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Martin Saunders, amerikanischer Kunsthistoriker in Berlin, lernt durch Zufall David Perlensamt kennen einen eigenartig anziehenden, geheimnisvollen Menschen. Wenige Tage nach dieser Begegnung geschieht in Perlensamts Villa in der Fasanenstraße ein Mord. Fast zur selben Zeit wird dem Auktionshaus, für das Saunders arbeitet, ein Courbet angeboten. Exakt das Bild, das Saunders in der Wohnung Perlensamts gesehen hat... Perlensamt ist ein Kriminal- und Gesellschaftsroman, der auf das große Thema Raub- und Beutekunst aufblättert auf den Spuren bedeutender Werke und ihrer Sammler zwischen Berlin, Paris, New York.…mehr

Produktbeschreibung
Martin Saunders, amerikanischer Kunsthistoriker in Berlin, lernt durch Zufall David Perlensamt kennen einen eigenartig anziehenden, geheimnisvollen Menschen. Wenige Tage nach dieser Begegnung geschieht in Perlensamts Villa in der Fasanenstraße ein Mord. Fast zur selben Zeit wird dem Auktionshaus, für das Saunders arbeitet, ein Courbet angeboten. Exakt das Bild, das Saunders in der Wohnung Perlensamts gesehen hat... Perlensamt ist ein Kriminal- und Gesellschaftsroman, der auf das große Thema Raub- und Beutekunst aufblättert auf den Spuren bedeutender Werke und ihrer Sammler zwischen Berlin, Paris, New York.
Autorenporträt
Barbara Bongartz, 1957 in Köln geboren. Studium der Theater- und Filmwissenschaften, Kunstgeschichte und Philosophie in Paris, München, Köln. Lebt seit 1996 in Düsseldorf und New York.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.10.2009

Der Fluch der Petersburger Hängung

Auch Provenienzforscher sind nicht immer Herren ihrer eigenen Geschichte: Ein raffinierter Roman über Raubkunst von Barbara Bongartz.

Von Rose-Maria Gropp

Ein Name wie Seide - David Perlensamt. In ihm schwingt viel Unausgesprochenes an Mutmaßungen mit, zumal wenn ihn ein anziehender, exzentrischer Mann trägt, der vor ein paar Jahren in Berlin-Charlottenburg in der Fasanenstraße ein Haus bewohnt, das von einem jüdischen Bankier erbaut wurde. Martin Saunders rekonstruiert die Geschichte von David Perlensamt, genauer: die Geschichte zwingt sich ihm auf, er kann nicht von ihr lassen. Aber es gibt nicht die eine Geschichte Perlensamts, so wenig wie der Ich-Erzähler Saunders seine eigene Biographie für sich selbst hat, auch sie wandelt sich ihm unter der Hand zum Fatum. Er ist Provenienzforscher, hat eine deutsche Mutter, seinen leiblichen Vater aber hat er nie gekannt. Nun bringt ihn sein Beruf ins Berlin nach dem Mauerfall.

Dass niemandem seine Geschichte gehört, lautet das Credo von Barbara Bongartz. Sie hat es, als autobiographische Phantasie, bereits in "Der Tote von Passy" (2007) durchgespielt, der manischen Suche einer adoptierten Tochter nach ihren elterlichen Erzeugern; in der Personnage dort sind schon die Fährten zu "Perlensamt" ausgelegt.

Martin Saunders arbeitet, als er Perlensamt begegnet, in der Berliner Dependance eines amerikanischen Auktionshauses als Experte für Juwelen. Saunders, selbst mit der Wunde einer ungeklärten Herkunft versehrt, ist zunächst glücklich, weil er sich weitgehend abgekoppelt wähnt von heiklen Fragen nach Raub und Beute, nach Opfern und Tätern. Das Thema der nationalsozialistischen Raubkunst ersteht aber in Berlin vor ihm in Gestalt seiner reizvollen Kollegin Mona, die ihn um Hilfe bei einer Recherche bittet.

Auch Mona verfügt nicht über eine Ahnenreihe, wie sie in der Welt des Kunstmarkts - bei den Akteuren wie bei den Objekten - so viel zählt. Sie kommt irgendwo aus dem Ruhrpott und hat sich durch Willen und Intelligenz selbst erschaffen. Saunders erinnert ihr Aussehen an die sprühende Feinheit einer gotischen Plastik oder an die manieristische Beauté eines Porträts von Bronzino. Er könnte Mona begehren, legte er sich nur selbst Rechenschaft über seine geschlechtliche Präferenz ab. Stattdessen gerät er zwischen Mona und Perlensamt, als dieser ihn nach einer ersten Begegnung auffordert wiederzukommen: "Ich fühlte mich ein wenig unbehaglich, ohne zu wissen, warum. Perlensamt war das, was man schön nennt. Das ist bei Männern noch faszinierender als bei Frauen, finde ich. Und verwirrender."

Was Barbara Bongartz gleichzeitig auf mehreren ineinander verschränkten Ebenen verhandelt, ist die prekäre Balance zwischen einfühlender Wahlverwandtschaft einerseits und Anverwandlung von fremder Identität, der Opfer oder - obszöner beinah noch - der Täter, andererseits. Es ist Mona, die das ausspricht: "Der wahre Familienroman handelt von Wahlverwandten. So werden Nazis zu Juden und Juden zu Nazis und Enkel zu Tätern und Täter zu Opfern und ganz gewöhnliche Leute zu Aristokraten. Durch Betroffenheit, nie gehört?" Eine bittere Frivolität schwingt in Monas Suada mit, in ihr liegt der Schlüssel zur Lösung auch von Perlensamts Geheimnis. Und längst stehen die Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten geraubt wurden und deren Provenienzen zu überprüfen sind, nicht mehr für sich, sondern sind Zeugnisse für das Schicksal ihrer Eigentümer. Die ungeklärte Herkunft einer Version von Gustave Courbets "La Vague" wird zum Anlass von Nachforschungen, bei denen die Filiationen eines unerhörten Vergehens ans Licht kommen. Barbara Bongartz dringt in die Sphäre der Raubkunst so weit ein, dass dieser Roman darin durchaus der Realität des Kunstgeschäfts nahekommt.

Als Martin Saunders zum ersten Mal Perlensamts Wohnung betritt, reihen sich an den Wänden Gemälde des neunzehnten Jahrhunderts in Petersburger Hängung, Bilder darunter, deren Verbleib als unbekannt gilt. David Perlensamt ordnet auf Saunders' Fragen hin diese Sammlung vage seinem Vater zu, lässt ihr problematisches Zustandekommen durchklingen, seine eigene Distanz dazu. Bei einem späteren Besuch, anlässlich einer Party bei Perlensamt, ist alle Kunst aus den Räumen verschwunden. Perlensamt geriert sich gleich einem Chamäleon, ein Verführer auch für Saunders, der seltsam getrieben beginnt, Schicht für Schicht dieser Person abzutragen, bis er hinter der Maskerade den Familienroman eines gefährlichen Neurotikers freilegt. Als Perlensamt seinen wirklichen Namen David Paul Viktor Abetz preisgibt, identifiziert er sich als Enkel und Erbe der Kunstsammlung von Otto Abetz, Ribbentrops Mann im von den Nationalsozialisten besetzten Paris: "Unser Familienname ist Abetz. Mein Großvater war Hitlers Botschafter in Paris." Aber auch das ist noch nicht der Kern einer gedoppelten Bastardstruktur.

Barbara Bongartz erzählt in raffinierter Tektonik und außerordentlich spannend. Im Gewand eines Kriminalromans scheut sie auch vor Elementen der Kolportage nicht zurück, ja macht sie zum Stilmittel; denn die Wahrheit hält sich oft nicht an die Spielregeln der Wirklichkeit. Fiktion vermischt sich mit Fakten in einem schwindelerregenden Hazard, so viele Stränge sind über Zeit und Raum ineinander verflochten. Am Anfang und am Ende, im Prolog und im Epilog, steht eine schreckliche Wolke über New York, deren Deutung offenbleibt. Aber alle Selbstgewissheit liegt ohnehin in Trümmern.

Barbara Bongartz: "Perlensamt". Roman. Weissbooks Verlag, Frankfurt am Main 2009. 319 S., geb., 19,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ein spektakulärer Verriss. Kein gutes Haar lässt Rezensent Thomas Steinfeld an diesem Roman, der seiner Ansicht nach so missraten ist ("das schlechteste Buch der Saison"), dass er in aller Ausführlichkeit vernichtet gehört - schon gar, weil Kollegen im Feuilleton die Sache auch noch anders sehen. Die Handlung, die sich um eine Raubkunstgeschichte dreht, findet Steinfeld zwar hanebüchen und unplausibel genug, den größten Teil seiner Kritik widmet er allerdings der eingehenden Sprachkritik. Ein Satz wie: "Ein Haus mit Kamin ist für Ereignisse begabt" scheint ihm ganz und gar exemplarisch, in seinem "Ehrgeiz" nämlich zur sprachlichen Preziose, der freilich immer wieder nur zu katastrophalen, nicht zuletzt unfreiwillig komischen Ergebnissen führe. Oder, mit einem anderen Wort, zu nichts weiter als überambitioniertem "Kitsch".

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