Produktdetails
- Verlag: J.B. Metzler
- Ersch. 97-99.
- Deutsch
- Abmessung: 245mm
- Gewicht: 2250g
- ISBN-13: 9783476011954
- Artikelnr.: 41031582
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.01.2001Aha, sie fressen auch Altpapier
Das Register zu Paulys Realenzyklopädie leidet unter elektronischem Termitenbefall
Wenn angehenden Altertumswissenschaftlern außerhalb dieses Landes auch heute noch gelegentlich empfohlen wird, sich Lesekenntnisse im Deutschen anzueignen, wird dies in erster Linie der Existenz der "Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft" verdankt. Die RE, wie dieses Mammutwerk meist abgekürzt wird, erschien zwischen 1893 und 1978 in 83 starken Bänden. Den Vorläufer hatte der Gymnasialprofessor August Friedrich Pauly noch mit wenigen Kollegen zwischen 1839 und 1852 herausgebracht. Dieses für den Schulgebrauch bestimmte Werk sollte eine handliche Summe der antiken Realien darstellen und markierte damit zugleich die endgültige Etablierung der Sachphilologie gegenüber der reinen Wortphilologie. Bald führte die nunmehr selbstverständliche Einbindung der klassischen Texte und Denkmäler in ihren genau zu rekonstruierenden Kontext zusammen mit der Professionalisierung des Wissenschaftsbetriebs und dem Beginn der staatlich alimentierten Großforschung zu einer ungeahnten Wissensexplosion.
Die RE mit ihrer gedrängten und doch umfassenden Bereitstellung von Quellen und Forschungsstand in allen damals kanonischen Gebieten und Teildisziplinen wurde unter der Ägide des federführenden Herausgebers Georg Wissowa und seiner Nachfolger zu einem unentbehrlichen Arbeitsmittel und zugleich zu einem Monument einer sich vom Neuhumanismus lösenden positivistischen Altertumswissenschaft. Zum Anwachsen des zunächst auf zehn Jahre geplanten Unternehmens trug nicht zuletzt die Freiheit bei, welche nicht wenige der insgesamt schließlich 1096 Mitarbeiter dazu nutzten, ihre Artikel zu originären Forschungsbeiträgen in Monographiestärke auszuweiten. Nicht nur diese Artikel sind, ungeachtet ihres Alters, auch heute noch meist die erste Adresse einer gründlichen Recherche.
Ein solches Unternehmen weist notwendig Verwachsungen und Altersringe auf. Eine zweite Reihe wurde 1914 mit dem Buchstaben "R" begonnen, um schneller voranzukommen. Vergessene Stichwörter erschienen in Supplementbänden, vermehrt durch Artikel, die veraltete oder unzureichende Vorgänger ersetzten. Unter dem ruhigen Gleichfluß des fortschreitenden Werkes sind auch die Um- und Abbrüche der deutschen Wissenschaftsgeschichte in diesem Jahrhundert aufzufinden. Mit der Liberalität, die einem Isaak Heinemann 1931 immerhin 41 Spalten für das Lemma "Antisemitismus" einräumte - einen noch heute sehr lesenswerten Artikel -, war es bald vorbei. Doch die lange, durch große Sorgfalt bei der Redaktion verursachte Produktionsdauer eines jeden Bandes führte auch zu Ungleichzeitigkeiten; so konnten von verfolgten Autoren noch Jahre nach ihrer Vertreibung aus dem Amt und dem Land mit Namen gezeichnete Artikel erscheinen. Nach 1945 war es Konrat Ziegler, der als letzter Herausgeber die RE zum Abschluß brachte. Für die Erschließung des gewaltigen Materials und für wissenschaftsgeschichtliche Forschungen auf der Grundlage dieses sperrigen Werkes verdienen die nunmehr vorgelegten Register also eigentlich ein herzliches Willkommen.
Die Freude weicht alsbald herber Ernüchterung. Der erste, immerhin fast fünfhundert Mark teure Teil ist schlicht überflüssig. Vor dem Regal der RE und mit dem seit zwanzig Jahren vorliegenden Register der Nachträge und Supplemente in der Hand findet man jedes Stichwort. Ein separates Gesamtverzeichnis der Lemmata wäre nur zu rechtfertigen, wenn es regelmäßig zusätzliche Informationen und Suchmöglichkeiten böte und zuverlässig wäre. Beides ist nicht der Fall. Vielfach, für die Supplementbände sogar durchweg fehlen die Autorennamen, so daß wissenschaftsgeschichtliche Recherchen mit der CD-ROM auf Sand gebaut sind. Zwar erfährt der Benutzer, daß Friedrich Münzer 3890 Artikel verfaßt hat, einige andere Mitarbeiter sind hingegen unauffindbar. Einmal sind sogar sechzig ganze Spalten ausgelassen worden; diesem Schnitt ist auch der Artikel über den Geschichtsschreiber Sallust zum Opfer gefallen. Ob die Bearbeiter einen schon bei Erscheinen nicht eben befriedigenden Beitrag mit subversivem Schweigen übergehen wollten?
Einige weitere Ortungsversuche auf der CD-ROM lassen eher an Schlamperei glauben; zu diesem Eindruck tragen auch bisweilen verschriebene Autorennamen bei. Auf welchen Benutzerkreis dieser erste Teil zielt, ist nicht klar ersichtlich. Über "Herodotos (7)" etwa wird man belehrt, dies sei ein "Historiker im 5. Jh. v. Chr.". Wer eines solchen Hinweises bedarf, wird mit Felix Jacobys bedeutendem Artikel gewiß nichts anfangen können. Ernsthafte Benutzer erwarten vollständige Angaben der Fundstellen, die aber für die Supplementbände wiederum fehlen. Auch das Erscheinungsjahr des jeweils genannten Bandes muß am Regal oder im Vorspann der Buchausgabe ermittelt werden. Diese und andere absurde Mängel werden durch die recht beliebige Dreingabe von etwa 6500 Verweislinks nicht aufgewogen; sie machen den ersten Teil zu einem reichlich teuren Ärgernis, um stärkere Ausdrücke zu vermeiden.
Der Verlag scheint dies bemerkt zu haben, denn im "Systematischen Sach- und Suchregister" findet sich unter einer veränderten Benutzeroberfläche auch das alphabetische Lemmaregister noch einmal, diesmal mit Sallust, aber immer noch unvollständig bei den Autoren der Artikel. Irreführend ist die Bezeichnung "Sachregister", denn man kann nicht nach Begriffen innerhalb der Artikel suchen. Wer etwa wissen möchte, wo das Wort "Optimaten" oder "optimates" außerhalb des so betitelten Lemmas noch vorkommt oder mit welchen Aristokraten Catilina politisch verbandelt war, hat Pech: Eine solche Suchoption gibt es nicht. Vielmehr wurde jeder Artikel der RE nach Fachgebiet, systematischen Kriterien, Regionen und Jahrhunderten verschlagwortet. So sollen sich etwa alle bekannten Bischöfe aus Nordafrika im dritten und vierten nachchristlichen Jahrhundert oder die Inhaber von Ämtern, die mit Infrastruktur zu tun haben, auflisten lassen. Die Anlage des Suchinstrumentariums, das die Recherchekategorien mit "und" beziehungsweise "oder" verknüpft, erscheint sinnvoll und überlegt, auf einem PC mit gängiger Leistung werden die Resultate ziemlich flott ausgegeben.
Doch schon die erste Stichprobe fällt verheerend aus: In einer Liste der römischen Geschichtsschreiber des zweiten und ersten vorchristlichen Jahrhunderts erscheint ein König des neupersischen Reiches; Marcus Porcius Cato, einer der wichtigsten dieser Geschichtsschreiber, fehlt jedoch ebenso wie zwei weitere einschlägige Autoren. Eine daraufhin unternommene bange Suche nach allen römischen Censoren ergibt 119 Treffer, unter denen Cato aber ebenfalls nicht erscheint, obwohl er diesem Amt überhaupt erst sein sprichwörtliches Profil verliehen hat.
Fazit: Notwendige Einsparungen in öffentlichen und privaten Bibliotheken können und sollten mit diesem "Gesamtregister" beginnen. Eine adäquate Bußleistung des Verlags für seinen Mißgriff wäre eine Ausgabe der gesamten RE auf CD-ROM zu einem vernünftigen Preis.
UWE WALTER
"Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft". Gesamtregister I: Alphabetischer Teil. Bearbeitet von Tobias Erler u. a. VIII, 1158 S., geb., inkl. 1 CD-ROM, 498,- DM. Gesamtregister II: Systematisches Sach- und Suchregister. Bearbeitet von Christa Frateantonio u. a. J. B. Metzler, Stuttgart 1997/2000, CD-ROM, 980,- DM (bei Bezug auch des ersten Teils 780,- DM).
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Register zu Paulys Realenzyklopädie leidet unter elektronischem Termitenbefall
Wenn angehenden Altertumswissenschaftlern außerhalb dieses Landes auch heute noch gelegentlich empfohlen wird, sich Lesekenntnisse im Deutschen anzueignen, wird dies in erster Linie der Existenz der "Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft" verdankt. Die RE, wie dieses Mammutwerk meist abgekürzt wird, erschien zwischen 1893 und 1978 in 83 starken Bänden. Den Vorläufer hatte der Gymnasialprofessor August Friedrich Pauly noch mit wenigen Kollegen zwischen 1839 und 1852 herausgebracht. Dieses für den Schulgebrauch bestimmte Werk sollte eine handliche Summe der antiken Realien darstellen und markierte damit zugleich die endgültige Etablierung der Sachphilologie gegenüber der reinen Wortphilologie. Bald führte die nunmehr selbstverständliche Einbindung der klassischen Texte und Denkmäler in ihren genau zu rekonstruierenden Kontext zusammen mit der Professionalisierung des Wissenschaftsbetriebs und dem Beginn der staatlich alimentierten Großforschung zu einer ungeahnten Wissensexplosion.
Die RE mit ihrer gedrängten und doch umfassenden Bereitstellung von Quellen und Forschungsstand in allen damals kanonischen Gebieten und Teildisziplinen wurde unter der Ägide des federführenden Herausgebers Georg Wissowa und seiner Nachfolger zu einem unentbehrlichen Arbeitsmittel und zugleich zu einem Monument einer sich vom Neuhumanismus lösenden positivistischen Altertumswissenschaft. Zum Anwachsen des zunächst auf zehn Jahre geplanten Unternehmens trug nicht zuletzt die Freiheit bei, welche nicht wenige der insgesamt schließlich 1096 Mitarbeiter dazu nutzten, ihre Artikel zu originären Forschungsbeiträgen in Monographiestärke auszuweiten. Nicht nur diese Artikel sind, ungeachtet ihres Alters, auch heute noch meist die erste Adresse einer gründlichen Recherche.
Ein solches Unternehmen weist notwendig Verwachsungen und Altersringe auf. Eine zweite Reihe wurde 1914 mit dem Buchstaben "R" begonnen, um schneller voranzukommen. Vergessene Stichwörter erschienen in Supplementbänden, vermehrt durch Artikel, die veraltete oder unzureichende Vorgänger ersetzten. Unter dem ruhigen Gleichfluß des fortschreitenden Werkes sind auch die Um- und Abbrüche der deutschen Wissenschaftsgeschichte in diesem Jahrhundert aufzufinden. Mit der Liberalität, die einem Isaak Heinemann 1931 immerhin 41 Spalten für das Lemma "Antisemitismus" einräumte - einen noch heute sehr lesenswerten Artikel -, war es bald vorbei. Doch die lange, durch große Sorgfalt bei der Redaktion verursachte Produktionsdauer eines jeden Bandes führte auch zu Ungleichzeitigkeiten; so konnten von verfolgten Autoren noch Jahre nach ihrer Vertreibung aus dem Amt und dem Land mit Namen gezeichnete Artikel erscheinen. Nach 1945 war es Konrat Ziegler, der als letzter Herausgeber die RE zum Abschluß brachte. Für die Erschließung des gewaltigen Materials und für wissenschaftsgeschichtliche Forschungen auf der Grundlage dieses sperrigen Werkes verdienen die nunmehr vorgelegten Register also eigentlich ein herzliches Willkommen.
Die Freude weicht alsbald herber Ernüchterung. Der erste, immerhin fast fünfhundert Mark teure Teil ist schlicht überflüssig. Vor dem Regal der RE und mit dem seit zwanzig Jahren vorliegenden Register der Nachträge und Supplemente in der Hand findet man jedes Stichwort. Ein separates Gesamtverzeichnis der Lemmata wäre nur zu rechtfertigen, wenn es regelmäßig zusätzliche Informationen und Suchmöglichkeiten böte und zuverlässig wäre. Beides ist nicht der Fall. Vielfach, für die Supplementbände sogar durchweg fehlen die Autorennamen, so daß wissenschaftsgeschichtliche Recherchen mit der CD-ROM auf Sand gebaut sind. Zwar erfährt der Benutzer, daß Friedrich Münzer 3890 Artikel verfaßt hat, einige andere Mitarbeiter sind hingegen unauffindbar. Einmal sind sogar sechzig ganze Spalten ausgelassen worden; diesem Schnitt ist auch der Artikel über den Geschichtsschreiber Sallust zum Opfer gefallen. Ob die Bearbeiter einen schon bei Erscheinen nicht eben befriedigenden Beitrag mit subversivem Schweigen übergehen wollten?
Einige weitere Ortungsversuche auf der CD-ROM lassen eher an Schlamperei glauben; zu diesem Eindruck tragen auch bisweilen verschriebene Autorennamen bei. Auf welchen Benutzerkreis dieser erste Teil zielt, ist nicht klar ersichtlich. Über "Herodotos (7)" etwa wird man belehrt, dies sei ein "Historiker im 5. Jh. v. Chr.". Wer eines solchen Hinweises bedarf, wird mit Felix Jacobys bedeutendem Artikel gewiß nichts anfangen können. Ernsthafte Benutzer erwarten vollständige Angaben der Fundstellen, die aber für die Supplementbände wiederum fehlen. Auch das Erscheinungsjahr des jeweils genannten Bandes muß am Regal oder im Vorspann der Buchausgabe ermittelt werden. Diese und andere absurde Mängel werden durch die recht beliebige Dreingabe von etwa 6500 Verweislinks nicht aufgewogen; sie machen den ersten Teil zu einem reichlich teuren Ärgernis, um stärkere Ausdrücke zu vermeiden.
Der Verlag scheint dies bemerkt zu haben, denn im "Systematischen Sach- und Suchregister" findet sich unter einer veränderten Benutzeroberfläche auch das alphabetische Lemmaregister noch einmal, diesmal mit Sallust, aber immer noch unvollständig bei den Autoren der Artikel. Irreführend ist die Bezeichnung "Sachregister", denn man kann nicht nach Begriffen innerhalb der Artikel suchen. Wer etwa wissen möchte, wo das Wort "Optimaten" oder "optimates" außerhalb des so betitelten Lemmas noch vorkommt oder mit welchen Aristokraten Catilina politisch verbandelt war, hat Pech: Eine solche Suchoption gibt es nicht. Vielmehr wurde jeder Artikel der RE nach Fachgebiet, systematischen Kriterien, Regionen und Jahrhunderten verschlagwortet. So sollen sich etwa alle bekannten Bischöfe aus Nordafrika im dritten und vierten nachchristlichen Jahrhundert oder die Inhaber von Ämtern, die mit Infrastruktur zu tun haben, auflisten lassen. Die Anlage des Suchinstrumentariums, das die Recherchekategorien mit "und" beziehungsweise "oder" verknüpft, erscheint sinnvoll und überlegt, auf einem PC mit gängiger Leistung werden die Resultate ziemlich flott ausgegeben.
Doch schon die erste Stichprobe fällt verheerend aus: In einer Liste der römischen Geschichtsschreiber des zweiten und ersten vorchristlichen Jahrhunderts erscheint ein König des neupersischen Reiches; Marcus Porcius Cato, einer der wichtigsten dieser Geschichtsschreiber, fehlt jedoch ebenso wie zwei weitere einschlägige Autoren. Eine daraufhin unternommene bange Suche nach allen römischen Censoren ergibt 119 Treffer, unter denen Cato aber ebenfalls nicht erscheint, obwohl er diesem Amt überhaupt erst sein sprichwörtliches Profil verliehen hat.
Fazit: Notwendige Einsparungen in öffentlichen und privaten Bibliotheken können und sollten mit diesem "Gesamtregister" beginnen. Eine adäquate Bußleistung des Verlags für seinen Mißgriff wäre eine Ausgabe der gesamten RE auf CD-ROM zu einem vernünftigen Preis.
UWE WALTER
"Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft". Gesamtregister I: Alphabetischer Teil. Bearbeitet von Tobias Erler u. a. VIII, 1158 S., geb., inkl. 1 CD-ROM, 498,- DM. Gesamtregister II: Systematisches Sach- und Suchregister. Bearbeitet von Christa Frateantonio u. a. J. B. Metzler, Stuttgart 1997/2000, CD-ROM, 980,- DM (bei Bezug auch des ersten Teils 780,- DM).
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