Es geschah vor 2500 Jahren, dass Ost und West Krieg miteinander führten. Im 5. Jahrhundert v. Chr. war eine globale Supermacht fest entschlossen, zwei Staaten Wahrheit und Ordnung zu bringen, die sie für terroristische Schurkenstaaten ansah. Die Supermacht war Persien, dessen Könige das erste Weltreich gegründet hatten. Die terroristischen Staaten waren Athen und Sparta, eigenwillige Städte in einem weit abgelegenen armen und bergigen Land: Griechenland. Die Geschichte, wie die Bürger dieses Landes dem mächtigsten Mann der Welt widerstanden und ihn besiegten, ist eine der beeindruckendsten Episoden der Geschichte.
»Persisches Feuer« gibt nicht nur eine dramatische Darstellung dieser großen Auseinandersetzung, sondern auch ein einzigartiges Gesamtbild von Ost und West. Von den Priestern in Babylon bis zur Geheimpolizei der Spartaner, von den Luxusgärten der Perser bis zu den athenischen Prostituierten, von Darius, dem Mörder und größten politischen Genie des Orients biszu Themistokles, dem Mann, der den Westen rettete, werden alle Akteure in der faszinierenden Erzählung Tom Hollands lebendig.
Der populäre Bestseller aus Großbritannien vom Jungstar der Historikerszene
»Persisches Feuer« gibt nicht nur eine dramatische Darstellung dieser großen Auseinandersetzung, sondern auch ein einzigartiges Gesamtbild von Ost und West. Von den Priestern in Babylon bis zur Geheimpolizei der Spartaner, von den Luxusgärten der Perser bis zu den athenischen Prostituierten, von Darius, dem Mörder und größten politischen Genie des Orients biszu Themistokles, dem Mann, der den Westen rettete, werden alle Akteure in der faszinierenden Erzählung Tom Hollands lebendig.
Der populäre Bestseller aus Großbritannien vom Jungstar der Historikerszene
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.10.2008Schlachtengemälde, ohne Rahmen
Tom Holland eilt im Laufschritt durch alle Perserkriege und verliert sein Ziel aus den Augen / Von Andreas Kilb
Wenn man heute Passanten auf der Straße nach den Achämeniden, den Thermopylen, Plataiai und den hölzernen Mauern des Themistokles fragte, bekäme man wohl nur in den seltensten Fällen die richtige Antwort. Und doch ist der Freiheitskampf der Griechen gegen die Perser ein Schulstoff von alters her. Nur liegt uns die Sache inzwischen offenbar so fern, dass sie wie Kinderspielzeug an der Schwelle zum Erwachsensein weggeworfen wird. Von all den Helden und Schlachten überlebt nur der Name eines Laufwettbewerbs: Marathon.
Schon für den Versuch, die Geschichte der Perserkriege noch einmal zu erzählen, muss man Tom Holland deshalb loben. Aber Holland ist nicht nur mutig, sondern im Augenblick womöglich der beste Mann weit und breit für diese Aufgabe. Vor fünf Jahren hat er mit seinem Caesar-Buch "Rubicon" (auf Deutsch: "Die Würfel sind gefallen") gezeigt, dass er ein Talent dafür besitzt, komplexe historische Sachverhalte auf einfache Formeln zu bringen. Und was wäre komplexer und dabei weltgeschichtlich folgenreicher als die Entscheidungen bei Marathon und Salamis?
Für Tom Holland jedenfalls ist es nur ein Gedankensprung von der Hoplitenphalanx zum World Trade Center: "Hätten die Athener die Schlacht von Marathon verloren und die Vernichtung ihrer Stadt erleiden müssen, dann hätte es keinen Platon gegeben. Und ohne Platon und jenen gewaltigen Schatten, den er auf alle späteren Gotteslehren warf, hätte es wohl kaum einen Islam gegeben, der Usama Bin Ladin inspirieren konnte." Das ist starker Stammtisch-Tobak, doch es kommt noch dicker im Vorwort zu "Persisches Feuer", das unübersehbar mit Blick auf den amerikanischen Buchmarkt geschrieben ist.
Die Invasionsstreitmacht des Xerxes, behauptet Holland, sei "das größte je auf die Beine gestellte Expeditionsheer" und das stärkste, das bisher ins Abendland einmarschiert sei, jedenfalls vor der alliierten Landung in der Normandie - als hätte es die Mongolen, die Araberheere vor Konstantinopel und die Türken vor Wien nie gegeben. Auch "die Kalifen" kriegen ihr Fett weg: Sie hätten mit ihrem Anspruch, die Welt zu beherrschen, nur die Hybris der persischen Großkönige wiederholt, "wenn auch in den frommen Worten eines Muslim". Und natürlich führen auch von hier aus wieder alle Wege zu Usama, dem Xerxes-Epigonen wider Willen.
Wer nach diesem Präludium mit einigem Zögern das erste Kapitel aufschlägt, wird angenehm überrascht: Hollands Posaunenton verstummt, sobald er mit geschichtlicher Luft in Berührung kommt. Wenn sich der Vorhang hebt, sind wir im Zagros-Gebirge, an der alten Völkerstraße, die von Innerasien nach Babylon und in die Ebenen des Zweistromlands führt. Hier treffen die Reiterheere der Meder und Perser aufeinander, und Letztere, unter Führung des Kyros, tragen den Sieg davon und gründen ein Weltreich. Man merkt diesem ersten Teil des Buches an, dass der Autor zur Sache kommen will, denn wofür Herodot dreihundert Seiten brauchte, das bewältigt er in achtzig.
Trotzdem wird alles Wichtige erzählt: die Unterwerfung Lydiens und der Ionier, der Ägyptenzug des Kambyses, die Machtergreifung des Dareios, die neue Reichshauptstadt Persepolis. Auch hält sich Holland mit falschen Aktualisierungen zurück; nur einmal winkt er wieder mit dem Gespenst des Kalifats. Der Elamiterkrieg unter Dareios sei "der erste Heilige Krieg der Weltgeschichte" gewesen, er habe "die Saat des religiösen Fanatismus ausgebracht". Dennoch habe der Großkönig nicht daran gedacht, seinen Glauben mit dem Schwert zu verbreiten - "ein derartiger Gedanke lag dem Zeitgeist völlig fern". Die leere Floskel verrät die Hohlheit der Spekulation. Vom Monotheismus des Zoroaster führt kein Weg zu Mohammed, auch kein heiliger Kriegspfad.
Dann sind die Griechen an der Reihe, zuerst die Spartaner, danach die Athener. Alle übrigen hellenischen Völkerschaften rangieren bei Tom Holland unter "ferner liefen", weshalb er Mühe hat, ihnen später ihren Platz auf dem Schlachtfeld zuzuweisen. Und man merkt rasch, dass unser Autor es mehr mit den Bewohnern Attikas als mit den lakedaimonischen Blutsuppenessern hält, die er mal als "Wolfsrudel", mal als "Rotte von Jägern" verteufelt und deren Doppelkönigtum er für eine bloße Schnurre hält. Ganz anders die Athener: Von Kleisthenes aus dem Sumpf der Klansrivalität geführt und zur Volksherrschaft befreit, bestehen sie bei Marathon auf sich allein gestellt die historische Prüfung.
Es ist die beste, weil massenpsychologisch glaubhafteste der vier Schlachtbeschreibungen dieses Buchs. Man spürt den Angstschweiß unter den Bronzepanzern, als der Befehl zum Angriff ergeht; die wachsende Spannung, als die elftausend Männer unter dem Pfeilhagel der Perser im Laufschritt die Ebene durchqueren; das Krachen und Schreien beim Zusammenprall; schließlich den Rausch des Tötens, als sich die Feinde zur Flucht wenden. Noch in der Stunde seines Triumphs aber muss sich das siegreiche Heer wieder auf den Weg machen, um am selben Abend die Landung der persischen Flotte bei Phaleron zu vereiteln. Nicht bloß der Läufer Pheidippides (oder Philippides, wie ihn Plutarch fünfhundert Jahre später taufte), sondern alle wehrfähigen Athener sind damals die vierzig Kilometer in ihre Stadt zurückgerannt - wahrhaftig der erste Volkslauf in der Geschichte.
So läuft auch Hollands Erzählung weiter: von Athen nach Sardes, wo die griechischen Gesandten das gigantische Invasionsheer des neuen Großkönigs Xerxes betrachten; an die Thermopylen, wo die Spartaner des Leonidas untergehen, und nach Salamis, wo die griechischen Trieren die persische Flotte dezimieren; zuletzt nach Plataiai, wo die Phalanx in einem Gemetzel abermals ihre Überlegenheit über die Perser beweist. Das alles ist flüssig, schmissig (und selten ranschmeißerisch) geschrieben, mit sicherem, an den Klassikern geschultem Gefühl für den Wechsel zwischen dramatischer und reflektierender Schilderung, Ereignis und Kommentar.
Nur fragt man sich, je länger Hollands kleine Weltgeschichte dauert, was eigentlich aus dem Versprechen ihres Titels geworden ist. Denn um die Perser schert sich der Autor am Ende immer weniger. Man erfährt gerade noch, dass Xerxes in seine Residenzstadt Susa zurückkehrt, um sich wichtigeren Dingen zu widmen, während seine geschlagenen Kämpen über den Hellespont nach Kleinasien zurückstolpern. Dabei wäre dies der Punkt gewesen, an dem das griechisch-persische Duell über das Schlachtenmalerische hinaus für uns interessant wird. Für das Weltreich im Osten waren die Griechen nur ein loser Bund von Schurkenstaaten, die an seiner Westgrenze rumorten. Eineinhalb Jahrhunderte später aber machten die Hinterwäldler unter Alexander dem Großen kurzen Prozess mit dem persischen Imperium. Über das Verhältnis von Großkönigtum und Kalifat ist damit nichts gesagt, wohl aber über die kurze Lebensdauer von Reichen, die keine ebenbürtige Macht neben sich dulden. Am Ende lag der Leichnam des letzten Achämeniden an der alten Straße, die Babylon mit Baktrien verband. Griechische Hopliten begruben ihn.
Tom Holland: "Persisches Feuer". Das erste Weltreich und der Kampf um den Westen. Aus dem Englischen von Andreas Wittenburg und Susanne Held. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2008. 463 S., Abb., Karten, geb., 29,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Tom Holland eilt im Laufschritt durch alle Perserkriege und verliert sein Ziel aus den Augen / Von Andreas Kilb
Wenn man heute Passanten auf der Straße nach den Achämeniden, den Thermopylen, Plataiai und den hölzernen Mauern des Themistokles fragte, bekäme man wohl nur in den seltensten Fällen die richtige Antwort. Und doch ist der Freiheitskampf der Griechen gegen die Perser ein Schulstoff von alters her. Nur liegt uns die Sache inzwischen offenbar so fern, dass sie wie Kinderspielzeug an der Schwelle zum Erwachsensein weggeworfen wird. Von all den Helden und Schlachten überlebt nur der Name eines Laufwettbewerbs: Marathon.
Schon für den Versuch, die Geschichte der Perserkriege noch einmal zu erzählen, muss man Tom Holland deshalb loben. Aber Holland ist nicht nur mutig, sondern im Augenblick womöglich der beste Mann weit und breit für diese Aufgabe. Vor fünf Jahren hat er mit seinem Caesar-Buch "Rubicon" (auf Deutsch: "Die Würfel sind gefallen") gezeigt, dass er ein Talent dafür besitzt, komplexe historische Sachverhalte auf einfache Formeln zu bringen. Und was wäre komplexer und dabei weltgeschichtlich folgenreicher als die Entscheidungen bei Marathon und Salamis?
Für Tom Holland jedenfalls ist es nur ein Gedankensprung von der Hoplitenphalanx zum World Trade Center: "Hätten die Athener die Schlacht von Marathon verloren und die Vernichtung ihrer Stadt erleiden müssen, dann hätte es keinen Platon gegeben. Und ohne Platon und jenen gewaltigen Schatten, den er auf alle späteren Gotteslehren warf, hätte es wohl kaum einen Islam gegeben, der Usama Bin Ladin inspirieren konnte." Das ist starker Stammtisch-Tobak, doch es kommt noch dicker im Vorwort zu "Persisches Feuer", das unübersehbar mit Blick auf den amerikanischen Buchmarkt geschrieben ist.
Die Invasionsstreitmacht des Xerxes, behauptet Holland, sei "das größte je auf die Beine gestellte Expeditionsheer" und das stärkste, das bisher ins Abendland einmarschiert sei, jedenfalls vor der alliierten Landung in der Normandie - als hätte es die Mongolen, die Araberheere vor Konstantinopel und die Türken vor Wien nie gegeben. Auch "die Kalifen" kriegen ihr Fett weg: Sie hätten mit ihrem Anspruch, die Welt zu beherrschen, nur die Hybris der persischen Großkönige wiederholt, "wenn auch in den frommen Worten eines Muslim". Und natürlich führen auch von hier aus wieder alle Wege zu Usama, dem Xerxes-Epigonen wider Willen.
Wer nach diesem Präludium mit einigem Zögern das erste Kapitel aufschlägt, wird angenehm überrascht: Hollands Posaunenton verstummt, sobald er mit geschichtlicher Luft in Berührung kommt. Wenn sich der Vorhang hebt, sind wir im Zagros-Gebirge, an der alten Völkerstraße, die von Innerasien nach Babylon und in die Ebenen des Zweistromlands führt. Hier treffen die Reiterheere der Meder und Perser aufeinander, und Letztere, unter Führung des Kyros, tragen den Sieg davon und gründen ein Weltreich. Man merkt diesem ersten Teil des Buches an, dass der Autor zur Sache kommen will, denn wofür Herodot dreihundert Seiten brauchte, das bewältigt er in achtzig.
Trotzdem wird alles Wichtige erzählt: die Unterwerfung Lydiens und der Ionier, der Ägyptenzug des Kambyses, die Machtergreifung des Dareios, die neue Reichshauptstadt Persepolis. Auch hält sich Holland mit falschen Aktualisierungen zurück; nur einmal winkt er wieder mit dem Gespenst des Kalifats. Der Elamiterkrieg unter Dareios sei "der erste Heilige Krieg der Weltgeschichte" gewesen, er habe "die Saat des religiösen Fanatismus ausgebracht". Dennoch habe der Großkönig nicht daran gedacht, seinen Glauben mit dem Schwert zu verbreiten - "ein derartiger Gedanke lag dem Zeitgeist völlig fern". Die leere Floskel verrät die Hohlheit der Spekulation. Vom Monotheismus des Zoroaster führt kein Weg zu Mohammed, auch kein heiliger Kriegspfad.
Dann sind die Griechen an der Reihe, zuerst die Spartaner, danach die Athener. Alle übrigen hellenischen Völkerschaften rangieren bei Tom Holland unter "ferner liefen", weshalb er Mühe hat, ihnen später ihren Platz auf dem Schlachtfeld zuzuweisen. Und man merkt rasch, dass unser Autor es mehr mit den Bewohnern Attikas als mit den lakedaimonischen Blutsuppenessern hält, die er mal als "Wolfsrudel", mal als "Rotte von Jägern" verteufelt und deren Doppelkönigtum er für eine bloße Schnurre hält. Ganz anders die Athener: Von Kleisthenes aus dem Sumpf der Klansrivalität geführt und zur Volksherrschaft befreit, bestehen sie bei Marathon auf sich allein gestellt die historische Prüfung.
Es ist die beste, weil massenpsychologisch glaubhafteste der vier Schlachtbeschreibungen dieses Buchs. Man spürt den Angstschweiß unter den Bronzepanzern, als der Befehl zum Angriff ergeht; die wachsende Spannung, als die elftausend Männer unter dem Pfeilhagel der Perser im Laufschritt die Ebene durchqueren; das Krachen und Schreien beim Zusammenprall; schließlich den Rausch des Tötens, als sich die Feinde zur Flucht wenden. Noch in der Stunde seines Triumphs aber muss sich das siegreiche Heer wieder auf den Weg machen, um am selben Abend die Landung der persischen Flotte bei Phaleron zu vereiteln. Nicht bloß der Läufer Pheidippides (oder Philippides, wie ihn Plutarch fünfhundert Jahre später taufte), sondern alle wehrfähigen Athener sind damals die vierzig Kilometer in ihre Stadt zurückgerannt - wahrhaftig der erste Volkslauf in der Geschichte.
So läuft auch Hollands Erzählung weiter: von Athen nach Sardes, wo die griechischen Gesandten das gigantische Invasionsheer des neuen Großkönigs Xerxes betrachten; an die Thermopylen, wo die Spartaner des Leonidas untergehen, und nach Salamis, wo die griechischen Trieren die persische Flotte dezimieren; zuletzt nach Plataiai, wo die Phalanx in einem Gemetzel abermals ihre Überlegenheit über die Perser beweist. Das alles ist flüssig, schmissig (und selten ranschmeißerisch) geschrieben, mit sicherem, an den Klassikern geschultem Gefühl für den Wechsel zwischen dramatischer und reflektierender Schilderung, Ereignis und Kommentar.
Nur fragt man sich, je länger Hollands kleine Weltgeschichte dauert, was eigentlich aus dem Versprechen ihres Titels geworden ist. Denn um die Perser schert sich der Autor am Ende immer weniger. Man erfährt gerade noch, dass Xerxes in seine Residenzstadt Susa zurückkehrt, um sich wichtigeren Dingen zu widmen, während seine geschlagenen Kämpen über den Hellespont nach Kleinasien zurückstolpern. Dabei wäre dies der Punkt gewesen, an dem das griechisch-persische Duell über das Schlachtenmalerische hinaus für uns interessant wird. Für das Weltreich im Osten waren die Griechen nur ein loser Bund von Schurkenstaaten, die an seiner Westgrenze rumorten. Eineinhalb Jahrhunderte später aber machten die Hinterwäldler unter Alexander dem Großen kurzen Prozess mit dem persischen Imperium. Über das Verhältnis von Großkönigtum und Kalifat ist damit nichts gesagt, wohl aber über die kurze Lebensdauer von Reichen, die keine ebenbürtige Macht neben sich dulden. Am Ende lag der Leichnam des letzten Achämeniden an der alten Straße, die Babylon mit Baktrien verband. Griechische Hopliten begruben ihn.
Tom Holland: "Persisches Feuer". Das erste Weltreich und der Kampf um den Westen. Aus dem Englischen von Andreas Wittenburg und Susanne Held. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2008. 463 S., Abb., Karten, geb., 29,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.11.2008Mission und Irrtum der Athener
West gegen Ost, eine alte Geschichte: Tom Hollands brillante Erzählung über die Perserkriege
„Warum hassen sie uns eigentlich?” Diese Frage durchzieht die Geschichte der Menschheit. Diese Frage ist es auch, mit der der Westen spätestens seit dem 11. September 2001 auf neue Weise ringt. Jahrzehntelang ist der Kommunismus „der Osten” gewesen. Als Widerpart zu ihm hatte sich der Westen definiert. Nun scheint es wieder der Islam zu sein. Der dritte Golfkrieg, der in Europa wachsende Widerstand vor allem gegen muslimische Zuwanderer, der Streit über eine Aufnahme der Türkei in die Europäische Union – all diese Probleme haben gemeinsam mit den Terroranschlägen in New York und Washington, in London und Madrid den Eindruck entstehen lassen, dass ein tiefer Graben den christlichen Westen vom islamischen Osten trennt.
In dieser Trennung sieht Tom Holland auch das beständigste Axiom der Geschichte. Denn die Unterscheidung in Ost und West ist älter als die Kreuzzüge, älter als der Islam und älter als das Christentum. Ihre Ursprünge reichen beinahe 2500 Jahre zurück. Und schon damals wurde die Frage gestellt: „Warum hassen sie uns?” Bei der Suche nach einer Antwort entstand die Historiographie als Forschungsdisziplin. Im Konflikt zwischen Ost und West fand Herodot als erster Historiker der Weltgeschichte im fünften Jahrhundert vor Christus das Thema für sein Lebenswerk.
Das lässt sich auch über Holland sagen. Der britische Historiker hat sich als Autor und Journalist für die BBC ausführlich mit Herodot, Homer, Thukydides und Vergil befasst. Sein Markenzeichen sind dabei Schilderungen, die das Sujet der Geschichtsschreibung in erster Linie als Geschichtserzählung begreifen – in bester angelsächsischer Tradition populärer Sachbuchautoren.
Wer bei Tom Holland neue Forschungserkenntnisse oder den Diskurs bereichernde Interpretationen erwartet, der sollte sein Buch meiden. Wer hingegen auf der Suche nach einer fesselnden Geschichtslektüre für lange Herbst- und Winterabende ist, der sollte sich von Holland mitnehmen lassen zu den Priestern in Babylon, zur Geheimpolizei der Spartaner, in die Luxusgärten der Perser mit ihrem Großkönig Dareios und schließlich zu Themistokles, der die antike Supermacht aus dem Osten in die Schranken wies.
Doch dieses Buch ist nicht allein eine unterhaltsame Geschichtsstunde. Im Gegenteil: Gerade weil das erzählende Element im Vordergrund steht, erscheinen die Lehren, die aus Hollands Schilderungen zu ziehen sind, umso anschaulicher, umso eindringlicher: Auch für Holland ist es nicht erstaunlich, dass die Geschichte der Perserkriege zu einem der Gründungsmythen der europäischen Zivilisation wurde und als Urbild des Triumphes der Freiheit über die Sklaverei und der harten Disziplin der Bürger über den unduldsamen Despotismus gedient hat. Als das Wort „Christentum” in der Folgezeit der Reformation allmählich immer mehr an Glanz verlor, wurden die heroischen Ereignisse von Marathon und Salamis zugleich für viele idealistische Denker zu einem sehr viel konstruktiveren Musterbeispiel der abendländischen Tugenden und Werte, als es die Kreuzzüge waren. Es schien am Ende doch rechtschaffener, sich zu verteidigen als anzugreifen, und besser, für die Freiheit zu kämpfen als im Namen eines religiösen Fanatismus.
Diese Lehre, die vor dem Hintergrund westlicher Interventionen in östlichen Ländern aktueller denn je erscheint, spiegelt sich bei Holland in einer Episode der griechischen Geschichte, die nicht mehr allzu bekannt sein dürfte: Im Winter des Jahres 499 v. Chr. lehnte es Sparta ab, auch nur einen einzigen Hopliten nach Übersee zu entsenden, um den Aufstand der Ionier gegen die Perser zu unterstützen. Dabei unterschätzte der König von Sparta die Herausforderung durch die Perser keineswegs. Kleomenes konnte in den wachsenden Ambitionen des persischen Großkönigs eine Bedrohung für Sparta erkennen, aber nicht für dieses allein oder sogar hauptsächlich für den Stadtstaat. Als Kleomenes zuschaute, wie Aristagoras, der Tyrann von Milet, enttäuscht Sparta wieder verließ, mochte er geahnt haben, welcher Hafen das nächste Ziel des ionischen Bittstellers war. Denn auch die Athener rebellierten gegen die persische Hegemonie.
Wenn Athen dem Hilfeersuchen stattgab und militärische Unterstützung nach Ionien schickte, ging es ein hohes Risiko ein. Verluste waren zu erwarten. Das alles hatten die Athener sehr wohl begriffen. Kluge Köpfe unter den Aristokraten, die vor der weit überlegenen persischen Macht auf der Hut waren und ihre Erfahrungen in Realpolitik hatten, hörten die ionische Kriegstreiberei mit Entsetzen an. Aber sie hatten jetzt nicht mehr das Sagen in der Volksversammlung. Das athenische Volk brannte darauf, mit den Verwandten jenseits des Meeres gemeinsame Sache zu machen. Berauscht von der Aussicht auf reiche Beute stimmte es begeistert dafür, eine Flotte zu entsenden, die sich dem Angriff auf Persien anschließen sollte.
Abgesehen von Eretria, einem Handelshafen auf der Insel Euböa, blieb Athen die einzige Stadt in ganz Griechenland, die dem ionischen Ruf zu den Waffen folgte. Doch veranlasste dieser ernüchternde Umstand die Athener keineswegs, noch einmal darüber nachzudenken. Vielmehr verstärkte sich ihr Gefühl, eine Sonderstellung und eine Mission zu haben. Im Frühjahr 498 v. Chr. stach die erste Angriffsflotte in der Geschichte der Demokratie in See. Nach Wochen sickerten die ersten Nachrichten durch: Die Soldaten der Demokratie hätten einen ruhmreichen Erfolg errungen. Athen habe seine Pflicht getan. Dank seiner heroischen Bemühungen seien die Ionier nun für immer befreit und frei.
War die Mission wirklich erfüllt? Es dauerte nicht lange, bis die Nachrichten aus Ionien immer düsterer wurden: Die Perser hatten sich in Sardes verschanzt. Die Griechen, die nur wenige Truppen mitbrachten und keine Belagerungsmaschinen hatten, waren erbärmlich dabei gescheitert, die gewaltigen Mauern zu stürmen. Sie waren auch nicht in der Lage, während eines großen Brandes in der Unterstadt den Tempel der Kybele zu retten. Entmutigt zogen sie sich zurück. Auf dem Weg zum Meer bemerkten sie Abteilungen der persischen Reiterei, die sie beschatteten. Noch kaum einen Kilometer von ihren Schiffen entfernt wurden sie gezwungen, sich dem Kampf zu stellen.
Als „leicht zu besiegen” hatte die ionische Propaganda die Perser beschrieben. Jetzt bekamen die Athener die Wahrheit zu spüren, als sie unter dem Hagel der persischen Pfeile erlahmten und mit den Staubwolken zu kämpfen hatten, die die unermüdliche Reiterei der Perser aufwirbelte. Die griechische Schlachtreihe begann aufzubrechen. Die überlebenden Athener flohen. Ihre Volksversammlung lehnte fortan jedes weitere Hilfegesuch vom Kriegsschauplatz ab, so verzweifelt die Anfragen auch waren.
Wem diese Abfolge der Ereignisse aus aktuellen Zusammenhängen nicht vertraut erscheint, der sollte nach der Lektüre von Hollands Geschichtsthriller einmal auf die Titelseite seiner Tageszeitung schauen oder die Nachrichten im Fernsehen verfolgen. Vielleicht erkennt er den heutigen Westen im alten wieder. THOMAS SPECKMANN
TOM HOLLAND: Persisches Feuer. Das erste Weltreich und der Kampf um den Westen. Aus dem Englischen von Andreas Wittenburg. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2008. 463 Seiten, 29,90 Euro.
Ein persischer Lanzenkämpfer, Fries am Palast des Dareios in Susa, um 510 vor Christus Foto: Louvre
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
West gegen Ost, eine alte Geschichte: Tom Hollands brillante Erzählung über die Perserkriege
„Warum hassen sie uns eigentlich?” Diese Frage durchzieht die Geschichte der Menschheit. Diese Frage ist es auch, mit der der Westen spätestens seit dem 11. September 2001 auf neue Weise ringt. Jahrzehntelang ist der Kommunismus „der Osten” gewesen. Als Widerpart zu ihm hatte sich der Westen definiert. Nun scheint es wieder der Islam zu sein. Der dritte Golfkrieg, der in Europa wachsende Widerstand vor allem gegen muslimische Zuwanderer, der Streit über eine Aufnahme der Türkei in die Europäische Union – all diese Probleme haben gemeinsam mit den Terroranschlägen in New York und Washington, in London und Madrid den Eindruck entstehen lassen, dass ein tiefer Graben den christlichen Westen vom islamischen Osten trennt.
In dieser Trennung sieht Tom Holland auch das beständigste Axiom der Geschichte. Denn die Unterscheidung in Ost und West ist älter als die Kreuzzüge, älter als der Islam und älter als das Christentum. Ihre Ursprünge reichen beinahe 2500 Jahre zurück. Und schon damals wurde die Frage gestellt: „Warum hassen sie uns?” Bei der Suche nach einer Antwort entstand die Historiographie als Forschungsdisziplin. Im Konflikt zwischen Ost und West fand Herodot als erster Historiker der Weltgeschichte im fünften Jahrhundert vor Christus das Thema für sein Lebenswerk.
Das lässt sich auch über Holland sagen. Der britische Historiker hat sich als Autor und Journalist für die BBC ausführlich mit Herodot, Homer, Thukydides und Vergil befasst. Sein Markenzeichen sind dabei Schilderungen, die das Sujet der Geschichtsschreibung in erster Linie als Geschichtserzählung begreifen – in bester angelsächsischer Tradition populärer Sachbuchautoren.
Wer bei Tom Holland neue Forschungserkenntnisse oder den Diskurs bereichernde Interpretationen erwartet, der sollte sein Buch meiden. Wer hingegen auf der Suche nach einer fesselnden Geschichtslektüre für lange Herbst- und Winterabende ist, der sollte sich von Holland mitnehmen lassen zu den Priestern in Babylon, zur Geheimpolizei der Spartaner, in die Luxusgärten der Perser mit ihrem Großkönig Dareios und schließlich zu Themistokles, der die antike Supermacht aus dem Osten in die Schranken wies.
Doch dieses Buch ist nicht allein eine unterhaltsame Geschichtsstunde. Im Gegenteil: Gerade weil das erzählende Element im Vordergrund steht, erscheinen die Lehren, die aus Hollands Schilderungen zu ziehen sind, umso anschaulicher, umso eindringlicher: Auch für Holland ist es nicht erstaunlich, dass die Geschichte der Perserkriege zu einem der Gründungsmythen der europäischen Zivilisation wurde und als Urbild des Triumphes der Freiheit über die Sklaverei und der harten Disziplin der Bürger über den unduldsamen Despotismus gedient hat. Als das Wort „Christentum” in der Folgezeit der Reformation allmählich immer mehr an Glanz verlor, wurden die heroischen Ereignisse von Marathon und Salamis zugleich für viele idealistische Denker zu einem sehr viel konstruktiveren Musterbeispiel der abendländischen Tugenden und Werte, als es die Kreuzzüge waren. Es schien am Ende doch rechtschaffener, sich zu verteidigen als anzugreifen, und besser, für die Freiheit zu kämpfen als im Namen eines religiösen Fanatismus.
Diese Lehre, die vor dem Hintergrund westlicher Interventionen in östlichen Ländern aktueller denn je erscheint, spiegelt sich bei Holland in einer Episode der griechischen Geschichte, die nicht mehr allzu bekannt sein dürfte: Im Winter des Jahres 499 v. Chr. lehnte es Sparta ab, auch nur einen einzigen Hopliten nach Übersee zu entsenden, um den Aufstand der Ionier gegen die Perser zu unterstützen. Dabei unterschätzte der König von Sparta die Herausforderung durch die Perser keineswegs. Kleomenes konnte in den wachsenden Ambitionen des persischen Großkönigs eine Bedrohung für Sparta erkennen, aber nicht für dieses allein oder sogar hauptsächlich für den Stadtstaat. Als Kleomenes zuschaute, wie Aristagoras, der Tyrann von Milet, enttäuscht Sparta wieder verließ, mochte er geahnt haben, welcher Hafen das nächste Ziel des ionischen Bittstellers war. Denn auch die Athener rebellierten gegen die persische Hegemonie.
Wenn Athen dem Hilfeersuchen stattgab und militärische Unterstützung nach Ionien schickte, ging es ein hohes Risiko ein. Verluste waren zu erwarten. Das alles hatten die Athener sehr wohl begriffen. Kluge Köpfe unter den Aristokraten, die vor der weit überlegenen persischen Macht auf der Hut waren und ihre Erfahrungen in Realpolitik hatten, hörten die ionische Kriegstreiberei mit Entsetzen an. Aber sie hatten jetzt nicht mehr das Sagen in der Volksversammlung. Das athenische Volk brannte darauf, mit den Verwandten jenseits des Meeres gemeinsame Sache zu machen. Berauscht von der Aussicht auf reiche Beute stimmte es begeistert dafür, eine Flotte zu entsenden, die sich dem Angriff auf Persien anschließen sollte.
Abgesehen von Eretria, einem Handelshafen auf der Insel Euböa, blieb Athen die einzige Stadt in ganz Griechenland, die dem ionischen Ruf zu den Waffen folgte. Doch veranlasste dieser ernüchternde Umstand die Athener keineswegs, noch einmal darüber nachzudenken. Vielmehr verstärkte sich ihr Gefühl, eine Sonderstellung und eine Mission zu haben. Im Frühjahr 498 v. Chr. stach die erste Angriffsflotte in der Geschichte der Demokratie in See. Nach Wochen sickerten die ersten Nachrichten durch: Die Soldaten der Demokratie hätten einen ruhmreichen Erfolg errungen. Athen habe seine Pflicht getan. Dank seiner heroischen Bemühungen seien die Ionier nun für immer befreit und frei.
War die Mission wirklich erfüllt? Es dauerte nicht lange, bis die Nachrichten aus Ionien immer düsterer wurden: Die Perser hatten sich in Sardes verschanzt. Die Griechen, die nur wenige Truppen mitbrachten und keine Belagerungsmaschinen hatten, waren erbärmlich dabei gescheitert, die gewaltigen Mauern zu stürmen. Sie waren auch nicht in der Lage, während eines großen Brandes in der Unterstadt den Tempel der Kybele zu retten. Entmutigt zogen sie sich zurück. Auf dem Weg zum Meer bemerkten sie Abteilungen der persischen Reiterei, die sie beschatteten. Noch kaum einen Kilometer von ihren Schiffen entfernt wurden sie gezwungen, sich dem Kampf zu stellen.
Als „leicht zu besiegen” hatte die ionische Propaganda die Perser beschrieben. Jetzt bekamen die Athener die Wahrheit zu spüren, als sie unter dem Hagel der persischen Pfeile erlahmten und mit den Staubwolken zu kämpfen hatten, die die unermüdliche Reiterei der Perser aufwirbelte. Die griechische Schlachtreihe begann aufzubrechen. Die überlebenden Athener flohen. Ihre Volksversammlung lehnte fortan jedes weitere Hilfegesuch vom Kriegsschauplatz ab, so verzweifelt die Anfragen auch waren.
Wem diese Abfolge der Ereignisse aus aktuellen Zusammenhängen nicht vertraut erscheint, der sollte nach der Lektüre von Hollands Geschichtsthriller einmal auf die Titelseite seiner Tageszeitung schauen oder die Nachrichten im Fernsehen verfolgen. Vielleicht erkennt er den heutigen Westen im alten wieder. THOMAS SPECKMANN
TOM HOLLAND: Persisches Feuer. Das erste Weltreich und der Kampf um den Westen. Aus dem Englischen von Andreas Wittenburg. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2008. 463 Seiten, 29,90 Euro.
Ein persischer Lanzenkämpfer, Fries am Palast des Dareios in Susa, um 510 vor Christus Foto: Louvre
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Als "fesselnde Geschichtslektüre für lange Herbst- und Winterabende" in bester angelsächischer Tradition legt Rezensent Thomas Speckmann dieses Buch über die Perserkriege den Lesern ans Herz, das seinen Informationen zufolge den überzeugenden Beweis antritt, dass der Konflikt zwischen Ost und West älter als die Kreuzzüge, der Islam und das Christentum ist. Vielmehr führe es mit dem antiken Historiker Herodot und dessen Beschreibung der Perserkriege von 2500 Jahren den ersten Chronisten dieses Konflikts an. Mit großer Begeisterung hat sich der Rezensent von Tom Hollands perfekt recherchiertem Geschichtsthriller zu den Priestern in Babylon, der Geheimpolizei Spartas, in die Luxusgärten der Perser mit ihrem Großkönig Dareios und schließlich zu Themistokles, mitnehmen lassen, der die antike Supermacht aus dem Osten in die Schranken gewiesen habe. Doch zielt das Buch aus Sicht des Rezensenten nicht allein auf die im Vordergrund erzählte Geschichte, sondern macht für ihn auch überzeugend anschaulich, wie die Geschichte der Perserkriege als "Urbild des Triumphes der Freiheit über die Sklaverei" zu einem der Gründungsmythen der europäischen Zivilisation geworden ist.
© Perlentaucher Medien GmbH
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