Paul und der Krieg
Paul Haentjes, Jahrgang 1927, wird am 15. Februar 1943 zusammen mit seinen Mitschülern aus einer Kölner Oberschule als Luftwaffenhelfer zur Flak - den Flugabwehrkanonen - einberufen. Was für die Jungen wie ein Abenteuer beginnt, entpuppt sich bald als rohe Kriegsrealität, deren Maschinerie die Jungen nun nicht mehr entgehen können und die für viele tödlich oder in Kriegsgefangenschaft endet. Dokumente und Briefe aus dem Nachlass von Paul Haentjes bilden als O-Ton eines Jugendlichen aus den 40er-Jahren die Basis des Buches. Ein Bericht über eine Zeit, deren Zeugen zunehmend rar werden.
Paul Haentjes, Jahrgang 1927, wird am 15. Februar 1943 zusammen mit seinen Mitschülern aus einer Kölner Oberschule als Luftwaffenhelfer zur Flak - den Flugabwehrkanonen - einberufen. Was für die Jungen wie ein Abenteuer beginnt, entpuppt sich bald als rohe Kriegsrealität, deren Maschinerie die Jungen nun nicht mehr entgehen können und die für viele tödlich oder in Kriegsgefangenschaft endet. Dokumente und Briefe aus dem Nachlass von Paul Haentjes bilden als O-Ton eines Jugendlichen aus den 40er-Jahren die Basis des Buches. Ein Bericht über eine Zeit, deren Zeugen zunehmend rar werden.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.07.2019Endlich erwachsen
Erinnerungen eines jungen Luftwaffenhelfers, dokumentiert von seiner Tochter
Paul Haentjes hat nur selten über den Krieg gesprochen. Wie Millionen anderer Menschen, die zwischen 1939 und 1945 als Soldat, Zivilist oder als Kind Trauriges, Schlimmes und auch Traumatisches erlebten oder erleben mussten. Aber Paul Haentjes hat alles aufbewahrt – Fotos, Briefe, Dokumente und Erinnerungen. Aus diesen Schätzen hat seine Tochter Dorothee Haentjes - Holländer nun ein Buch gemacht. „Paul und der Krieg“ hätte Paul Haentjes sicher sehr gut gefallen. Nicht nur, weil er den Krieg überlebt hat – er starb 2012 im Alter von 85 Jahren. Sondern, weil mit diesem Buch einer jungen Generation von den falschen Versprechen einer Diktatur und von den mörderischen Folgen einer weltumspannenden Aggression berichtet wird. Und das alles mit den Augen eines Altersgenossen.
Paul ist gerade einmal 15 Jahre alt, als er im Februar 1943 zu den Luftwaffenhelfern eingezogen wird. „Endlich erwachsen!“ heißt das erste Kapitel, die Jugendlichen sind stolz, dass sie nun neben Soldaten und unter militärischem Befehl mithelfen können, an den Flugabwehrraketen ihre Heimat vor feindlichen Luftangriffen zu beschützen. Doch der militärische Drill, die ständige Anspannung, die schlechte Verpflegung und Unterkunft, die schlaflosen Nächte bei fast täglichem Bombenalarm zermürben die jungen Flakhelfer schnell. Doch wer einmal in der Kriegsmaschinerie einsortiert ist, kommt so schnell nicht wieder aus ihr heraus. Zumal in der extrem grausamen Endphase des Krieges, als sich der NS-Staat um Adolf Hitler weigert, die absehbare Niederlage anzuerkennen, ist jeder Tag ein Tag in Todesgefahr. Paul hat Glück, er kommt nicht mehr an die Front. Nach seiner Gefangennahme muss er neun Wochen in alliierter Kriegsgefangenschaft verbringen, unter erbärmlichen Umständen. Auch darüber hat er nie gesprochen. „Er hat sie einfach als Folge des Krieges akzeptiert, den die Nationalsozialisten begonnen hatten“, schreibt seine Tochter.
Haentjes-Holländer hat dieses lesenswerte (und eher schmale) Buch in drei verschiedene Darstellungsformen unterteilt. Die Geschichte ihres Vaters im Krieg, dazu Briefe ihres Vaters an seine Geschwister und Eltern sowie zahlreiche Informationskästen zum Kriegsverlauf, zu speziellen NS-Begriffen oder zum Bombenkrieg. Das macht die Lektüre abwechslungsreich und anschaulich, womit sich das Buch auch für den Schulunterricht eignen würde.
Das Kriegsleben von Paul Haentjes ist nicht geprägt von großen Schlachten, von vielen Toten unter seinen nächsten Kameraden oder gar von „Helden“erlebnissen. Das Buch zeigt vielmehr eindrucksvoll, wie der Krieg in den Alltag aller eingriff, wie aus Oberschülern Soldaten gemacht wurden, wie der Krieg wirklich „total“ wurde und es letztendlich nur noch um eines ging: Überleben. Paul schreibt: „Über die Zukunft soll man sich keine unnützen Gedanken machen. Heute ist Heute.“
Einziges Manko: Die Briefe und ihr Inhalt hätten noch besser eingeordnet werden können. Das versucht Haentjes-Holländer zwar, wenn sie etwa erklärt, wie sehr die Jugend bei aller Distanz und Skepsis zum Regime den NS-Jargon übernahm. Dass man in den Briefen nach Hause aber nicht frei von der Leber weg alles schreiben konnte, was einen bewegte, lag auch an der Zensurgefahr. Nicht zuletzt deshalb klingen manche Briefe heute ein wenig brav. Die Menschen damals wussten die Andeutungen besser zu entschlüsseln.
Die Mahnung des Paul Haentjes jedenfalls kommt nicht zu spät, sondern ist auch 80 Jahre nach Kriegsbeginn aktuell wie eh und je. (ab 12 Jahre).
ROBERT PROBST
Dorothee Haentjes-
Holländer:
Paul und der Krieg.
Als 15-Jähriger im
Zweiten Weltkrieg.
arsEdition,
München 2019.
144 Seiten, 15 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Erinnerungen eines jungen Luftwaffenhelfers, dokumentiert von seiner Tochter
Paul Haentjes hat nur selten über den Krieg gesprochen. Wie Millionen anderer Menschen, die zwischen 1939 und 1945 als Soldat, Zivilist oder als Kind Trauriges, Schlimmes und auch Traumatisches erlebten oder erleben mussten. Aber Paul Haentjes hat alles aufbewahrt – Fotos, Briefe, Dokumente und Erinnerungen. Aus diesen Schätzen hat seine Tochter Dorothee Haentjes - Holländer nun ein Buch gemacht. „Paul und der Krieg“ hätte Paul Haentjes sicher sehr gut gefallen. Nicht nur, weil er den Krieg überlebt hat – er starb 2012 im Alter von 85 Jahren. Sondern, weil mit diesem Buch einer jungen Generation von den falschen Versprechen einer Diktatur und von den mörderischen Folgen einer weltumspannenden Aggression berichtet wird. Und das alles mit den Augen eines Altersgenossen.
Paul ist gerade einmal 15 Jahre alt, als er im Februar 1943 zu den Luftwaffenhelfern eingezogen wird. „Endlich erwachsen!“ heißt das erste Kapitel, die Jugendlichen sind stolz, dass sie nun neben Soldaten und unter militärischem Befehl mithelfen können, an den Flugabwehrraketen ihre Heimat vor feindlichen Luftangriffen zu beschützen. Doch der militärische Drill, die ständige Anspannung, die schlechte Verpflegung und Unterkunft, die schlaflosen Nächte bei fast täglichem Bombenalarm zermürben die jungen Flakhelfer schnell. Doch wer einmal in der Kriegsmaschinerie einsortiert ist, kommt so schnell nicht wieder aus ihr heraus. Zumal in der extrem grausamen Endphase des Krieges, als sich der NS-Staat um Adolf Hitler weigert, die absehbare Niederlage anzuerkennen, ist jeder Tag ein Tag in Todesgefahr. Paul hat Glück, er kommt nicht mehr an die Front. Nach seiner Gefangennahme muss er neun Wochen in alliierter Kriegsgefangenschaft verbringen, unter erbärmlichen Umständen. Auch darüber hat er nie gesprochen. „Er hat sie einfach als Folge des Krieges akzeptiert, den die Nationalsozialisten begonnen hatten“, schreibt seine Tochter.
Haentjes-Holländer hat dieses lesenswerte (und eher schmale) Buch in drei verschiedene Darstellungsformen unterteilt. Die Geschichte ihres Vaters im Krieg, dazu Briefe ihres Vaters an seine Geschwister und Eltern sowie zahlreiche Informationskästen zum Kriegsverlauf, zu speziellen NS-Begriffen oder zum Bombenkrieg. Das macht die Lektüre abwechslungsreich und anschaulich, womit sich das Buch auch für den Schulunterricht eignen würde.
Das Kriegsleben von Paul Haentjes ist nicht geprägt von großen Schlachten, von vielen Toten unter seinen nächsten Kameraden oder gar von „Helden“erlebnissen. Das Buch zeigt vielmehr eindrucksvoll, wie der Krieg in den Alltag aller eingriff, wie aus Oberschülern Soldaten gemacht wurden, wie der Krieg wirklich „total“ wurde und es letztendlich nur noch um eines ging: Überleben. Paul schreibt: „Über die Zukunft soll man sich keine unnützen Gedanken machen. Heute ist Heute.“
Einziges Manko: Die Briefe und ihr Inhalt hätten noch besser eingeordnet werden können. Das versucht Haentjes-Holländer zwar, wenn sie etwa erklärt, wie sehr die Jugend bei aller Distanz und Skepsis zum Regime den NS-Jargon übernahm. Dass man in den Briefen nach Hause aber nicht frei von der Leber weg alles schreiben konnte, was einen bewegte, lag auch an der Zensurgefahr. Nicht zuletzt deshalb klingen manche Briefe heute ein wenig brav. Die Menschen damals wussten die Andeutungen besser zu entschlüsseln.
Die Mahnung des Paul Haentjes jedenfalls kommt nicht zu spät, sondern ist auch 80 Jahre nach Kriegsbeginn aktuell wie eh und je. (ab 12 Jahre).
ROBERT PROBST
Dorothee Haentjes-
Holländer:
Paul und der Krieg.
Als 15-Jähriger im
Zweiten Weltkrieg.
arsEdition,
München 2019.
144 Seiten, 15 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
»Immer neue Leseeinstiege und farbig unterlegte Textkästen ergeben eine lebendige Optik, wie sie heutige Jugendliche schätzen.« Stefan Villinger Rhein-Sieg-Rundschau 20191112