Armin Minderhout erfährt, dass er aufgrund eines Gendefekts keine Kinder zeugen kann. Doch Armin hat einen Sohn, den 13-jährigen Bo. Bos Mutter, Monika, ist schon vor zehn Jahren verstorben und kann Armin nicht mehr über die wahren Zusammenhänge bei der Zeugung von Bo aufklären. Wie von Dämonen getrieben macht Armin sich auf die Suche nach dem biologischen Vater seines Sohnes. Immer mehr ordnet er sein ganzes Leben diesem einen Ziel unter. - Der niederländische Autor van Loon präsentiert eine ungewöhnliche Liebes- und Detektivgeschichte.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.09.2001Mein Sohn ist nicht mein Sohn?
Lebenshilfe inklusive: Karel G. van Loon bekämpft die Autoritäten
Ganz der Papa: das leicht vorgeschobene Kinn, die gleichen Augen, der etwas kleinere linke Fuß. Armin Minderhout kann wirklich stolz sein auf seinen nicht nur optisch geradezu ebenbildlich geratenen Sohn Bo. Nach dem frühen Tod der Mutter leben die beiden mit Ellen, Minderhouts neuer Freundin, zusammen, und nun soll ein zweites Kind das Glück der kleinen Patchwork-Familie vervollständigen. Als das nicht so recht klappen will, zieht man einen Arzt zu Rate. Dessen Diagnose fällt für Armin äußerst ungünstig aus: "Sie sind unfruchtbar. Dagegen läßt sich nichts machen. Und nicht nur das, Sie sind es außerdem - und mir ist klar, daß das jetzt ein Schock für Sie ist - immer schon gewesen."
Das sitzt. Die von Freunden so betonte Ähnlichkeit zwischen Vater und Sohn, die auf das rekonstruierte Zeugungsdatum fallende heiße Liebesnacht in dem winzigen Renault 5 - alles ein Irrtum, dem Armin immerhin dreizehn Jahre seines Lebens anhing. "Klinefelter-Syndrom" lautet die medizinische Bezeichnung der Geschlechtschromosomen-Anomalie, an der Minderhout leidet. Natürlich will der gehörnte Witwer wissen, wer der wahre Erzeuger seines Sohnes ist, mit wem ihn seine große Liebe damals betrogen hat. Eine Liste mit den üblichen Verdächtigen ist schnell erstellt: Exfreund, Arbeitskollege, Hausarzt. Armin Minderhout klappert, ganz Amateurdetektiv, einen nach dem anderen ab, um mit ihnen verbale Vaterschaftstests durchzuführen. So wird die Wahrheitsfindung für den Helden zur Obsession; mit stierem Blick irrt er durch die Vergangenheit, ohne zu bemerken, daß ihm dabei seine Zukunft zu entgleiten droht. Er fängt wieder an zu trinken, so wie damals, als seine Frau Monika viel zu früh starb und ihn mit dem kleinen Bo zurückließ. Das Kleinkind unter dem Arm, schlich er damals ziellos durch das Amsterdamer Kneipenviertel. Dort säße er vermutlich heute noch, hätte er nicht in Ellen, Monikas bester Freundin, eine Nachfolgerin gefunden.
In seinem Roman "Passionsfrucht" schildert der Niederländer Karel G. van Loon die Erlebnisse des Frau-, Kind- und glücklosen Armin Minderhout, indem er Elemente des Detektiv- und Liebesromans, ja sogar des Entwicklungsromans miteinander kombiniert. Vor allem die Darstellung der ungewöhnlichen Vater-Sohn-Beziehung nimmt sich angenehm unverbraucht und authentisch aus. Und die Einzigartigkeit einer verlorenen ersten Liebe so zu erzählen, daß sie dem Leser auch als einzigartig erscheint, obwohl sie schon so oft erzählt wurde, ist schon ein kleines Kunststück.
Aber auf diesen aufrichtigen Erzählgestus allein will sich der Autor offenbar nicht verlassen. So versucht er zwanghaft, sein Buch mit einer Art alltagsphilosophischem Gebrauchswert zu unterfüttern, was sich in eifrig kolportierten Lebensweisheiten unangenehm bis peinlich niederschlägt: "Das ist es, was die Menschen tun: sie nehmen an, daß Dinge stimmen, weil irgendeine Autorität es ihnen gesagt hat und weil andere auch sagen, daß es stimmt. Ob es aber wirklich stimmt, ob die Dinge sind, wie wir glauben, das wissen die meisten Menschen überhaupt nicht. Das darfst du nie vergessen."
Obendrein läuft dem Autor die eingewobene Detektivstory aus dem Ruder. Als Triebfeder des Romans angelegt, erweist sich die Suche nach dem potenten Täter schon bald als ausgesprochen ausgeleiert: ein aufmerksamer, mit den Regeln des Genres einigermaßen vertrauter Leser wird bereits nach etwa zwanzig Seiten ahnen, wer Bos biologischer Papa ist. Loon dagegen läßt seinen armen Helden noch weitere 200 Seiten ahnungslos und mächtig betroffen durch die Amsterdamer Kulisse tappen, bis er eher zufällig auf die Wahrheit stößt. Bei Hitchcock ist ein solcher Wissensvorsprung des Zuschauers beabsichtigt und Teil des Suspense-Konzeptes, Loon indes scheint sein Publikum zu unterschätzen und präsentiert am Ende ganz stolz seine vermeintlich überraschende Pointe, die freilich keine mehr ist. Der Mörder ist immer der Gärtner - also der, den man am wenigsten verdächtigt. Und das sollte auch im Land der gepflegten Tulpenrabatten mittlerweile bekannt sein.
THORSTEN GELLNER
Karel G. van Loon: "Passionsfrucht". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Arne Braun. Verlag Gustav Kiepenheuer, Leipzig 2000. 239 S., geb., 34,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Lebenshilfe inklusive: Karel G. van Loon bekämpft die Autoritäten
Ganz der Papa: das leicht vorgeschobene Kinn, die gleichen Augen, der etwas kleinere linke Fuß. Armin Minderhout kann wirklich stolz sein auf seinen nicht nur optisch geradezu ebenbildlich geratenen Sohn Bo. Nach dem frühen Tod der Mutter leben die beiden mit Ellen, Minderhouts neuer Freundin, zusammen, und nun soll ein zweites Kind das Glück der kleinen Patchwork-Familie vervollständigen. Als das nicht so recht klappen will, zieht man einen Arzt zu Rate. Dessen Diagnose fällt für Armin äußerst ungünstig aus: "Sie sind unfruchtbar. Dagegen läßt sich nichts machen. Und nicht nur das, Sie sind es außerdem - und mir ist klar, daß das jetzt ein Schock für Sie ist - immer schon gewesen."
Das sitzt. Die von Freunden so betonte Ähnlichkeit zwischen Vater und Sohn, die auf das rekonstruierte Zeugungsdatum fallende heiße Liebesnacht in dem winzigen Renault 5 - alles ein Irrtum, dem Armin immerhin dreizehn Jahre seines Lebens anhing. "Klinefelter-Syndrom" lautet die medizinische Bezeichnung der Geschlechtschromosomen-Anomalie, an der Minderhout leidet. Natürlich will der gehörnte Witwer wissen, wer der wahre Erzeuger seines Sohnes ist, mit wem ihn seine große Liebe damals betrogen hat. Eine Liste mit den üblichen Verdächtigen ist schnell erstellt: Exfreund, Arbeitskollege, Hausarzt. Armin Minderhout klappert, ganz Amateurdetektiv, einen nach dem anderen ab, um mit ihnen verbale Vaterschaftstests durchzuführen. So wird die Wahrheitsfindung für den Helden zur Obsession; mit stierem Blick irrt er durch die Vergangenheit, ohne zu bemerken, daß ihm dabei seine Zukunft zu entgleiten droht. Er fängt wieder an zu trinken, so wie damals, als seine Frau Monika viel zu früh starb und ihn mit dem kleinen Bo zurückließ. Das Kleinkind unter dem Arm, schlich er damals ziellos durch das Amsterdamer Kneipenviertel. Dort säße er vermutlich heute noch, hätte er nicht in Ellen, Monikas bester Freundin, eine Nachfolgerin gefunden.
In seinem Roman "Passionsfrucht" schildert der Niederländer Karel G. van Loon die Erlebnisse des Frau-, Kind- und glücklosen Armin Minderhout, indem er Elemente des Detektiv- und Liebesromans, ja sogar des Entwicklungsromans miteinander kombiniert. Vor allem die Darstellung der ungewöhnlichen Vater-Sohn-Beziehung nimmt sich angenehm unverbraucht und authentisch aus. Und die Einzigartigkeit einer verlorenen ersten Liebe so zu erzählen, daß sie dem Leser auch als einzigartig erscheint, obwohl sie schon so oft erzählt wurde, ist schon ein kleines Kunststück.
Aber auf diesen aufrichtigen Erzählgestus allein will sich der Autor offenbar nicht verlassen. So versucht er zwanghaft, sein Buch mit einer Art alltagsphilosophischem Gebrauchswert zu unterfüttern, was sich in eifrig kolportierten Lebensweisheiten unangenehm bis peinlich niederschlägt: "Das ist es, was die Menschen tun: sie nehmen an, daß Dinge stimmen, weil irgendeine Autorität es ihnen gesagt hat und weil andere auch sagen, daß es stimmt. Ob es aber wirklich stimmt, ob die Dinge sind, wie wir glauben, das wissen die meisten Menschen überhaupt nicht. Das darfst du nie vergessen."
Obendrein läuft dem Autor die eingewobene Detektivstory aus dem Ruder. Als Triebfeder des Romans angelegt, erweist sich die Suche nach dem potenten Täter schon bald als ausgesprochen ausgeleiert: ein aufmerksamer, mit den Regeln des Genres einigermaßen vertrauter Leser wird bereits nach etwa zwanzig Seiten ahnen, wer Bos biologischer Papa ist. Loon dagegen läßt seinen armen Helden noch weitere 200 Seiten ahnungslos und mächtig betroffen durch die Amsterdamer Kulisse tappen, bis er eher zufällig auf die Wahrheit stößt. Bei Hitchcock ist ein solcher Wissensvorsprung des Zuschauers beabsichtigt und Teil des Suspense-Konzeptes, Loon indes scheint sein Publikum zu unterschätzen und präsentiert am Ende ganz stolz seine vermeintlich überraschende Pointe, die freilich keine mehr ist. Der Mörder ist immer der Gärtner - also der, den man am wenigsten verdächtigt. Und das sollte auch im Land der gepflegten Tulpenrabatten mittlerweile bekannt sein.
THORSTEN GELLNER
Karel G. van Loon: "Passionsfrucht". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Arne Braun. Verlag Gustav Kiepenheuer, Leipzig 2000. 239 S., geb., 34,- DM.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Durchaus gemischt ist das Urteil von Thorsten Gellner über Karel G. van Loons Roman über einen Vater, der auf der Suche nach dem leiblichen Vater seines Sohnes ist. "Angenehm unverbraucht und authentisch" ist der Erzählgestus und die Beschreibung der Vater-Sohn-Beziehung oder die der Beziehung mit der Mutter des Kindes, die früh gestorben ist. Interessant findet der Rezensent auch, dass in diesem Roman verschiedene Genres zusammengeführt werden, vom Detektiv- bis zum Entwicklungsroman. Aber es gibt auch einiges, was Gellner überhaupt nicht gefällt, zum Beispiel die "alltagsphilosophischen Weisheiten", die der Autor permanent unterbringen will - und der Umstand, das die Detektivgeschichte dramaturgisch überhaupt nicht funktioniert, weil dem aufmerksamen Leser schon sehr bald klar ist, wer der Vater ist. Die Pointe des Buches kommt nach Gellners Meinung 200 Seiten zu spät.
© Perlentaucher Medien GmbH
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