fälschen von Banknoten nimmt überhand. Immer neue Druckverfahren werden ersonnen, um es zu erschweren. Die Post ist wegen ihrer wenig rationellen Arbeitsweise unverschämt teuer. Mit Lebensversicherungen kann man gutes Geld verdienen. Bei der Vergabe wichtiger Posten werden Verwandte und Parteifreunde bevorzugt.

Der vorhergehende Absatz klingt wie eine Zusammenfassung von Presseberichten der letzten Jahre. Man wundert sich höchstens, daß die Eisenbahn statt des Space Shuttle genannt wird. Tatsächlich handelt es sich aber um eine Auswahl aus den Themen der "Passagen aus einem Philosophenleben" des britischen Naturforschers Charles Babbage (1792 - 1871). Ehe wir zum Buch kommen, möchten wir aber noch auf ein verbreitetes Mißverständnis eingehen (Geisteswissenschaftler herhören!). Babbage war nicht der Erfinder des Computers in dem Sinne, in dem Gutenberg der Erfinder des Buchdrucks mit beweglichen Lettern war. Sein Beitrag ist eher mit dem Beitrag Leonardos zur Erfindung des Helikopters zu vergleichen: Er hatte eine Ahnung, wo es langgeht, aber seine Ideen kamen zu früh. Dem Verlag ist dieses Mißverständnis wohl nicht unlieb, weil er dadurch mehr Exemplare verkaufen wird, und es sei ihm gegönnt. Falls John von Neumann, den man noch am ehesten als den Vater der elektronischen Rechenanlagen bezeichnen könnte, etwas Vergleichbares geschrieben hat, dann ist es nicht halb so amüsant wie die Schrift von Babbage.

Das Buch ist autobiographisch, aber keine Autobiographie. Es macht eher den Eindruck, als habe der Zweiundsiebzigjährige noch schnell die alte Truhe ausgeräumt und den Inhalt zu seinem Verleger getragen. Und genau das macht den Reiz des Werks aus. Babbage bramarbasiert über Tod und Teufel. Man kommt sich vor wie am Honoratiorenstammtisch nach dem zweiten Glas Wein. Natürlich wird man wie üblich davon ausgehen können, daß der Verfasser die Tatsachen eher subjektiv dargestellt hat. Auch der präzise Naturwissenschaftler ist nicht dagegen gefeit, den Wahrheitsgehalt seines Selbstbildnisses gelegentlich etwas zu korrigieren; aber zumindest die äußeren Fakten werden wohl einigermaßen stimmen. Zu denken gibt uns allerdings die Charakterisierung von Babbage als "irascible old fart" in einem populären Buch (Paul Strathern: Turing and the Computer), die wir hier lieber verschweigen wollen.

Wie gesagt, eine Autobiographie ist das Werk nicht. Dazu fehlt es an Systematik und Vollständigkeit. Es ist durchaus von privaten Dingen die Rede, aber vieles bleibt ausgespart. Daß der Verfasser eine Frau hatte, schließt man nur daraus, daß zwei Söhne am Rande erwähnt werden. Für diese Auslassungen sollte man dankbar sein. Heutzutage langweilen uns die Medien mit nicht endenwollenden Berichten, was der amerikanische Präsident vielleicht in seinem Hotelzimmer getrieben hat. Babbage ist da noch diskreter. Er beschreibt, was er für interessant oder lehrreich hält, das andere geht uns nichts an. Bedauerlich ist höchstens, daß wir kaum etwas über seine Mitarbeiterin Ada Lovelace, die Tochter des Dichters Byron, erfahren. Diese war schließlich eine der wenigen Frauen der Vergangenheit, die sich als Mathematikerin einen Namen gemacht haben.

Man darf sich nicht von dem Wort "Philosoph" im Titel des Buches täuschen lassen. Zu jener Zeit verstand man darunter etwas anderes als heute. Auch Newton nannte sich Philosoph. Babbage war wohl in erster Linie Mathematiker, aber er beschäftigte sich mit allem möglichen, vom Glasschneiden bis zum Gottesbeweis. Und in den "Passagen" berichtet er darüber, wobei er sein Licht auf den Scheffel stellt, damit es auch ja weit leuchtet. Er hatte wohl auch Grund zum Prahlen. Man glaubt es ihm, daß er Wesentliches zur Wissenschaft und Technik seiner Zeit beigetragen hat.

Da das Buch ein Konglomerat von banalen und tiefsinnigen Kapiteln ist, die außer der Person des Autors wenig gemeinsam haben, bleibt uns nun nichts übrig, als erst einmal mit einer Inhaltsangabe weiterzumachen. Zu Beginn erfahren wir einiges über die Vorfahren von Babbage und über seine Kindheit und Jugend. Seine wichtigste Eigenschaft war von Anfang an die Neugier. Alles mußte er untersuchen, und kein Spielzeug blieb heil, wenn es einen verborgenen Mechanismus hatte. Mit zunehmendem Alter stieg auch das wissenschaftliche Niveau seiner Experimente. Einmal wollte er den Teufel beschwören, um herauszufinden, ob er wirklich existiert. Dazu stellte er sich auf den Dachboden in einen Kreis aus Blut und sagte das Vaterunser rückwärts auf. Das Scheitern dieses Versuchs scheint zu einem gewissen lebenslangen Skeptizismus in Fragen der Religion geführt zu haben.

Recht schnell kommt der Verfasser auf sein Studium zu sprechen und auf die Zeit als Professor auf dem Lehrstuhl Newtons (1828 - 1839). Zu dieser Zeit arbeitete er bereits an seiner "Differenzmaschine". Das war eine programmierbare mechanische Rechenmaschine, die gewisse Tabellen, wie etwa Logarithmentafeln, automatisch erstellen sollte. Allerdings schaffte es Babbage nicht, sie fertigzustellen. Spätere Inkarnationen dieses Apparates waren aber durchaus funktionsfähig. Die Geschichte der Differenzmaschine und ihrer nur geplanten Nachfolgerin, der "analytischen Maschine", ist eine Komödie von erfüllten und gescheiterten Hoffnungen, von gelungenen und mißlungenen Versuchen, finanzielle Unterstützung des Staats zu bekommen, von Geldgier und Altruismus, von Kompetenz und Versagen. Am Ende hat Babbage wohl viele Jahre lang nach dem Wind gehascht.

Zu seinem Glück war die Differenzmaschine nicht sein einziger Lebensinhalt. Die Beschäftigung mit ihr füllt etwa ein Viertel des Buches. Vielleicht hat sie ihn auch nur ein Viertel seiner Arbeitskraft gekostet. Den Rest seines Lebens verbrachte er mit erfolgreicheren Tätigkeiten, zum Beispiel der Versicherungsmathematik. Im Laufe seiner Tätigkeiten kam er mit vielen berühmten Leuten zusammen. Neben gekrönten Häuptern, wie Karl Albert, dem König von Sardinien, und hohen Politikern waren es hauptsächlich Wissenschaftler: John Herschel (ein Jugendfreund), Laplace, Biot, Alexander von Humboldt und andere. Babbage reiste viel und versuchte dabei, möglichst immer etwas Neues zu lernen.

Ansonsten beschäftigen sich die "Passagen" mit dem Öffnen von Schlössern und dem Dechiffrieren, mit Kinderspielen, Lebensversicherungen, Taucherglocken, Vulkanen, Erdbeben, Kohleminen, Genossenschaften, Wahlen, Eisenbahnen, Witzen, Ratschlägen für Reisende und vielem mehr. Ein wichtiger Aspekt des Charakters von Babbage scheint auch die Streitsucht gewesen zu sein. Er war wohl ein Prozeßhansel vom Format eines Franz Josef Strauß. Unrecht oder vermeintliches Unrecht ließ er nie unkommentiert, vor allem wenn es sich gegen ihn richtete. Die penetranten Straßenmusiker verfolgte er wie Don Quichote die Windmühlen. Im Grunde kommt es aber gar nicht so sehr auf das an, worüber er schreibt. Ein großer Teil des Reizes des Buches besteht vielmehr darin, daß Babbage die Dinge mit unseren Augen sieht. Er ist vielleicht ein Schlitzohr und ein Schwadroneur, aber er schildert die erste Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts so, daß wir uns gleich zurechtfinden. Welches von unseren heutigen Büchern wird wohl im Jahre 2130 noch vergleichbar frisch sein?

Der Übersetzer hat eine altmodische Sprache verwendet, die gut zu dem Text paßt. Unter den wenigen Abbildungen findet man ein Porträt des Autors und ein Foto der Differenzmaschine. Gewünscht hätte man sich vielleicht noch ein Faksimile einer Seite mit der "Mechanischen Notation", einer Methode, Konstruktionszeichnungen anzufertigen. Babbage war sehr stolz auf diese Erfindung, aber der Leser kann sich nur wenig darunter vorstellen. ERNST HORST

Charles Babbage: "Passagen aus einem Philosophenleben". Aus dem Englischen von Holger Sweers. Vorwort von Bernhard J. Dotzler. Kadmos Verlag, Berlin 1997. 346 S., Abb., geb., 54,- DM.

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"Welches von unseren heutigen Büchern wird wohl im Jahre 2130 noch vergleichbar frisch sein?" (FAZ)

"Anders, als man es von einem Wissenschaftler erwarten könnte, liest sich das 'Philosophenleben' so unterhaltsam wie man es sich nur vorstellen kann. .. Geschichten aus dem Leben eines geborenen Wissenschaftlers, die jedem ein Schmunzeln ins Gesicht treiben." (www.literaturkritik.de)

"Ein verrücktes Buch (und endlich übersetzt). ... Sagenhaft, wofür sich Babbage alles interessierte." (DIE ZEIT)

"Sein lakonischer, trockener Stil bringt oft sehr humorvolle Pointen zustande, auch unfreiwillig." (Basler Zeitung)