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Die philosophische Frage nach der Identität einer Person ist nicht wohlbestimmt. Es handelt sich keineswegs, wie der Gebrauch des Begriffes im Alltag oder auch in der Philosophie nahe legt, um ein einheitliches Phänomen. Vielmehr muss die Identität einer Person als Zusammenspiel von folgenden Fragen analysiert werden:
1. Was macht die Ganzheit einer Person aus?
2. Was muss der Fall sein, damit eine Person gestern mit der Person von heute 'identisch' ist?
3. Was verstehen wir unter Identität im Sinne von Selbstverstehen und Selbstbewusstsein?
Es wird gezeigt, wie sich die beiden
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Produktbeschreibung
Die philosophische Frage nach der Identität einer Person ist nicht wohlbestimmt. Es handelt sich keineswegs, wie der Gebrauch des Begriffes im Alltag oder auch in der Philosophie nahe legt, um ein einheitliches Phänomen. Vielmehr muss die Identität einer Person als Zusammenspiel von folgenden Fragen analysiert werden:
1. Was macht die Ganzheit einer Person aus?
2. Was muss der Fall sein, damit eine Person gestern mit der Person von heute 'identisch' ist?
3. Was verstehen wir unter Identität im Sinne von Selbstverstehen und Selbstbewusstsein?

Es wird gezeigt, wie sich die beiden 'Identitäten' menschlicher Personen - Persistenz und Persönlichkeit - in unserem alltäglichen Verständnis miteinander verschränken.

The philosophical question of an individual’s identity has not been well resolved. Contrary to the term’s use in everyday life, and even within philosophy, identity is not a unified phenomenon. Rather, the identity of an individual has to be analysed by answering the following questions:
1. What determines the entity of an individual?
2. What has to happen so that an individual from yesterday is ‘identical’ to the individual of today?
3. What do we regard as identity in the sense of self-understanding and self-awareness?

This book shows how in our everyday life the two ‘identities’ of human individuals - persistence and personality - intertwine.
Autorenporträt
Michael Quante, Universität zu Köln.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.02.2008

Scharfsinn im Kleinen, Blindheit im Großen

Was heißt "Person"? Michael Quante geht einer Autonomie-Rhetorik auf den Leim, statt sie als Philosoph auf ihre Schlüssigkeit zu untersuchen.

Person, so heißt es in einem berühmten Text John Lockes, ist ein juristischer Ausdruck. Nach der Einleitungsbestimmung des Preußischen Allgemeinen Landrechts wird der Mensch, insofern er gewisse Rechte in der bürgerlichen Gesellschaft genießt, eine Person genannt. Person bin ich demnach niemals für mich allein, sondern stets nur in meinem praktischen Verhältnis zu anderen Personen. Weil das Dasein einer Person in ihrem Anerkanntsein besteht, kann Hegel das grundlegende Rechtsgebot auf die Formel bringen: "Sei Person und respektiere die anderen als Personen."

Um praktisch anwendbar zu sein, bedarf das Respektierungsgebot allerdings der Ergänzung durch eine Lehre von der Handlungszurechnung. Eine Handlung setzt die Existenz eines Handlungssubjekts voraus, dem sie als die seinige zugeschrieben werden kann. Hier findet der Personbegriff ebenfalls Verwendung. Bereits bei Locke hat er seinen Sitz in unserer Praxis der Zurechnung und Bewertung von Handlungen. Kant definiert die Person sogar ausdrücklich als "dasjenige Subjekt, dessen Handlungen einer Zurechnung fähig sind".

Achtung verdient die menschliche Person für Kant allerdings nicht bereits um ihrer Stellung als erkennendes, planendes und gestaltendes Wesen willen. Kant weiß, dass dies moraltheoretisch neutrale Eigenschaften sind, deren Gebrauch ebenso leicht zum Bösen wie zum Guten ausschlagen kann. Achtungswürdig ist der Mensch vielmehr allein, weil er Subjekt des moralischen Gesetzes, Platzhalter der praktischen Vernunft in der Welt ist. Ein Verbrecher verdient zwar schon deshalb Nachsicht und eine zweite Chance, weil jeder von uns um seine eigene Schwäche weiß und keinen Anlass zu moralischer Überheblichkeit hat. Aber Achtung verdient er nicht um seiner selbst, sondern um des in seiner Person verkörperten Rechts der Menschheit willen, dessen Würde sich auch gegenüber seiner verbrecherischen Maxime behauptet.

Aus diesem komplexen Traditionshintergrund hat in der Diskussion, die seit einigen Jahrzehnten in der analytischen Philosophie geführt wird, mit der Frage nach der diachronen Identität von Personen lediglich ein vergleichsweise unwichtiger Nebenstrang überlebt. Unter welchen Bedingungen ist eine Person A zu einem Zeitpunkt mit einer Person B zu einem anderen Zeitpunkt identisch? Zur Beantwortung dieser Frage bedienen die Diskutanten sich der wildesten Gedankenexperimente - wie ist es etwa, wenn der Person A das Gehirn der Person B eingepflanzt worden ist und umgekehrt?

Dennoch kann man sich bei der Lektüre der maßgeblichen Texte häufig nicht des Eindrucks erwehren, in ihnen vereinige sich Scharfsinn im Kleinen mit Blindheit im Großen zu einer unheiligen Allianz. Der praktisch-anerkennungstheoretische Grundzug des klassischen Personverständnisses scheint ebenso in Vergessenheit geraten zu sein wie die Einsicht in die notwendige Kontextgebundenheit praktischer Begriffe.

Dem Philosophen Michael Quante ist dafür zu danken, dass er diesen Wildwuchs beschneidet und die Aufgabe der Persondiskussion konsequent auf das Anliegen beschränkt, "unsere Lebensform im Grundriss philosophisch zu erhellen" und unserem lebensweltlichem Selbstverständnis als Personen gerecht zu werden. Was Quante gegen den exzessiven Gebrauch von Gedankenexperimenten vorbringt, verdient einen Ehrenplatz in jedem Beichtspiegel für analytische Philosophen. "Unsere alltäglichen Intuitionen und Identitätsaussagen sind durch die in unserer Welt und mit Bezug auf die menschliche Lebensform bestehenden Sachverhalte geprägt. Diese Rahmenbedingungen mögen kontingent sein. Dennoch sind unsere Begriffe auf sie als implizite Anwendungsbedingungen angewiesen. Werden diese Voraussetzungen außer Kraft gesetzt, verwenden wir unsere Begriffe in Kontexten, für die sie schlicht nicht gemacht sind. Von daher kann es nicht verwundern, dass unsere Intuitionen unter solchen Umständen durchein-andergeraten und wir nicht wissen, wie wir unsere Begriffe verwenden sollen."

Aber auch Quante reaktiviert die praktisch-philosophisch Tradition der Persondiskussion nur unvollständig. Zuzustimmen ist ihm zwar, sofern er den wertend-aktivischen Charakter der personalen Lebensform hervorhebt. "Es gehört zu unserem Verständnis von Personen, dass sie ihr Leben nicht einfach nur haben, sondern im Lichte ihrer eigenen evaluativen Einstellungen führen. Analog zum Wollen und Handeln begreifen wir die Identifikation mit eigenen zukünftigen Zuständen auch als den Versuch, unsere eigenen zukünftigen Zustände gemäß unserer eigenen Vorstellung von einem guten und gelingenden Leben zu beeinflussen und zu gestalten. Wir versuchen, in unserer zeitlich ausgedehnten Existenz eine Persönlichkeit zu entwickeln und Pläne zu verwirklichen, in denen sich manifestiert, wer wir sein und was wir erreichen wollen." Anfechtbar ist hingegen Quantes These, dass sich von diesem Personverständnis aus unschwer der Brückenschlag zu unserer ethischen Praxis vollziehen lasse. Weil wir die Persönlichkeit eines Individuums zu großen Teilen als Ergebnis seiner eigenen Entscheidungen begreifen, gilt sie uns Quante zufolge auch als Ausdruck der Fähigkeit dieser Person zu einer autonomen, selbstbestimmten Lebensführung. "Der Respekt vor autonomen Entscheidungen und der Freiraum, den wir uns wechselseitig in unserer ethischen Praxis bei der Entwicklung, Ausgestaltung und Realisierung individueller Lebensentwürfe einräumen, zeigt, dass wir die Fähigkeit von Personen, für sich selbst zu definieren, welche Persönlichkeit sie sein wollen, für einen zentralen Wert erachten."

Der Rezensent erklärt freimütig, dass diese Beschreibung auf ihn nicht zutrifft. Zahlreiche Lebensformen toleriere ich, weil ich weiß, dass ich sie ohnehin nicht beeinflussen kann, Autonomie vielmehr von jedem Menschen für sich verwirklicht werden muss. Ich bin aber keineswegs dazu bereit, sie als achtungswürdige Persönlichkeitsäußerungen zu feiern, sondern halte sie im Gegenteil für moralisch verfehlt, mitunter sogar für böse. Quante hingegen streicht aus seinem Autonomieverständnis stillschweigend die bei Kant noch tragende Bindung an das moralische Gesetz weg. Eine um das Moment der moralischen Verpflichtung verkürzte Autonomie bedeutet aber nichts weiter als das pure Faktum eines je individuellen So-Seins. Ein intrinsischer Wert kommt diesem Faktum ebenso wenig zu wie anderen Tatsachen. Moralische Achtung für eine moralneutral konstruierte Person zu fordern ist ein Widerspruch in sich.

Quante geht der heute gängigen Autonomierhetorik auf den Leim, die er als Philosoph doch eigentlich auf ihre innere Schlüssigkeit hätte untersuchen sollen. Ungewollt gibt er ein Beispiel dafür ab, dass man es als Theoretiker mit der Nähe zur Praxis auch übertreiben kann. Schade um ein ansonsten kluges Buch!

MICHAEL PAWLIK

Michael Quante: "Person". Verlag Walter de Gruyter, Berlin 2007. 224 S., br., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"[...] kluges Buch!" Michael Pawlik in: Frankfurter Allgemeine Zeitung 18.02.2008

"'Person' ist ein anspruchsvoller Theorieentwurf, der sich kenntnisreich und teilweise höchst subtil mit historischen und neuesten Positionen der Debatte auseinandersetzt." Jan-Hendrik Heinrichs in: Philosophischer Literaturanzeiger 10-12/2007

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Durchaus etwas abgewinnen kann Rezensent Michael Pawlik Michael Quantes philosophischer Untersuchung zur Person, auch wenn er im Einzelnen Kritik anzubringen weiß. Zunächst gibt der Rezensent einen Überblick über die Diskussion des Personenbegriffs von Locke über Kant bis zu Hegel, um dann an der heutigen Philosophie eine Tendenz zu exzessiven Gedankenspielen zu monieren. Vor diesem Hintergrund lobt er an Quantes Arbeit besonders, dass sie "Wildwuchs beschneidet", um stattdessen die wichtigen Fragen zu erhellen. Zu seinem Bedauern muss er aber auch bei Quante eine unzureichende Wiederbelebung der praktisch-philosophischen Tradition der Persondiskussion konstatieren. Zwar stimmt er dessen Betonung des wertend-aktivischen Charakters der personalen Lebensform zu, hält es aber für fraglich, wie sich von diesem Personenverständnis die Brücke zur ethischen Praxis schlagen lässt, zumal bei Quantes Autonomieverständnis die bei Kant gegebene Bindung an das moralische Gesetz wegfällt. Insgesamt legt er dem Autor zur Last, er habe sich von der gängigen Autonomierhetorik blenden lassen.

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