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"Patria" heißt Vaterland, Heimat. Aber was ist Heimat? Die beiden Frauen und ihre Familie, um die es in Fernando Aramburus von der Kritik gefeierten und mit den größten spanischen Literaturpreisen ausgezeichneten Roman geht, sehen ihre Heimat mit verschiedenen Augen. Bittori sitzt am Grab ihres Mannes Txato, der vor über zwanzig Jahren von Terroristen erschossen wurde. Sie erzählt ihm, dass sie beschlossen hat, in das Haus, in dem sie wohnten, zurückzukehren. Denn sie will herausfinden, was damals wirklich geschehen ist, und wieder unter denen leben, die einst schweigend zugesehen hatten, wie…mehr

Produktbeschreibung
"Patria" heißt Vaterland, Heimat. Aber was ist Heimat? Die beiden Frauen und ihre Familie, um die es in Fernando Aramburus von der Kritik gefeierten und mit den größten spanischen Literaturpreisen ausgezeichneten Roman geht, sehen ihre Heimat mit verschiedenen Augen.
Bittori sitzt am Grab ihres Mannes Txato, der vor über zwanzig Jahren von Terroristen erschossen wurde. Sie erzählt ihm, dass sie beschlossen hat, in das Haus, in dem sie wohnten, zurückzukehren. Denn sie will herausfinden, was damals wirklich geschehen ist, und wieder unter denen leben, die einst schweigend zugesehen hatten, wie ihre Familie ausgegrenzt wurde. Das Auftauchen von Bittori beendet schlagartig die vermeintliche Ruhe im Dorf. Vor allem die Nachbarin Miren, damals ihre beste Freundin, heute Mutter eines Sohnes, der als Terrorist in Haft sitzt, zeigt sich alarmiert. Dass Mirens Sohn etwas mit dem Tod ihres Mannes zu tun hat, ist Bittoris schlimmste Befürchtung. Die beiden Frauen gehen sich aus dem Weg, doch irgendwann lässt sich die lange erwartete Begegnung nicht mehr vermeiden...
Ein Bestseller in Spanien, monatelang auf Platz 1 der Bestsellerliste, ein epochemachender Roman über Schuld und Vergebung, Freundschaft und Liebe, der zeigt, wie Terrorismus den inneren Kern einer Gemeinschaft angreift und wie lange es dauert, bis die Menschen wieder zueinander finden.
Autorenporträt
Aramburu, Fernando§Fernando Aramburu wurde 1959 in San Sebastián im Baskenland geboren. Seit Mitte der achtziger Jahre lebt er in Hannover. Für seine Romane wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. dem Premio Vargas Llosa, Premio Biblioteca Breve, Premio Euskadi, und zuletzt, für "Patria", mit dem Premio Nacional de la Crítica 2017, dem bedeutendsten spanischen Literaturpreis, dem Premio Nacional de Narrativa 2017und mit dem Premio Strega Europeo 2018.
Zurbrüggen, Willi§
Willi Zurbrüggen, geboren 1949 in Borghorst, Westfalen. Er übersetzte u. a. Antonio Muñoz Molina, Luis Sepúlveda und Fernando Aramburu aus dem Spanischen. Ausgezeichnet mit dem Übersetzerpreis des spanischen Kulturministeriums und dem Jane-Scatcherd-Preis.
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Der baskische Unternehmer Txato wird Opfer der Untergrundorganisation ETA, seine verwitwete Frau Bittori kehrt 20 Jahre nach dem Attentat zurück in ihr leeres Haus im Heimatdorf. Dort scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, einige Dorfbewohner kleben an ihren nationalistisch-populistischen Sichtweisen, kehren die an den eigenen Nachbarn verübten Verbrechen unter den Tisch und stigmatisieren die Opfer als Sündenböcke. Das schmerzt beim Lesen. Aramburu analysiert haarklein die Boshaftigkeit einer fanatischen Dorfgemeinde, einschließlich des Pfarrers, beleuchtet aber auch ausführlich den steinigen Weg des ETA-Aktivisten Joxe Mari, der seine Jugend dem bewaffneten Kampf für ein freies Baskenland widmet und ganz allmählich - nach jahrelanger Haft - von Zweifeln beschlichen wird. Zu Wort kommen auch dessen Geschwister, die einen Weg der Aussöhnung wählen. Da ist der jüngere Bruder Gorka, der dem bewaffneten Kampf durch die Liebe zur Literatur entkommt, da ist die gelähmte Schwester Arantxa, für die Vergebung Lebenssinn bedeutet. Am Ende wird deutlich: Es bedarf großen Mutes und großer Kraft, zu vergeben, der Weg des Hasses und der Gewalt ist im Handumdrehen beschritten.

© BÜCHERmagazin, Nicole Trötzer

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.01.2019

Ein Moralist, der nicht moralisiert
Er schrieb die Sensation des spanischen Buchmarkts: Fernando Aramburu erläutert die Entstehung seines Romans "Patria"

Der erfolgreichste literarische Titel der letzten Jahre in Spanien heißt "Patria" und stammt von Fernando Aramburu, Jahrgang 1959: Allein das ist schon eine Nachricht, denn der dicke Roman, ins Deutsche gebracht von Willi Zurbrüggen und erschienen bei Rowohlt (F.A.Z. vom 18. Januar 2018), hat ein ernsthaftes Thema, das ebenso in die Gesellschaft wie ins Privatleben hineinreicht: den Eta-Terrorismus und dessen lähmendes Gift - Verbohrtheit und Opportunismus, Verdrängung und Scham. Zwei Familien, einst befreundet, entzweien sich, weil der Vater der einen von Radikalen ermordet wird und der Sohn der anderen darin verwickelt ist. Aber weniger um die Bluttat geht es in dieser Recherche als um die widersprüchlichen Empfindungen, die durch die Gewalt in neun sehr verschiedenen Figuren ausgelöst werden.

In einem Nachwort zur spanischen Neuausgabe beim Verlag Tusquets (zu der auch der Unterzeichnete einen Beitrag geliefert hat) schaut Fernando Aramburu nun auf Entstehungszeit und Konzeption seines Romans zurück. Am Anfang stand eine schwierige Entscheidung: Der Autor wollte mit fünfzig Jahren - nach acht veröffentlichten Romanen, die ihm Respekt, aber materiell nicht viel eingetragen hatten - nur noch als Schriftsteller leben, statt sein Geld als Lehrer zu verdienen. Autoren erhalten in Spanien wenig oder gar nichts für Buchpräsentationen. Dichterlesungen im deutschen Verständnis gibt es sowieso nicht. Auch die Zeitungshonorare sind niedriger, was die Lage "freier" Schriftsteller, die aufs Mitmischen im Kulturbetrieb angewiesen sind, prekär macht.

Fernando Aramburu aber hatte es noch einmal schwerer, denn in Deutschland, wo er seit 1985 wohnt, hatte er kaum ein Publikum; spanische Veranstalter wiederum luden den Mann aus Hannover ungern ein, weil seine Reisen so hohe Kosten verursachten. So blieb ihm vor allem seine Kolumne in der Tageszeitung "El País".

Dennoch wagte Aramburu im Jahr 2009 den Sprung: Sein umfangreichstes und ambitioniertestes Werk schrieb er mit einem Maximum an freier Zeit und einem Höchstmaß an Konzentration. Dem Roman "Patria" - 125 Kapitel auf gut 700 Seiten - merkt man es an. Wechselnde Zeitebenen, ein großes Personal, ein komplexer Stoff, der sich in viele Episoden aus zwei Jahrzehnten auffächert, all das ist mit sicherer Hand gebändigt und auf einen eigenen Ton gestimmt. Der Effekt, der sich dadurch einstellt, erinnert an intensive Lektüren aus Jugendtagen: Man will die Romanwelt kaum verlassen und spricht mit den Figuren auch nach dem Ende der Lektüre noch ein bisschen weiter.

Der Erfolg des Buchs war sowohl bei der Kritik als auch den Lesern enorm und hält mehr als zwei Jahre nach der Veröffentlichung immer noch an. Inzwischen ist die spanische Ausgabe von "Patria" in einer Auflage von mehr als 800 000 Exemplaren verbreitet und in gut zwanzig Sprachen übersetzt worden. Der Text wirkt wie ein Brennspiegel, in dem viele Spanier ihre Gesellschaft erkennen, die Schärfe der politischen Auseinandersetzung nicht weniger als die Neigung zu Radikalismus und Rechthaberei. Auch der Katalonien-Konflikt hat die Menschen dafür sensibilisiert, dass es bei Fragen nach "Heimat" und "Vaterland" durchaus verschiedene Auffassungen geben kann - und dass dem Thema nur gerecht wird, wer sich vom allzu Prinzipiellen verabschiedet.

Für den Autor sind das zentrale Thema die Basken selbst. Im Nachwort schildert Aramburu eindringlich, wie früh er den Terrorismus wahrgenommen und als gewöhnlichen Hintergrund des baskischen Lebens empfunden hat. Auf Partys warfen Jugendliche im kollektiven Taumel ihre Jacken in die Luft: eine Anspielung auf die Eta-Bombe, die 1973 in Madrid den als Franco-Nachfolger gehandelten Admiral Luis Carrero Blanco und seinen Dienstwagen zwanzig Meter hoch in die Luft schleuderte. Der Hass auf die Zentralregierung war allgemein, aber den jungen Fernando Aramburu beschlich schon damals ein ungutes Gefühl: Es konnte nicht richtig sein, so empfand er, den gewaltsamen Tod eines Menschen zu beklatschen.

So wuchs der Autor in einem Klima von Konflikt und "bewaffnetem Widerstand", von "guter" Gewalt und "schlechter" Gewalt auf, und das Thema, das ihn täglich umgab, formte seinen Blick auf die Welt. Es war eine Welt, in der Mord möglich war und politisch gerechtfertigt wurde, in der Pistoleros als Märtyrer verehrt wurden und der Gruppenzwang die Distanznahme fast unmöglich machte. Er selbst, als Jugendlicher in San Sebastián, einer Hochburg des baskischen Nationalismus, imprägnierte sich mit Literatur gegen das vorgeschriebene Einheitsdenken, las die Surrealisten und Camus. Sein Nachwort beschreibt die Position eines Moralisten, der den Roman nie zum Moralisieren benutzt, sondern allen seinen Figuren Gerechtigkeit widerfahren lässt. Möglich, dass Basken verschiedener politischer Überzeugungen hier einen einmaligen literarischen Referenzpunkt gefunden haben - das Buch, das ihnen hilft, die bleierne Zeit von fünfzig Jahren Terrorismus zu verstehen. "Ganz ehrlich", schreibt Fernando Aramburu, "ich wäre froh gewesen, ein Buch wie ,Patria' nicht schreiben zu müssen; aber die Geschichte meines Geburtsortes ließ mir keine andere Wahl."

PAUL INGENDAAY

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Rezensentin Cornelia Geissler ist gebannt von Fernando Aramburus "Patria", der in Spanien bereits als Erfolgsroman gilt. Dass es dem spanischen Autor gelingt, in seiner Erzählweise die komplexe historische Geschichte um die baskische Untergrundorgansisation ETA anhand von zwei Familiengeschichten zu verhandeln, dabei Leser ohne Vorwissen berücksichtigt und auf den 750  Seiten auch Humor und Lesepausen einbaut, zeigt, wie sicher er sein literarisches Handwerk beherrscht, lobt Geissler. Klug findet sie auch, wie der Schriftsteller gelegentlich unerwartet als Ich-Erzähler auftaucht, um die grausamen Geschehnisse um den Terror zu bezeugen. Nach der Lektüre dieses, wie sie findet ebenso gelehrten wie "emotional mitreißenden" Romans über einen Patriotismus, dessen Macht noch die intimsten menschlichen Beziehungen trifft, bleibt die Kritikerin erschüttert zurück. Nicht zuletzt lobt sie die Übersetzung von Willi Zurbrüggen.

© Perlentaucher Medien GmbH
Ein wunderbares Buch: voller Hingabe an die Menschen und die Welt, in der sie leben. Eva Mattes