1982: il pleut des bombes irakiennes à Téhéran et Marjane a douze ans. A peu près l'age des gamins, ceux de la femme de ménage s'entend, qui seront envoyés sur les champs de bataille munis d'une clé en plastique censée leur ouvrir les portes du paradis. Après avoir fait connaissance avec la révolution et ses corollaires terrifiants, Marjane découvre la guerre à sa fenetre et apprend à faire la différence entre un Mig et un F14. C'est la guerre. Alors, comme dans toutes les guerres, on tâche de ne pas se laisser abattre: on s'aime, on boit, on se déchire, on s'entraide, on se méfie des voisins et on attend la fin. On grandit aussi un peu plus vite car on vit plus intensément, et la vie de suivre ou non son cours, Inch'Allah ou au petit bonheur la chance. A douze ans, on voit grand, et Marjane n'est pas du genre à s'en laisser compter. Ses parents non plus, qui prendront le risque de lui rapporter de Turquie des posters d'Iron Maiden et de Kim Wilde ou d'organiser des fetes interdites. Au fil des chapitres de sa vie, on assiste à la transformation d'une petite fille ordinaire en femme de chair et d'assaut, qui forgera son caractère dans l'acier trempé de l'insoumission et de la rage d'exister.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.03.2011Süddeutsche Zeitung Bibliothek
Graphic Novels Band 2
Unkeusche
Bewegungen
„Persepolis“ von
Marjane Satrapi
Da hasten Verfolger mit Käppi und Schlagstock die Treppe hinauf. Einem Mann hinterher, der über die Dächer flieht, von Haus zu Haus springt, bis er fällt, fast meint man, ihn nach dem Mond greifen zu sehen, bevor er stürzt. Dieser Albtraum – ein Freund wird von Polizisten zu Tode gehetzt, weil er verbotenerweise zusammen mit Frauen auf einer Party war – wird von Marjane Satrapi als Abfolge von Scherenschnitten gezeichnet. Das rennende, ins Leere springende Männchen ist winzig und ohne Individualität, wie bei einem Piktogramm. Auf dem letzten Bild ist nur der Mond über dem Schacht zwischen zwei Häusern zu sehen. Und in diesem leeren, fast schon abstrakten Bild können sich Entsetzen und Sprachlosigkeit ausbreiten. Die Annäherung an etwas so Ungeheuerliches funktioniert nur aus der Distanz.
Art Spiegelman hatte es vorgemacht in seinem Holocaust-Comic „Maus“, wie man vom Unbeschreiblichen erzählen kann mit den Mitteln des Comics. Marjane Satrapi hat in „Persepolis“ ihre eigene Kindheit und Jugend im postrevolutionären Iran nach-erfunden, so grimmig komisch, herzergreifend und vor allem für Leser aus dem Westen erhellend, dass ihr 2000 bis 2003 erschienenes Buch ein internationaler Bestseller wurde und die immer noch anhaltende Erfolgsgeschichte der Graphic Novels begründete.
Schlicht, ja beinahe naiv wirken die Schwarz-Weiß-Zeichnungen der 1969 geborenen Exiliranerin, die mittlerweile in Paris lebt. Sie bilden einen reizvollen Kontrast zu den historischen Großereignissen, von denen Satrapi erzählt, Islamische Revolution und Iran-Irak-Krieg, vor allem aber geben sie das Befremden der jungen Marjane wieder, angesichts der Geschehnisse in ihrem Land. Je bizarrer oder grauenvoller es wurde, desto holzschnittartiger hat sie gezeichnet. Und das Ganze mit einem Witz versehen, der befreiend sein kann, aber auch unerbittlich. Dabei trägt der Tugendterror der Revolutionswächter die Satire schon in sich, wenn etwa Kunststudentinnen in der Anatomie-Klasse eine vollverschleierte Frau zeichnen sollen oder der (mittlerweile erwachsenen) Marjane das Rennen auf der Straße von Sittenwächtern verboten wird: „Wenn Sie rennen, macht Ihr Hinterteil Bewegungen . . . nun . . . unkeusche Bewegungen!“ Was Marjane zu dem Ausruf treibt: „Dann glotzt mir doch nicht auf den Arsch!“
Indem Schleierzwang und Märtyrerverehrung in eine Coming-of-age-Geschichte eingebettet werden, macht „Persepolis“ ein Land erlebbar, das als Schurkenstaat galt (und manchen immer noch gilt), dessen Alltag im Westen aber nahezu unbekannt ist. Und Marjane ist eine Heldin nach unserem Geschmack: eigensinnig und rebellisch, auch im europäischen Exil, in das sie 14-jährig geht, weil ihre Eltern um die Sicherheit des aufmüpfigen Mädchens fürchten. In Wien aber hält Marjanes entsetztes Staunen an, und Satrapis Schwarzweißmalerei wird zum Ausdruck einer unauflösbaren Fremdheit, zur Zeichensprache des Exils.
MARTINA KNOBEN
Marjane Satrapi Foto: dpa
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Graphic Novels Band 2
Unkeusche
Bewegungen
„Persepolis“ von
Marjane Satrapi
Da hasten Verfolger mit Käppi und Schlagstock die Treppe hinauf. Einem Mann hinterher, der über die Dächer flieht, von Haus zu Haus springt, bis er fällt, fast meint man, ihn nach dem Mond greifen zu sehen, bevor er stürzt. Dieser Albtraum – ein Freund wird von Polizisten zu Tode gehetzt, weil er verbotenerweise zusammen mit Frauen auf einer Party war – wird von Marjane Satrapi als Abfolge von Scherenschnitten gezeichnet. Das rennende, ins Leere springende Männchen ist winzig und ohne Individualität, wie bei einem Piktogramm. Auf dem letzten Bild ist nur der Mond über dem Schacht zwischen zwei Häusern zu sehen. Und in diesem leeren, fast schon abstrakten Bild können sich Entsetzen und Sprachlosigkeit ausbreiten. Die Annäherung an etwas so Ungeheuerliches funktioniert nur aus der Distanz.
Art Spiegelman hatte es vorgemacht in seinem Holocaust-Comic „Maus“, wie man vom Unbeschreiblichen erzählen kann mit den Mitteln des Comics. Marjane Satrapi hat in „Persepolis“ ihre eigene Kindheit und Jugend im postrevolutionären Iran nach-erfunden, so grimmig komisch, herzergreifend und vor allem für Leser aus dem Westen erhellend, dass ihr 2000 bis 2003 erschienenes Buch ein internationaler Bestseller wurde und die immer noch anhaltende Erfolgsgeschichte der Graphic Novels begründete.
Schlicht, ja beinahe naiv wirken die Schwarz-Weiß-Zeichnungen der 1969 geborenen Exiliranerin, die mittlerweile in Paris lebt. Sie bilden einen reizvollen Kontrast zu den historischen Großereignissen, von denen Satrapi erzählt, Islamische Revolution und Iran-Irak-Krieg, vor allem aber geben sie das Befremden der jungen Marjane wieder, angesichts der Geschehnisse in ihrem Land. Je bizarrer oder grauenvoller es wurde, desto holzschnittartiger hat sie gezeichnet. Und das Ganze mit einem Witz versehen, der befreiend sein kann, aber auch unerbittlich. Dabei trägt der Tugendterror der Revolutionswächter die Satire schon in sich, wenn etwa Kunststudentinnen in der Anatomie-Klasse eine vollverschleierte Frau zeichnen sollen oder der (mittlerweile erwachsenen) Marjane das Rennen auf der Straße von Sittenwächtern verboten wird: „Wenn Sie rennen, macht Ihr Hinterteil Bewegungen . . . nun . . . unkeusche Bewegungen!“ Was Marjane zu dem Ausruf treibt: „Dann glotzt mir doch nicht auf den Arsch!“
Indem Schleierzwang und Märtyrerverehrung in eine Coming-of-age-Geschichte eingebettet werden, macht „Persepolis“ ein Land erlebbar, das als Schurkenstaat galt (und manchen immer noch gilt), dessen Alltag im Westen aber nahezu unbekannt ist. Und Marjane ist eine Heldin nach unserem Geschmack: eigensinnig und rebellisch, auch im europäischen Exil, in das sie 14-jährig geht, weil ihre Eltern um die Sicherheit des aufmüpfigen Mädchens fürchten. In Wien aber hält Marjanes entsetztes Staunen an, und Satrapis Schwarzweißmalerei wird zum Ausdruck einer unauflösbaren Fremdheit, zur Zeichensprache des Exils.
MARTINA KNOBEN
Marjane Satrapi Foto: dpa
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Politische Comics haben seit Joe Sacco Konjunktur, weiß Christian Gasser. So auch die auf vier Bände angelegten Comics der 32-jährigen Kinderbuchillustratorin Marjane Satrapi. Darin erzählt die in Paris lebende Iranerin ihre Geschichte, berichtet der Rezensent. Aufgewachsen im Iran, schildere Satrapi ihr Leben und das von Familie und Freunden, vor während und nach der Revolution. Dabei vermischt die Autorin, so Gasser, verschiedene Ebenen und Genres und ist darauf aus, die "große Geschichte" ihres Landes anhand der "kleinen", der eigenen zu schildern. Die Illustrationen der ersten beiden Bänden von "Persepolis", angesiedelt in der Zeit der Revolution und des 1. Golfkrieges zwischen Iran und Irak, findet der Rezensent "entwaffnend klar" und humorvoll. Nie sei der Blick von Satrapi bitter, nachtragend oder voller Selbstmitleid. Allerdings vermisst Gasser in den Comics eine höhere Ebene der Reflexion. An vielen Stellen verharre die Autorin im Episodischen. Ihr Erfolg aber - die ersten beiden Bände gingen in Frankreich 20.000 Mal über den Ladentisch, außerdem erhielt Satrapi für jeden Band den "Alph-Art", den wichtigsten Comic-Preis des Landes - zeigt das große Bedürfnis der Leser nach Comics, die mehr bieten als Action und Fantasy, denkt Gasser.
© Perlentaucher Medien GmbH
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