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An einem Spätsommertag verstirbt die Mutter des Erzählers, die 1944 als Jüdin nach Auschwitz deportiert, aber auf Grund ihrer ausgesuchten Schönheit vom berüchtigten Lagerarzt Josef Mengele vom Tod in den Gaskammern verschont wurde. Das Trauma dieser Erlebnisse wird sie aber ein Leben lang nicht mehr verlassen. Und erst nach ihrem Tod beginnt der erzählende Sohn eine Suche nach Wahrheiten, eigenen Wertvorstellungen, bricht es mit seinen inspirierenden Erlebnissen der deutschen romantischen Dichtung und fragt, wie kann auf diesem Bodensatz das Barbarische und Menschenverachtende überhaupt…mehr

Produktbeschreibung
An einem Spätsommertag verstirbt die Mutter des Erzählers, die 1944 als Jüdin nach Auschwitz deportiert, aber auf Grund ihrer ausgesuchten Schönheit vom berüchtigten Lagerarzt Josef Mengele vom Tod in den Gaskammern verschont wurde. Das Trauma dieser Erlebnisse wird sie aber ein Leben lang nicht mehr verlassen. Und erst nach ihrem Tod beginnt der erzählende Sohn eine Suche nach Wahrheiten, eigenen Wertvorstellungen, bricht es mit seinen inspirierenden Erlebnissen der deutschen romantischen Dichtung und fragt, wie kann auf diesem Bodensatz das Barbarische und Menschenverachtende überhaupt entstehen. Frei nach Novalis' Satz "Der Tod ist Endigung und Anfang zugleich, Scheidung und nähere Selbstverbindung" begibt der Erzähler sich auf eine Reise der Selbsterforschung und schenkt damit seiner Mutter ein Memorial.Der Autor erhielt für dieses Buch im Jahr der französischen Erstausgabe den prix Goncourt du premier roman 2007. Im Jahr 2015 gründete er den Verlag Poesis, der dem Credo folgt: poetisch die Welt zu bewohnen. Ein Ausdruck, der der Hölderlinschen Dichtung entlehnt ist.
Autorenporträt
Frédéric Brun, geboren 1960 in Paris, eröffnete mit Perla eine eindrucksvolle Familien-Trilogie. Weitere Werke: Der Roman über Jean, Ein Gebet für Nacha und Novalis und die poetische Seele der Welt.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Niklas Bender hält Frederic Bruns Text für eine vertane Chance. Die Geschichte vom Schicksal der Mutter und ihren Erfahrungen als KZ-Häftling in Auschwitz, die der Erzähler im Buch zu rekonstruieren versucht, scheint Bender vielversprechend. Leider verbindet der Autor sie laut Rezensent allzu leichtfertig mit schiefen Bildern und falschen Aussagen über die deutsche Romantik und ihr Echo im NS-Regime, über Hölderlin und Rassismus. Ein weiteres Thema im Buch, die Vaterschaft des Erzählers, scheint Bender ebenso unmotiviert inmitten des Rests zu stehen wie es "literarisch unfruchtbar" bleibt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.08.2020

Ein Frédéric im Banne von Friedrichen
"Perla" führt Frédéric Bruns Reigen autofiktionaler Bücher fort: Das Resultat ist allerdings ambivalent

Perla" von Frédéric Brun ist der mit dem Prix Goncourt du premier roman ausgezeichnete Auftakt einer Trilogie, die in Frankreich von 2007 an erschienen ist: Während der erste Band das Schicksal der Mutter behandelt, widmen sich die folgenden beiden Vater und Tante. Angesichts der Kürze und des biographischen Gehalts überrascht das Etikett "Roman". Tatsächlich ist die Gattungsfrage ungeklärt: "Um offen zu reden, weiß auch ich nicht genau, was ich schreibe. Es ist kein Roman, kein Tagebuch, keine Autofiktion. Was ist es aber dann?"

Fest steht, dass ihr Sohn sich nach Perlas Tod Fragen zu ihrem Leben stellt, besonders zum prägenden Ereignis: Am 31. Juli 1944 wurde sie als junge Frau nach Auschwitz deportiert, überlebte das Lager, kämpfte aber zeitlebens mit Depressionen. Der Erzähler versucht, die Monate in Auschwitz zu rekonstruieren, fügt Fotos bei, die seine Mutter später gemacht hat. Rare Informationsstücke werden verbunden mit Überlegungen zur eigenen Situation: Die Trauerarbeit wird einerseits durch den Tod des Vaters André vertieft, andererseits durch die Schwangerschaft der Lebensgefährtin des Erzählers und die Geburt des gemeinsamen Sohnes relativiert.

Drittes Element sind Reflexionen zu Literatur und Malerei der deutschen Romantik. Der 1960 geborene Brun hat ein Faible dafür: "Vier Friedriche begleiten mich für immer. Schlegel, Novalis, Hölderlin und Caspar David." Der Autor stellt Überlegungen zum Bildungsroman an, zu Szenen auf Friedrichs Gemälden, zur Verbindung zwischen Büchern, Bäumen und Julien, dessen Werden er dokumentiert. Die Überlegungen zur Romantik bieten kaum Erhellendes. Nach drei einleitenden Sätzen etwa schreibt er zu Friedrichs "Zwei Männer am Meer": "Zeit und Wolken scheinen still zu stehen. Offensichtlich möchten sie die Realität der Welt überwinden und mit ihren visionären Seelen das Sein durchdringen." Der Hechtsprung ins Meer des Seins: Er verlangt nach Erläuterungen, die Brun nicht für nötig hält.

Heikel wird diese argumentative Köpper-Methode, als die Rede auf die Verbindung zwischen deutscher Barbarei und deutscher Hochkultur kommt: "Wie ist es möglich, dass Novalis, die deutschen Dichter und die Hitlergeneräle den gleichen Stammbaum haben? Die germanische Seele verweist uns auf die Natur, auf die Unendlichkeit, auf eine reine Rasse, auf göttliche Wesen mit blonden Haaren und blauen Augen, auf halbnackte Elfen auf der Suche nach einem Ideal, einem Absoluten." Ungern möchte man schulmeistern, gerade bei so einem heiklen Thema, gerade als deutscher Rezensent, gerade gegenüber dem Sohn einer Überlebenden, der die deutsche Kultur liebt. Aber die zwei Sätze sagen viel Falsches und alles Übrige nicht richtig. Der "Stammbaum" von Novalis und Hitlergenerälen ist ein schiefes Bild; die Rede von der "germanischen Seele" ist obsolete Völkerpsychologie; Unendlichkeitssuche, Rassenwahn und halbnackte Elfen sowohl in der Romantik als auch in der NS-Ideologie - Unfug (woher hat Brun überhaupt halbnackte Elfen?).

Natürlich hat das nationalistische Erbe der Romantik fatale Folgen gezeitigt, aber bis zur nationalsozialistischen Vernichtungspolitik sind - abermals - Zwischenschritte zu bestimmen, besonders der biologistische Rassismus im späten neunzehnten Jahrhundert; mit falschem Sportsgeist setzt Brun darüber hinweg. Das belegen die vermurksten Zeilen zu Hölderlin: "Vom Hellenischen, das sich Hyperion erträumte, bis zum großen Germanien, wo der Mensch in perfekter Harmonie mit der Landschaft, dem Volk und Gott lebt, ist es nur ein Schritt." Ausgerechnet Hölderlin, der 1792 für "die Franzosen, die Verfechter der menschlichen Rechte", Gebete einwarb!

Schließlich sei Brun das Vaterglück gegönnt. Leider ist es literarisch unfruchtbar: "Die Vögel steigen auf wie wunderbare Worte. Wenn ich aufhöre zu schreiben, lege ich meine Hand auf Manons hübsch gerundeten Bauch. Seit einigen Monaten erwarten wir ein Kind. Ich spüre das ganze All auf meiner Handfläche." Die Worte stolpern mehr, als dass sie fliegen, verheddern sich zu flauschiger Anne-Geddes-Prosa, zu der unreflektierte Romantik heutzutage zwangsläufig verkommt.

Was bleibt? Perlas erschütterndes Schicksal, von dem man in den berichtenden und kontextualisierenden Passagen immer wieder erfährt, sowie Andeutungen davon, wie das Schweigen der Überlebenden die Folgegeneration geprägt hat. Darüber hätte Frédéric Brun mehr erzählen können: Oft hat er sich leider für das Rasche, Allgemeine, Evidente entschieden, statt über das Konkrete aufschlussreich, persönlich und literarisch zu schreiben.

NIKLAS BENDER

Frédéric Brun: "Perla". Roman.

Aus dem Französischen von Christine Cavalli. Faber & Faber, Leipzig 2020. 122 S., 15 Abb., geb., 20,- [Euro].

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