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1985 erschienen Ernst Jandls Gesammelte Werke, eine Ausgabe, die 'in allen Belangen Maßstäbe gesetzt' hat (Kindlers Literaturlexikon). An ihre Stelle treten nun die Werke in 10 Bänden: sein poetisches Werk von den anderen augen (1956) bis zu den stanzen (1992), einschließlich aller verstreut veröffentlichten Gedichte. Jeder Band enthält zudem einen Anhang mit ausgewählten Materialien.
Mit der schön ausgestatteten Kassette Werke in 10 Bänden ist Jandls poetisches Gesamtwerk vollständig lieferbar. (Die Bände sind auch einzeln erhältlich.)

Produktbeschreibung
1985 erschienen Ernst Jandls Gesammelte Werke, eine Ausgabe, die 'in allen Belangen Maßstäbe gesetzt' hat (Kindlers Literaturlexikon). An ihre Stelle treten nun die Werke in 10 Bänden: sein poetisches Werk von den anderen augen (1956) bis zu den stanzen (1992), einschließlich aller verstreut veröffentlichten Gedichte. Jeder Band enthält zudem einen Anhang mit ausgewählten Materialien.

Mit der schön ausgestatteten Kassette Werke in 10 Bänden ist Jandls poetisches Gesamtwerk vollständig lieferbar. (Die Bände sind auch einzeln erhältlich.)
Autorenporträt
Ernst Jandl, geb. 1.8.1925 in Wien, Studium der Germanistik und Anglistik, Promotion 1950, langjährige Tätigkeit als Gymnasiallehrer, lebte in Wien. Seit 1954 Freundschaft und Zusammenarbeit mit Friederike Mayröcker. Er erhielt unzählige literarische Auszeichnungen, darunter den Peter-Huchel-Preis (1990), das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst (1990), den Kleist-Preis (1993), den Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg (1995) sowie den Georg-Büchner-Preis (1984). Ernst Jandl ist im Jahr 2000 gestorben.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.10.1996

jazz is jazz is jazz is jazz
Ernst Jandls neue Lyrik / Von Thomas Poiss

Ernst Jandl loben zu wollen hieße Eulen nach Wien tragen. Ein Lyriker, der mit Jazz-Musikern jammt und CDs einspielt, dessen Texte szenisch aufgeführt werden, dessen Rezitationen im Wiener Uni-Hörsaal Nr. 1 in Standing ovations münden, der seit über vierzig Jahren mit Friederike Mayröcker symbiotisch um die Wette dichtet, dessen Gedicht "Ottos Mops" in der Bekanntheit nur knapp hinter "Wanderers Nachtlied" und "Hälfte des Lebens" rangiert - die einzige Frage für einen Wiener kann da nur lauten: Is' eh scho berühmt und schreibbt no imma? Wer hingegen wissen will, was deutsche Sprache heute wirklich kann, höre Jandl und lese diesen Band.

Zwar kommt noch immer nichts "Possierliches" (Jandl) aus der Wohnung im vierten Wiener Gemeindebezirk, wo Staub, Ruß und Lagen von Tauben- und Hundekot die Gehsteige mit einer dunkelgrauen Schicht bedecken und die Fensterbretter schwärzen, doch das Wunder, wie aus einem unglücklichen Körper große Kunst - gewonnen?, destilliert? - in allen Viskositäten und in drei Sprachen abgesondert wird, läßt noch immer staunen. Man kann sich ebensowenig an Jandl gewöhnen, wie er sich nicht in die skandalöse Physiologie und Soziologie menschlichen Sprechens fügen mag.

Die hochsprachlichen Gedichte - um mit der einfachsten von Jandls Sprachen zu beginnen - treiben die existentielle Trostlosigkeit kompromißlos bis zum Imperativ: "vermeide dein leben". Oder entfalten sie ins Paradoxon: "nichts ist da das an einen garten erinnert / außer dem zaun da. der bin ich". Dreizeiler, wie sie von Jandl als Haiku oder als Dramenstrophe schon länger praktiziert worden sind, implodieren als subversive Sinngedichte: "ich kann noch sehen / kann noch hören / wie fröhlich alle sind". Oder sie kulminieren im selbsterfüllenden Sprichwort: "die rache / der sprache / ist das gedicht". Man muß das ganz langsam und rhythmisch lesen, bis die Perspektive parallel zu Vokal und Reibelaut (ach/ ach/ich) wechselt und die Zunge das Rauhe und Runde an den glattesten, plattesten Worten verspürt.

Noch mehr gilt die Empfehlung mimetischen Mitlesens für die Dialektgedichte. Seit den späten "Stanzen" von 1991/92 quillt aus Jandl diese grauenhaft wirkliche Sprachsubstanz in kataraktischer Intensität hervor, wobei sich Wienerisch und reales Niederösterreichisch zu einem künstlichen Tiefstösterreichisch verbinden, einer Sprache physischer Depression und emotionaler Erniedrigung. Im vorliegenden Buch wird der Dialekt zusätzlich in erläuterndem Hochdeutsch geboten, doch ist es besser, die aufgeweichte und diphthongisierte Lautgestalt versuchsweise nachzusprechen, um die verkommene Wirklichkeit dieser Urlaute zu ahnen.

Während nämlich in Heimito von Doderers bürgerlichen "Dämonen" ein lateinlernender Arbeiter die Dialektgrenze überschreitet und so als ein der vertrauten Enge Entwachsener Geist, Rang und Frau gewinnt, reißt Jandl von der anderen Seite her die Konventionen der Wiener Zivilisation ein. Unter jedem Wiener dräut ein Sprachsubstrat, das sich gleichsam aus den von der Donau angeschwemmten Rückständen des gesamten süddeutschen Sprachraums speist und bei jeder Irritation die linguistische Contenance zu durchbrechen droht. Ein Großteil der Erziehung in Wien gilt dem Verdrängen dieser phonetischen und lexikalischen Vulgarität aus den zarten Kinderseelen, doch noch auf den nobelsten Parkettböden droht stets sich der "Lua(r)ch" zu bilden, jenes graue Gewölle aus Fasern und Staub, dessen Wirklichkeit nur im Dialekt gültig benennbar ist.

Diese sprachliche Ur- und Unterwelt bricht sich blasphemisch oder selbstdenunziatorisch Bahn und macht vor keinem skatologischen Exzeß halt. Sie kann aber auch einem freundschaftlichen Wunsch Charme verleihen, religiöse Erfahrung vermitteln oder einsames Alter ins Bild setzen: "s gawas scho boa oede gnu-kia / und de jungen samma dscheen / wiari hoed bis i hinbin / gaunz alaanich wäda gehn". Zu deutsch: "es gäbe schon ein paar alte gnu-kühe / und die jungen sind mir zu schön / werde ich eben bis ich hin bin / ganz allein weitergehen". Dieser extreme Grad von Sprachverwesung zeugt im Verbund mit Reim und Struktur - zumindest für österreichische Ohren - rettenden Witz.

Die reine Gegenwelt zu den Dialektgedichten bilden Gedichte in lichtem Englisch, in denen der Anglist Jandl einen Vorschein der künftigen globalen Zweisprachigkeit auch in der Dichtung gibt. "rebirth" wird in folgendem Dialog inszeniert: "when born again, i want to be / a tenor saxophone // and who you'd think will do / the blowjob? // if it's up to me, there's gonna be / total promiscuity". Das erinnert ein wenig an Arno Schmidts pubertäre Phantasien, besitzt aber dagegen den Formwitz Gertrude Steins und die Immunität des Jazz: "ohne swing ist es nicht jazz / jazz is swing / jazz is drive / jazz is jazz is jazz is jazz". Lakonik von diesem bezwingenden Rhythmus zeichnet die besten Gedichte des Bandes aus, in dem sich freilich auch manche leicht verderblichen Bagatellen finden. Wie sehr Jandl aber nicht nur über Poetik, sondern auch über die soziale Dichterexistenz nachgedacht hat, lehrt "author's last choice". Ein "unusually well-known writer / mid-sixties, fed-up, periodically downcast" offeriert im Annoncenton seinen ganzen Nachlaß samt Staatspreisen zum Tausch für eine Villa - und dürfte wohl für immer darauf sitzenbleiben. Die Bedingungen von Jandls Werk ist die fortgesetzte Bescherung: "ich bedanke mich / bei euch allen / für mich".

Der Band "peter und die kuh" hat nicht den revolutionären Impetus von "Laut und Luise" (1966) oder den "Stanzen" und kann sie angesichts von deren Einfluß auf Literatur und Sprachbewußtsein auch gar nicht mehr haben. Dennoch bietet diese Synthesis von Jandls Kunst ein weiteres "Buch erhebender und niederschmetternder Sprachkunde" (Stanzen), deren Sprachrealismus jedem Leser mehr als eine geheime Zwangsvorstellung austreiben wird, am dringlichsten das stillschweigende Einverständnis mit den eigenen sprachlichen Grenzen: "Darin besteht ja die Kunst, unter anderem, daß Fesseln abgestreift oder gesprengt werden können, wo keiner sie bisher bemerkt hat."

Ernst Jandl: "peter und die kuh". gedichte. Luchterhand Literatur Verlag, München 1996. 168 S., geb., 38,- DM.

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