Produktdetails
- Kookbooks, Reihe Lyrik 26
- Verlag: Kookbooks
- Seitenzahl: 64
- Erscheinungstermin: 26. Juli 2012
- Deutsch, Englisch
- Abmessung: 220mm x 131mm
- Gewicht: 139g
- ISBN-13: 9783937445519
- ISBN-10: 393744551X
- Artikelnr.: 35899733
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.09.2012KURZKRITIK
Marmorjubel
Gerhard Falkner siegt mit
seinen „Pergamon Poems“
Die „Pergamon Poems“, jene multimediale Gedichtinszenierung von Gerhard Falkner und Constantin Lieb fürs Berliner Pergamonmuseum (SZ vom 7. April), haben inzwischen ihre Kino-Tauglichkeit bewiesen. Auf den größten Berliner Leinwänden liefen sie, um für die Staatlichen Museen zu werben, und sie haben sich zwischen Filmtrailern und „Spreequell“-Spots sieghaft behauptet – was erwartet man auch anderes von griechischen Göttern und Helden im ältesten und jüngsten Medium der Menschheit, der Stimme und dem Videokanal? Pindar trat schließlich auch bei den Olympischen Spielen auf.
So nah wie Gerhard Falkner ist dem titanischen Geist der altgriechischen Dichtung schon lange kein deutscher Autor mehr gekommen. Inzwischen gibt es seinen rhetorischen Marmorjubel auch als Publikation, als Druck mit beigefügter DVD, sogar in zwei Sprachen – Deutsch und Englisch –, dem hellenistischen Geist von Weltzivilisation genügend, durch den die Lyrik beweist: Wenn Finanzströme um den Erdball kreisen, dann müssen Verse das auch können. Und, um das Glück voll zu machen: Falkner hat seinen Zyklus beträchtlich erweitert. Er lotet den hellenisch-deutschen Sprachraum noch tiefer aus, beispielsweise mit einem Hymnus, der an den Goetheschen „Prometheus“ anknüpft: „Du bist/ ein müder Abglanz nur von dem, was hier begann/ nur die verwischte Spur, in der der Mensch sich/ aufgerichtet, um zu schauen, ob oben etwas größer ist/ das größer ist als er, ein Anhaltspunkt, ein roter/ Faden, der ihn sinnvoll macht, doch diesmal nicht/ als Sonne, Donner, Schicksal oder Tier . . . als Gott/ der keine Disteln köpft und keinen Wolkendunst/ vor seinen Himmel schiebt . . . “. Ganz nebenbei erhält man mit diesem Heft die wichtigste Antwort auf die Frage, was Europa bedeutet.
GUSTAV SEIBT
Gerhard Falkner: Pergamon Poems. Gedichte. Ins Englische übertragen von Mark Anderson. Mit einer DVD von Constantin Lieb. Kookbooks Verlag, Berlin 2012. 60 Seiten, 19,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Marmorjubel
Gerhard Falkner siegt mit
seinen „Pergamon Poems“
Die „Pergamon Poems“, jene multimediale Gedichtinszenierung von Gerhard Falkner und Constantin Lieb fürs Berliner Pergamonmuseum (SZ vom 7. April), haben inzwischen ihre Kino-Tauglichkeit bewiesen. Auf den größten Berliner Leinwänden liefen sie, um für die Staatlichen Museen zu werben, und sie haben sich zwischen Filmtrailern und „Spreequell“-Spots sieghaft behauptet – was erwartet man auch anderes von griechischen Göttern und Helden im ältesten und jüngsten Medium der Menschheit, der Stimme und dem Videokanal? Pindar trat schließlich auch bei den Olympischen Spielen auf.
So nah wie Gerhard Falkner ist dem titanischen Geist der altgriechischen Dichtung schon lange kein deutscher Autor mehr gekommen. Inzwischen gibt es seinen rhetorischen Marmorjubel auch als Publikation, als Druck mit beigefügter DVD, sogar in zwei Sprachen – Deutsch und Englisch –, dem hellenistischen Geist von Weltzivilisation genügend, durch den die Lyrik beweist: Wenn Finanzströme um den Erdball kreisen, dann müssen Verse das auch können. Und, um das Glück voll zu machen: Falkner hat seinen Zyklus beträchtlich erweitert. Er lotet den hellenisch-deutschen Sprachraum noch tiefer aus, beispielsweise mit einem Hymnus, der an den Goetheschen „Prometheus“ anknüpft: „Du bist/ ein müder Abglanz nur von dem, was hier begann/ nur die verwischte Spur, in der der Mensch sich/ aufgerichtet, um zu schauen, ob oben etwas größer ist/ das größer ist als er, ein Anhaltspunkt, ein roter/ Faden, der ihn sinnvoll macht, doch diesmal nicht/ als Sonne, Donner, Schicksal oder Tier . . . als Gott/ der keine Disteln köpft und keinen Wolkendunst/ vor seinen Himmel schiebt . . . “. Ganz nebenbei erhält man mit diesem Heft die wichtigste Antwort auf die Frage, was Europa bedeutet.
GUSTAV SEIBT
Gerhard Falkner: Pergamon Poems. Gedichte. Ins Englische übertragen von Mark Anderson. Mit einer DVD von Constantin Lieb. Kookbooks Verlag, Berlin 2012. 60 Seiten, 19,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2012Wie viele Gigabyte hat dieser Fries?
Vierhundert Verse gegen ein Weltwunder: Gerhard Falkners "Pergamon Poems"
Was kein Werk wird, nennt sich modisch ein Projekt. Ein solches entstand aus dem Auftrag der Staatlichen Museen zu Berlin, eine Reihe von Filmen zur Ausstellung "Pergamon - Panorama der antiken Metropole" zu produzieren. Innerhalb des medialen Konzepts sollten Schauspieler lyrische Texte sprechen. Gerhard Falkner wurde beauftragt, diese zu schreiben. Aber nicht ein Medienmix im Dienst der Museumspropaganda steht zur Debatte, sondern Falkners Gedichte, die jetzt als "Pergamon Poems", mit ihren Übertragungen ins Englische, als schmales Buch vorliegen - ganze vierhundert Verse gegen ein Weltwunder der Kunst. Als erfahrener Lyriker tat Falkner gut daran, aus den Gestaltungen des Pergamon-Altars einige wenige Figuren und Szenen herauszugreifen.
Wenn er von Apollon redet, ist Rilke nicht fern: "doch jeder Teil (der aus sich selber lacht) / bewahrt noch seinen Stolz aufs Ganze". Glücklicher ist Falkner, wenn er Bildnerisches ins Filmische übersetzt. So ist ihm die Artemis-Gruppe "Actionkino", und er lässt Leto dem Stein entsteigen "wie eine Panzerfaust / die Fackel auf den Feind gerichtet". Solch filmende Sprache konkurriert mit der Kamera, die in den fünf Clips der dem Buch beigegebenen DVD über die entsprechenden Partien der Bildwerke fährt. Damit wechseln jeweils fünf Jungschauspieler, die Texte über Asteria, Aphrodite, Artemis, Apollon und Kybele rezitieren, leise, in vibrierender Coolness. All das mag die Emotionen bündeln, aber es schwächt die Gedichte, ihre Kraft, ihre Komplexität. Der einsame Leser kann sich zum Glück an ihre Bildkraft halten. Denn dort liegt ihre Stärke, nicht in ihren Reflexionen. Vor allem deshalb, weil Falkners Haltung der Antike gegenüber zwiespältig ist. Er möchte weder Bildungsphilister sein noch zynischer Pop-Artist und schwankt so zwischen Antikenverehrung und Aktualisierungssucht. Das führt zu einer Rhetorik, die auf Beifall aus ist. So in der zweimal gestellten Frage: "Wie viele Gigabyte hat dieser Fries?"
Dabei ist Falkners Respekt vor der antiken Kunst- und Götterwelt echt und spürbar. Er sieht den säkularisierten Menschen unfähig zu Kunst und Metaphysik: "Das Schöne / (das wir kaum noch kennen) / denn uns erreichen vom Himmel allenfalls / heruntergeladene Klingeltöne." Nur wird diese Zivilisationskritik ohne Verve vorgetragen - als Bedauern, dass der Zeitgenosse sein Leben im "Lustigen" verpuffen lässt. Man hätte sich von Falkners "Pergamon Poems" mehr Feuer gewünscht. Mehr riskante Schönheit.
HARALD HARTUNG
Gerhard Falkner: "Pergamon Poems". Gedichte.
Aus dem Englischen von Mark Anderson. Verlag Kookbooks, Idstein, Berlin 2012. 64 S., br., DVD, 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vierhundert Verse gegen ein Weltwunder: Gerhard Falkners "Pergamon Poems"
Was kein Werk wird, nennt sich modisch ein Projekt. Ein solches entstand aus dem Auftrag der Staatlichen Museen zu Berlin, eine Reihe von Filmen zur Ausstellung "Pergamon - Panorama der antiken Metropole" zu produzieren. Innerhalb des medialen Konzepts sollten Schauspieler lyrische Texte sprechen. Gerhard Falkner wurde beauftragt, diese zu schreiben. Aber nicht ein Medienmix im Dienst der Museumspropaganda steht zur Debatte, sondern Falkners Gedichte, die jetzt als "Pergamon Poems", mit ihren Übertragungen ins Englische, als schmales Buch vorliegen - ganze vierhundert Verse gegen ein Weltwunder der Kunst. Als erfahrener Lyriker tat Falkner gut daran, aus den Gestaltungen des Pergamon-Altars einige wenige Figuren und Szenen herauszugreifen.
Wenn er von Apollon redet, ist Rilke nicht fern: "doch jeder Teil (der aus sich selber lacht) / bewahrt noch seinen Stolz aufs Ganze". Glücklicher ist Falkner, wenn er Bildnerisches ins Filmische übersetzt. So ist ihm die Artemis-Gruppe "Actionkino", und er lässt Leto dem Stein entsteigen "wie eine Panzerfaust / die Fackel auf den Feind gerichtet". Solch filmende Sprache konkurriert mit der Kamera, die in den fünf Clips der dem Buch beigegebenen DVD über die entsprechenden Partien der Bildwerke fährt. Damit wechseln jeweils fünf Jungschauspieler, die Texte über Asteria, Aphrodite, Artemis, Apollon und Kybele rezitieren, leise, in vibrierender Coolness. All das mag die Emotionen bündeln, aber es schwächt die Gedichte, ihre Kraft, ihre Komplexität. Der einsame Leser kann sich zum Glück an ihre Bildkraft halten. Denn dort liegt ihre Stärke, nicht in ihren Reflexionen. Vor allem deshalb, weil Falkners Haltung der Antike gegenüber zwiespältig ist. Er möchte weder Bildungsphilister sein noch zynischer Pop-Artist und schwankt so zwischen Antikenverehrung und Aktualisierungssucht. Das führt zu einer Rhetorik, die auf Beifall aus ist. So in der zweimal gestellten Frage: "Wie viele Gigabyte hat dieser Fries?"
Dabei ist Falkners Respekt vor der antiken Kunst- und Götterwelt echt und spürbar. Er sieht den säkularisierten Menschen unfähig zu Kunst und Metaphysik: "Das Schöne / (das wir kaum noch kennen) / denn uns erreichen vom Himmel allenfalls / heruntergeladene Klingeltöne." Nur wird diese Zivilisationskritik ohne Verve vorgetragen - als Bedauern, dass der Zeitgenosse sein Leben im "Lustigen" verpuffen lässt. Man hätte sich von Falkners "Pergamon Poems" mehr Feuer gewünscht. Mehr riskante Schönheit.
HARALD HARTUNG
Gerhard Falkner: "Pergamon Poems". Gedichte.
Aus dem Englischen von Mark Anderson. Verlag Kookbooks, Idstein, Berlin 2012. 64 S., br., DVD, 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Wenn schon, dann mehr Feuer, bitte, scheint Harald Hartung dem Dichter zuzurufen, der hier, etwas lahm laut Hartung, Zivilisationskritik übt, indem er seinen Respekt gegenüber der antiken Götterwelt in Verse fasst. Als Teil einer Auftragsarbeit für die Staatlichen Museen Berlin bedichtet Gerhard Falkner in diesem Band den Pergamon-Altar, ruft Apollon und Artemis an. Für Hartung klingt das mitunter zu sehr nach Rilke, dann wieder sehr filmisch, wenn der Autor Artemis auf Actionkino reimt. Letzteres gefällt Hartung schon besser, wenn der Autor damit für ihn auch deutlich auf die beigefügte DVD anspielt, die die jeweiligen Bildpartien zeigt. Am besten gefallen Hartung die Texte ohnehin ganz pur, reduziert auf ihre Bildkraft.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH