Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.06.1998Leuchte, liebe Gans, leuchte
Hans Traxler verwandelt eine Kinderzimmerlampe
"Besseres Wetter findest du überall", hatte die offenkundig nicht nur weitgereiste, sondern auch belesene Wildgans zu Paula gesagt. In Deutschland ist es duster, und selbst Paula kann dagegen nichts ausrichten. Das will etwas heißen, denn Paula ist eine Leuchtgans, eine jener seit kurzem so populären Lampen, die derart verbreitet sind, daß etwa in einer mir vertrauten ruhigen Straße von Lörrach zwei dieser Leuchtkörper einander beobachten: Die Hälse gereckt und die Schnäbel vorgestreckt, stehen sie sich in zwei Wohnzimmerfenstern gegenüber.
Paula fehlt ein Leuchtpartner, denn ihre Familie befindet sich im Urlaub. Wie es aber der Zufall will, zieht ein Schwarm Wildgänse an ihrem Fenster vorbei, dem sie sich auf dessen Weg nach Süden anschließen kann. Da fliegt nun Paula und schleppt ihr langes Stromkabel mit sich. Leuchten kann sie auch noch, weil ein Akku sie weiterhin mit Elektrizität versorgt. Da hat sich Paulas Erfinder, der Zeichner Hans Traxler, allerdings etwas weit vorgewagt - ganz so perfekt sind diese Lampen nicht.
Doch sein Buch ist eine Liebeserklärung an ein Gebrauchsobjekt, und damit steht Traxler in alter Tradition des Kinderbuchs. Ob Alexander A. Milne den damals noch jungen Teddybären zum Helden der Abenteuer von Winnie Pu machte oder im "Sternchen", der Kinderbeilage des "Stern", über Jahre hinweg "Jimmy, das Gummipferd" die Leser begeisterte - immer wieder haben sich Autoren und Illustratoren neuer Spielzeuge angenommen, sie lebendig werden lassen und damit nichts weiter getan, als die Phantasien der kindlichen Besitzer ernst zu nehmen. Welche deutsche Leuchtgans hätte keinen Namen?
In Südfrankreich angekommen, leistet Paula Beachtliches: Sie ermöglicht den Einheimischen mit ihrem Licht nächtliches Boulespiel, verdingt sich bei einem Fischer als Leuchtköder und rettet schließlich auch den Sohn ihrer Familie durch Blinksignale aus Seenot. Immer aber hat sie Haltung bewahrt, wie es ihr gebührt, und so macht sie auch als Ordensempfängerin eine gute Figur - Paula ist eine veritable Lichtgestalt.
All diese Geschehnisse hat Traxler in farbenfrohen, klaren Zeichnungen dokumentiert, auf denen das bewegte Mienenspiel der menschlichen Akteure kaum weniger erfreut als das leise Lächeln, das bisweilen Paulas Züge schmückt, wenn sie sich nützlich machen kann. Und selbst wenn sie sich zu nützlich macht, kann man es ihr kaum übelnehmen. Auf der nächtlichen Rückfahrt setzt die Familie einfach Sonnenbrillen auf, um sich vor Paulas Licht zu schützen.
Ob das Phänomen Leuchtgans die deutschen Grenzen überschreitet, weiß ich nicht. Sicher aber ist, daß Paula beste Voraussetzungen dafür aufweist. Schnell hat sie sich ihrer neuen Umgebung angepaßt, trägt Baskenkappe oder Schirmmütze. Es sind solche wundersamen Wandlungen, die den Zauber von Bilderbüchern ausmachen. Sie haben keine inhaltliche Bedeutung, doch sie erzählen mitunter viel mehr als die Texte. Traxler hat mit "Paula" ein Buch geschaffen, das seine schlichte Handlung auch ganz aus den Zeichnungen sprechen lassen könnte. Das ist eine wirklich große Kunst.
Andreas Platthaus Hans Traxler: "Paula die Leuchtgans". Diogenes Verlag, Zürich 1998. 37 S., geb., 26,90 DM. Ab 4 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Hans Traxler verwandelt eine Kinderzimmerlampe
"Besseres Wetter findest du überall", hatte die offenkundig nicht nur weitgereiste, sondern auch belesene Wildgans zu Paula gesagt. In Deutschland ist es duster, und selbst Paula kann dagegen nichts ausrichten. Das will etwas heißen, denn Paula ist eine Leuchtgans, eine jener seit kurzem so populären Lampen, die derart verbreitet sind, daß etwa in einer mir vertrauten ruhigen Straße von Lörrach zwei dieser Leuchtkörper einander beobachten: Die Hälse gereckt und die Schnäbel vorgestreckt, stehen sie sich in zwei Wohnzimmerfenstern gegenüber.
Paula fehlt ein Leuchtpartner, denn ihre Familie befindet sich im Urlaub. Wie es aber der Zufall will, zieht ein Schwarm Wildgänse an ihrem Fenster vorbei, dem sie sich auf dessen Weg nach Süden anschließen kann. Da fliegt nun Paula und schleppt ihr langes Stromkabel mit sich. Leuchten kann sie auch noch, weil ein Akku sie weiterhin mit Elektrizität versorgt. Da hat sich Paulas Erfinder, der Zeichner Hans Traxler, allerdings etwas weit vorgewagt - ganz so perfekt sind diese Lampen nicht.
Doch sein Buch ist eine Liebeserklärung an ein Gebrauchsobjekt, und damit steht Traxler in alter Tradition des Kinderbuchs. Ob Alexander A. Milne den damals noch jungen Teddybären zum Helden der Abenteuer von Winnie Pu machte oder im "Sternchen", der Kinderbeilage des "Stern", über Jahre hinweg "Jimmy, das Gummipferd" die Leser begeisterte - immer wieder haben sich Autoren und Illustratoren neuer Spielzeuge angenommen, sie lebendig werden lassen und damit nichts weiter getan, als die Phantasien der kindlichen Besitzer ernst zu nehmen. Welche deutsche Leuchtgans hätte keinen Namen?
In Südfrankreich angekommen, leistet Paula Beachtliches: Sie ermöglicht den Einheimischen mit ihrem Licht nächtliches Boulespiel, verdingt sich bei einem Fischer als Leuchtköder und rettet schließlich auch den Sohn ihrer Familie durch Blinksignale aus Seenot. Immer aber hat sie Haltung bewahrt, wie es ihr gebührt, und so macht sie auch als Ordensempfängerin eine gute Figur - Paula ist eine veritable Lichtgestalt.
All diese Geschehnisse hat Traxler in farbenfrohen, klaren Zeichnungen dokumentiert, auf denen das bewegte Mienenspiel der menschlichen Akteure kaum weniger erfreut als das leise Lächeln, das bisweilen Paulas Züge schmückt, wenn sie sich nützlich machen kann. Und selbst wenn sie sich zu nützlich macht, kann man es ihr kaum übelnehmen. Auf der nächtlichen Rückfahrt setzt die Familie einfach Sonnenbrillen auf, um sich vor Paulas Licht zu schützen.
Ob das Phänomen Leuchtgans die deutschen Grenzen überschreitet, weiß ich nicht. Sicher aber ist, daß Paula beste Voraussetzungen dafür aufweist. Schnell hat sie sich ihrer neuen Umgebung angepaßt, trägt Baskenkappe oder Schirmmütze. Es sind solche wundersamen Wandlungen, die den Zauber von Bilderbüchern ausmachen. Sie haben keine inhaltliche Bedeutung, doch sie erzählen mitunter viel mehr als die Texte. Traxler hat mit "Paula" ein Buch geschaffen, das seine schlichte Handlung auch ganz aus den Zeichnungen sprechen lassen könnte. Das ist eine wirklich große Kunst.
Andreas Platthaus Hans Traxler: "Paula die Leuchtgans". Diogenes Verlag, Zürich 1998. 37 S., geb., 26,90 DM. Ab 4 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"A fascinating draughtsman."(tz)