Welche Rolle spielt die Vernunft im Menschen? Gibt sie souverän den Ton an für das Verhalten oder ist sie Spielball der Triebe? Diese Fragen um die Vernunftbegabung des Menschen werden in den philosophischen Strömungen der Antike breit diskutiert. Manuel Nägele geht davon aus, dass auch der Apostel Paulus infolge des kulturellen Austausches der Zeitenwende von diesen Debatten nicht unberührt blieb. Aufbauend auf der Verwendung des Lexems ni ( nous, gr. "Vernunft"/"Geist") in zeitgenössischen Texten versucht er, dessen Semantik in den paulinischen Briefen neu zu beleuchten und nach den anthropologischen Implikationen zu fragen, die sich daraus für das Menschenbild des Apostels ergeben. Was genau im Menschen bezeichnet Paulus mit ni ? Ist es die Vernunft, der (göttliche?) Geist, ein konkreter Gedanke oder etwas ganz anderes? Anders als andere anthropologische Termini hat die Paulusexegese ni bislang vernachlässigt.