Der Römerbrief des Paulus gehört nicht nur zu den wichtigsten christlichen Schriften, sondern ist auch im Bereich der Philosophie, Soziologie und Psychologie von großem kritischen Interesse. Kulturpolitisch hat er die Reformation im 16. Jh. begleitet, aber auch die geistigen Umbrüche im 20. Jh. Alle Existenzialisten haben sich an ihm geschult. Für die junge Christenheit war Paulus insofern von grundlegender Bedeutung, als er das aktive, mutige, vitale Leben Jesu in der Zeit nach dessen Tod und Auferstehung in ein Glaubensverständnis transformierte, das bis heute gültig ist. Sein Dreiklang von "Glaube-Hoffnung-Liebe" ist zur Grundlage eines ganz neuen Religionstypus geworden. Ebenso bewirkte seine Gegenüberstellung von Buchstabe und Geist eine Dynamisierung des Denkens, die bis heute von Übersetzern und Sprachphilosophen aufgegriffen wird. Seine biographische Bewältigung der Differenz und Zusammengehörigkeit von Judentum und Christentum ist auch heute noch der beste Ansatz für einfruchtbares Gespräch dieser beiden Religionen.