Produktdetails
- Verlag: verlag filmarchiv austria
- Seitenzahl: 208
- Erscheinungstermin: Juni 2011
- Deutsch
- ISBN-13: 9783902781031
- ISBN-10: 3902781033
- Artikelnr.: 32980750
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.10.2011Der Kern
Ein Preis, ein Buch, eine Hommage: an Peter Kern
"Diese Gegend hat mich kaputt gemacht, und ich bleibe so lange, bis man ihr das anmerkt" - das ist von Achternbusch, könnte aber auch von Peter Kern sein und Österreich meinen, Wien, wo er 1949 geboren wurde, wo er kurz bei den Wiener Sängerknaben war, wo er seit einigen Jahren wieder lebt. Noch lässt Österreich sich nichts anmerken, aber das ist Kern nur ein Antrieb zum Weitermachen. Als Schauspieler, als Regisseur, als Unruhestifter, als gelegentlicher Autor dieser Zeitung, wo er voller Verehrung über Jean Genet und voller Wut und Schmerz über das gegenwärtige Theater geschrieben hat.
Das sind die Temperaments- und Gemütslagen eines Mannes, der als kurioser Dicker in den Neuen Deutschen Film kam, in die Fänge der Fassbinder-Familie geriet und sich wieder entwand. Der auf den Philippinen seine ersten Filme drehte, Anfang der achtziger Jahre, und der so viel Selbstironie und Bekenntnisdrang besaß, um sich in "Ein fetter Film" (1992) als schwulen Einhundertsiebzig-Kilo-Mann mit schlechten Aussichten auf dem Liebesmarkt zu porträtieren. Und der, obwohl die Finanzierung eine Tortur ist, fast Jahr für Jahr einen Film dreht.
Es gehört nun auch zu den Gesetzen der Verkennung und Missachtung, dass sie Solidarität schaffen. Bei den Hofer Filmtagen hat Peter Kern am Donnerstag den "Filmpreis der Stadt Hof" erhalten, die Ehrung für ein Lebenswerk, und in Österreich ist jetzt ein kompaktes, quadratisches Buch über ihn erschienen, unter anderem mit einem sehr langen, sehr ergiebigen Interview, das gewissermaßen den ganzen Kern freilegt. Den Regisseur der Transgression und des Melodramatischen; der 2002 die schärfste, weil grellste Abrechnung mit Haider drehte: "Haider lebt - 1. April 2021"; dem das Geleckte, Abgesicherte, mit dem guten Geschmack Kompatible ein Greuel ist, was seinen Filmen einen Hauch von Underground gibt, aber nicht mit dem Willen zum Trash zu verwechseln ist. Deshalb hat er zuletzt "Mörderschwestern" in "Mörderama" gedreht: Die Zuschauer stimmen ab, wer als Nächstes die fetttriefende, vergiftete Schweinshaxe mit dem Österreichfähnchen essen soll. In "Blutsfreundschaft" (2009) dagegen spielt der einstige Visconti-Adonis Helmut Berger einen von seiner braunen Vergangenheit gequälten und von Neonazis bedrohten alten Homosexuellen. Da kommen Wut und Schmerz und Verehrung wieder zusammen, in einer so kerntypischen unreinen Mischung.
Peter Kern hält die Normalität für den Tod der Kunst. Lieber ist er etwas lauter, etwas schriller, etwas exaltierter, setzt die Arie neben das Kunstblut und den Ödipuseffekt neben den Herzschmerz. Damit soll er uns auch künftig nicht verschonen.
pek
Christoph Huber / Olaf Möller: "Peter Kern". Verlag Filmarchiv Austria. 205 Seiten, 14,90 Euro. Enthält eine DVD mit vier Kern-Filmen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Preis, ein Buch, eine Hommage: an Peter Kern
"Diese Gegend hat mich kaputt gemacht, und ich bleibe so lange, bis man ihr das anmerkt" - das ist von Achternbusch, könnte aber auch von Peter Kern sein und Österreich meinen, Wien, wo er 1949 geboren wurde, wo er kurz bei den Wiener Sängerknaben war, wo er seit einigen Jahren wieder lebt. Noch lässt Österreich sich nichts anmerken, aber das ist Kern nur ein Antrieb zum Weitermachen. Als Schauspieler, als Regisseur, als Unruhestifter, als gelegentlicher Autor dieser Zeitung, wo er voller Verehrung über Jean Genet und voller Wut und Schmerz über das gegenwärtige Theater geschrieben hat.
Das sind die Temperaments- und Gemütslagen eines Mannes, der als kurioser Dicker in den Neuen Deutschen Film kam, in die Fänge der Fassbinder-Familie geriet und sich wieder entwand. Der auf den Philippinen seine ersten Filme drehte, Anfang der achtziger Jahre, und der so viel Selbstironie und Bekenntnisdrang besaß, um sich in "Ein fetter Film" (1992) als schwulen Einhundertsiebzig-Kilo-Mann mit schlechten Aussichten auf dem Liebesmarkt zu porträtieren. Und der, obwohl die Finanzierung eine Tortur ist, fast Jahr für Jahr einen Film dreht.
Es gehört nun auch zu den Gesetzen der Verkennung und Missachtung, dass sie Solidarität schaffen. Bei den Hofer Filmtagen hat Peter Kern am Donnerstag den "Filmpreis der Stadt Hof" erhalten, die Ehrung für ein Lebenswerk, und in Österreich ist jetzt ein kompaktes, quadratisches Buch über ihn erschienen, unter anderem mit einem sehr langen, sehr ergiebigen Interview, das gewissermaßen den ganzen Kern freilegt. Den Regisseur der Transgression und des Melodramatischen; der 2002 die schärfste, weil grellste Abrechnung mit Haider drehte: "Haider lebt - 1. April 2021"; dem das Geleckte, Abgesicherte, mit dem guten Geschmack Kompatible ein Greuel ist, was seinen Filmen einen Hauch von Underground gibt, aber nicht mit dem Willen zum Trash zu verwechseln ist. Deshalb hat er zuletzt "Mörderschwestern" in "Mörderama" gedreht: Die Zuschauer stimmen ab, wer als Nächstes die fetttriefende, vergiftete Schweinshaxe mit dem Österreichfähnchen essen soll. In "Blutsfreundschaft" (2009) dagegen spielt der einstige Visconti-Adonis Helmut Berger einen von seiner braunen Vergangenheit gequälten und von Neonazis bedrohten alten Homosexuellen. Da kommen Wut und Schmerz und Verehrung wieder zusammen, in einer so kerntypischen unreinen Mischung.
Peter Kern hält die Normalität für den Tod der Kunst. Lieber ist er etwas lauter, etwas schriller, etwas exaltierter, setzt die Arie neben das Kunstblut und den Ödipuseffekt neben den Herzschmerz. Damit soll er uns auch künftig nicht verschonen.
pek
Christoph Huber / Olaf Möller: "Peter Kern". Verlag Filmarchiv Austria. 205 Seiten, 14,90 Euro. Enthält eine DVD mit vier Kern-Filmen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main