Der Pariser Philologe Jean Bollack, Freund und Weggefährte Paul Celans, hat eine Gesamtanalyse seiner Lyrik vorgenommen.
Im Mittelpunkt seiner Monographie stehen Celans bewußte Loslösung von seinem traditionellen kulturellen Umfeld und die Reflexion darüber, welche historischen Voraussetzungen für eine ungebundene künstlerische Produktion gewährleistet sein müssen. Gestützt wird diese Analyse von der Interpretation einzelner Texte und ihrem Verhältnis zur persönlichen Situation des Dichters. Bollack beruft sich in erster Linie auf die anarchisch-kritische Position des Autors, der sich keiner Ordnung unterwirft und gegen die herrschenden Anschauungen eine eigene und befreite Sprache ausbildet.
Im Mittelpunkt seiner Monographie stehen Celans bewußte Loslösung von seinem traditionellen kulturellen Umfeld und die Reflexion darüber, welche historischen Voraussetzungen für eine ungebundene künstlerische Produktion gewährleistet sein müssen. Gestützt wird diese Analyse von der Interpretation einzelner Texte und ihrem Verhältnis zur persönlichen Situation des Dichters. Bollack beruft sich in erster Linie auf die anarchisch-kritische Position des Autors, der sich keiner Ordnung unterwirft und gegen die herrschenden Anschauungen eine eigene und befreite Sprache ausbildet.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
In einem großen Aufsatz bespricht Christiane Zintzen drei neue Bücher über Paul Celan.
1) "Die Goll-Affäre. Dokumente zu einer `Infamie`"
Die Plagiatsvorwürfe, die Claire Goll, Witwe des 1950 verstorbenen französischen Dichters Yvan Goll, dessen Werke Celan teilweise ins Deutsche übersetzt hatte, jahrzehntelang verbreitete, gehören zu den hässlichsten Gerüchten, die über Paul Celan kursieren, erzählt die Rezensentin. Hässlich deswegen, weil mit diesen Vorwürfen einerseits die Witwe selbst die Chance ergriff, sich die Rechte auf das erschienene Werk und den Nachlass des Gatten zu sichern. Und andererseits, weil Golls Anschuldigungen im Literaturbetrieb nicht auf taube Ohren stießen und manchem ermöglichten, sich auf Celans Kosten zu profilieren. Das ganze Ausmaß dieser "giftigen Dämpfe von Denunziation, Fama und Verdacht" mag ermessen, wer die mehr als 900-seitige Dokumentation von Barbara Wiedermann liest, schreibt Zintzen. Das Dossier, bestehend aus publizierten und bisher nicht erschienenen Dokumenten (Briefe, Gedichte, Entwürfe, Entgegnungen) zeige Ursprung und Entwicklung einer literarischen Destruktion sowie die Schattenseiten eines Literaturbetriebes voller Profilierungssucht und antisemitischen Ressentiments. Wohnte der Wahrheit dieses Rufmordes nicht eine so bittere Sprache inne, könnte man die "Goll-Affäre" glatt für einen peinsamen Literaturkriminalroman halten, resümiert die Rezensentin.
2) Jean Bollack: "Paul Celan. Eine Poetik der Fremdheit"
Jahrelang stand der französische Philologe Jean Bollack in engem Kontakt zu Paul Celan. Eine "gedankenvolle" Monografie habe er nun rechtzeitig zum 80. Geburtstag des Dichters verfasst, meint Zintzen. "Liebevoll-sorglich" schlägt Bollack eine neue Lesbarkeit der hermetischen Gedichte Celans vor. Die Interpretation des Philologen sei allerdings so dicht und konsequent, dass sie beim Leser keinen Widerspruch mehr zulasse, so die Rezensentin. 300 Seiten "Diskursmanöver", das nicht nicht nur alle anderen Exegeten Celans auszuschalten, sondern Bollack selbst zum einzig wahren Kenner Celans zu erheben trachte, kritisiert Zintzen. Bollack vermag zwar mit "kunstvollem rhetorischen Raunen" den Leser dazu zu bewegen, sich intensiv mit Celans schwer zugänglicher Poetik zu beschäftigen, aber einen Freiraum für Widersprüche gegen seine Auslegung des Werks lässt er nicht zu, so die Rezensentin.
3) Otto Pöggeler: "Der Stein hinterm Aug. Studien zu Celans Gedichten" Anders ist es Zintzen mit Otto Pöggeler ergangen. Auch der deutsche Philosoph stand in persönlichem Kontakt zu Celan, auch er hat sich jahrzehntelang um Celans Werk verdient gemacht, informiert die Rezensentin. Und auch er möchte die wahre Exegese der Werke des Dichters vorlegen. Und hat eine "perspektivenreiche Aufsatzsammlung" zusammengestellt - "eckiger" und "schwerfälliger" formuliert als Bollack. Aber Zintzen war dankbar, während der Lektüre überhaupt Gelegenheit zum Widerspruch gegen Pöggeler erhalten zu haben. So gegen dessen "bemühte, doch höchst fragwürdige, ja mitunter alberne" Illustration von Celans Leben mit Versatzstücken aus dessen Gedichten oder gegen Pöggelers Bemühungen, Celan und Martin Heidegger am Ende doch noch zu versöhnen. Und das wohl eher deswegen, mutmaßt Zintzen, weil Pöggeler selbst im Konflikt der Loyalitäten - hier der philosophische Fixstern. dort der Dichterfürst - stehe.
© Perlentaucher Medien GmbH
1) "Die Goll-Affäre. Dokumente zu einer `Infamie`"
Die Plagiatsvorwürfe, die Claire Goll, Witwe des 1950 verstorbenen französischen Dichters Yvan Goll, dessen Werke Celan teilweise ins Deutsche übersetzt hatte, jahrzehntelang verbreitete, gehören zu den hässlichsten Gerüchten, die über Paul Celan kursieren, erzählt die Rezensentin. Hässlich deswegen, weil mit diesen Vorwürfen einerseits die Witwe selbst die Chance ergriff, sich die Rechte auf das erschienene Werk und den Nachlass des Gatten zu sichern. Und andererseits, weil Golls Anschuldigungen im Literaturbetrieb nicht auf taube Ohren stießen und manchem ermöglichten, sich auf Celans Kosten zu profilieren. Das ganze Ausmaß dieser "giftigen Dämpfe von Denunziation, Fama und Verdacht" mag ermessen, wer die mehr als 900-seitige Dokumentation von Barbara Wiedermann liest, schreibt Zintzen. Das Dossier, bestehend aus publizierten und bisher nicht erschienenen Dokumenten (Briefe, Gedichte, Entwürfe, Entgegnungen) zeige Ursprung und Entwicklung einer literarischen Destruktion sowie die Schattenseiten eines Literaturbetriebes voller Profilierungssucht und antisemitischen Ressentiments. Wohnte der Wahrheit dieses Rufmordes nicht eine so bittere Sprache inne, könnte man die "Goll-Affäre" glatt für einen peinsamen Literaturkriminalroman halten, resümiert die Rezensentin.
2) Jean Bollack: "Paul Celan. Eine Poetik der Fremdheit"
Jahrelang stand der französische Philologe Jean Bollack in engem Kontakt zu Paul Celan. Eine "gedankenvolle" Monografie habe er nun rechtzeitig zum 80. Geburtstag des Dichters verfasst, meint Zintzen. "Liebevoll-sorglich" schlägt Bollack eine neue Lesbarkeit der hermetischen Gedichte Celans vor. Die Interpretation des Philologen sei allerdings so dicht und konsequent, dass sie beim Leser keinen Widerspruch mehr zulasse, so die Rezensentin. 300 Seiten "Diskursmanöver", das nicht nicht nur alle anderen Exegeten Celans auszuschalten, sondern Bollack selbst zum einzig wahren Kenner Celans zu erheben trachte, kritisiert Zintzen. Bollack vermag zwar mit "kunstvollem rhetorischen Raunen" den Leser dazu zu bewegen, sich intensiv mit Celans schwer zugänglicher Poetik zu beschäftigen, aber einen Freiraum für Widersprüche gegen seine Auslegung des Werks lässt er nicht zu, so die Rezensentin.
3) Otto Pöggeler: "Der Stein hinterm Aug. Studien zu Celans Gedichten" Anders ist es Zintzen mit Otto Pöggeler ergangen. Auch der deutsche Philosoph stand in persönlichem Kontakt zu Celan, auch er hat sich jahrzehntelang um Celans Werk verdient gemacht, informiert die Rezensentin. Und auch er möchte die wahre Exegese der Werke des Dichters vorlegen. Und hat eine "perspektivenreiche Aufsatzsammlung" zusammengestellt - "eckiger" und "schwerfälliger" formuliert als Bollack. Aber Zintzen war dankbar, während der Lektüre überhaupt Gelegenheit zum Widerspruch gegen Pöggeler erhalten zu haben. So gegen dessen "bemühte, doch höchst fragwürdige, ja mitunter alberne" Illustration von Celans Leben mit Versatzstücken aus dessen Gedichten oder gegen Pöggelers Bemühungen, Celan und Martin Heidegger am Ende doch noch zu versöhnen. Und das wohl eher deswegen, mutmaßt Zintzen, weil Pöggeler selbst im Konflikt der Loyalitäten - hier der philosophische Fixstern. dort der Dichterfürst - stehe.
© Perlentaucher Medien GmbH