Paul ist vier, als sein kleiner Bruder Jacob geboren wird. Jacob hat das Down-Syndrom und mit seiner Ankunft verändert sich Pauls Leben von Grund auf. Für ihn scheint sich alles nur noch um seinen Bruder zu drehen, er fühlt sich zurückgesetzt. Zudem irritiert ihn Jacobs Andersartigkeit, er schämt sich für ihn und steigert sich in starrköpfige Ablehnung hinein. Mit allerlei Tricks versucht er, Jakob zu ignorieren und ihm möglichst aus dem Weg zu gehen. Doch dann passiert etwas, womit Paul nicht gerechnet hat - und plötzlich sieht er Jacob in einem ganz anderen Licht...
"Keine bemühte Problemlösungsgeschichte." (Die Zeit)
"Hier wird ein Kinderleben geschildert ohne jede Beschönigung. Eine faszinierende, literarisch herausragende Erzählung." (Süddeutsche Zeitung)
"Hier wird ein Kinderleben geschildert ohne jede Beschönigung. Eine faszinierende, literarisch herausragende Erzählung." (Süddeutsche Zeitung)
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.09.2001Der Bruder, der kein Monster ist
"Paul ohne Jacob", der neue Kinderroman von Paula Fox
Paul ist fast elf Jahre alt und ein ziemlich hartnäckiger Junge. Zwei Drittel seines Lebens hat er sich bemüht, ein Paul-ohne-Jacob-Leben zu führen. Das ist gar nicht so einfach, denn Jacob ist sein kleiner Bruder und lebt mit ihm unter einem Dach; die ersten Jahre in einem engen New Yorker Apartment, später auf dem Land, wo Paul sich immerhin im Wald verkriechen kann. Paul ignoriert Jacob, weil der einen "Konstruktionsfehler" hat, das Down-Syndrom, und davon will er einfach nichts wissen.
Zwar ist das Thema Behinderung im Kinderbuch keine Seltenheit. Ungewöhnlich aber ist die Beschreibung eines langwierigen Prozesses, das Unabänderliche anzuerkennen. Nicht eine Annäherung auf dem Hopplahopp-Weg wird vorgeführt, wie so oft in den politisch-korrekten Varianten des Themas. Vielmehr scheint lange Zeit Pauls Wahrnehmung des Bruders als "Monster" unüberwindbar: wie ihm das tolpatschige Gehen, der so oft versabberte Mund und vor allem die Anhänglichkeit zuwider sind. Natürlich gibt es klug eingefädelte Versuche der Erwachsenen, Jacob in einem anderen Licht zu zeigen. Besonders geschickt ist der Großvater. Das Wechselspiel zwischen Großvaters sanften erzieherischen Bemühungen und Pauls taktischen Ausweichmanövern hat dramatische Qualitäten, so interessant, daß man über manche Übersetzungsholprigkeit hinwegsieht.
Es ist schwer, an jemanden nicht denken zu wollen, weil man immerzu daran denken muß, wie man nicht an ihn denkt. Schon die zufällige Berührung mit einem nassen Forsythienstrauch erinnert Paul an Jacobs feuchte Hand. Wenn sich die Schulbustüren hinter ihm schließen und er an den sichersten Ort überhaupt, die Schule, fährt, dann ist Paul glücklich. Aber es gibt Anlässe, wo ein Entkommen unmöglich ist - zum Beispiel an Pauls Geburtstagen. Sie spielen in dieser auf Momente konzentrierten Erzählung eine besondere Rolle. Paul muß nicht nur anwesend sein, auch ein Entgegenkommen wird von ihm erwartet.. Mit der Zeit - die Geschichte umspannt sieben Jahre - werden Pauls Bewältigungsstrategien raffinierter und seine Seele verhärtet sich.
Am Ende ist es dann aber doch ein Jacob-Geburtstag, an dem Paul die Bruderschaft anerkennt. So weit aber konnte es nur kommen, weil Paul sich mit Jacob in der Öffentlichkeit zeigen muß. Auf dem gemeinsamen Gang zur Physiotherapeutin, in Pauls Vorstellung zunächst ein Horrortrip, wird ihm bewußt, wie beliebt sein Bruder im weiteren Umkreis ist. Da wird Paul sogar ein wenig eifersüchtig - ein untrügliches Zeichen einer echten Geschwisterbeziehung.
MYRIAM MIELES.
Paula Fox: "Paul ohne Jacob". Aus dem amerikanischen Englisch von Cornelia Krutz-Arnold. Sauerländer Verlag, Frankfurt am Main 2001. 112 S., geb., 22,95 DM. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Paul ohne Jacob", der neue Kinderroman von Paula Fox
Paul ist fast elf Jahre alt und ein ziemlich hartnäckiger Junge. Zwei Drittel seines Lebens hat er sich bemüht, ein Paul-ohne-Jacob-Leben zu führen. Das ist gar nicht so einfach, denn Jacob ist sein kleiner Bruder und lebt mit ihm unter einem Dach; die ersten Jahre in einem engen New Yorker Apartment, später auf dem Land, wo Paul sich immerhin im Wald verkriechen kann. Paul ignoriert Jacob, weil der einen "Konstruktionsfehler" hat, das Down-Syndrom, und davon will er einfach nichts wissen.
Zwar ist das Thema Behinderung im Kinderbuch keine Seltenheit. Ungewöhnlich aber ist die Beschreibung eines langwierigen Prozesses, das Unabänderliche anzuerkennen. Nicht eine Annäherung auf dem Hopplahopp-Weg wird vorgeführt, wie so oft in den politisch-korrekten Varianten des Themas. Vielmehr scheint lange Zeit Pauls Wahrnehmung des Bruders als "Monster" unüberwindbar: wie ihm das tolpatschige Gehen, der so oft versabberte Mund und vor allem die Anhänglichkeit zuwider sind. Natürlich gibt es klug eingefädelte Versuche der Erwachsenen, Jacob in einem anderen Licht zu zeigen. Besonders geschickt ist der Großvater. Das Wechselspiel zwischen Großvaters sanften erzieherischen Bemühungen und Pauls taktischen Ausweichmanövern hat dramatische Qualitäten, so interessant, daß man über manche Übersetzungsholprigkeit hinwegsieht.
Es ist schwer, an jemanden nicht denken zu wollen, weil man immerzu daran denken muß, wie man nicht an ihn denkt. Schon die zufällige Berührung mit einem nassen Forsythienstrauch erinnert Paul an Jacobs feuchte Hand. Wenn sich die Schulbustüren hinter ihm schließen und er an den sichersten Ort überhaupt, die Schule, fährt, dann ist Paul glücklich. Aber es gibt Anlässe, wo ein Entkommen unmöglich ist - zum Beispiel an Pauls Geburtstagen. Sie spielen in dieser auf Momente konzentrierten Erzählung eine besondere Rolle. Paul muß nicht nur anwesend sein, auch ein Entgegenkommen wird von ihm erwartet.. Mit der Zeit - die Geschichte umspannt sieben Jahre - werden Pauls Bewältigungsstrategien raffinierter und seine Seele verhärtet sich.
Am Ende ist es dann aber doch ein Jacob-Geburtstag, an dem Paul die Bruderschaft anerkennt. So weit aber konnte es nur kommen, weil Paul sich mit Jacob in der Öffentlichkeit zeigen muß. Auf dem gemeinsamen Gang zur Physiotherapeutin, in Pauls Vorstellung zunächst ein Horrortrip, wird ihm bewußt, wie beliebt sein Bruder im weiteren Umkreis ist. Da wird Paul sogar ein wenig eifersüchtig - ein untrügliches Zeichen einer echten Geschwisterbeziehung.
MYRIAM MIELES.
Paula Fox: "Paul ohne Jacob". Aus dem amerikanischen Englisch von Cornelia Krutz-Arnold. Sauerländer Verlag, Frankfurt am Main 2001. 112 S., geb., 22,95 DM. Ab 10 J.
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