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Die Beziehung zwischen Pferd und Mensch stand nicht immer unter einem guten Stern. Ob im Krieg, im Bergwerk oder im Sport, das Pferd hatte viel unter dem Menschen zu leiden und war dennoch meist ein verlässlicher Partner. Obwohl Reiter für ein Pferd zunächst etwas Unnatürliches, ja sogar Bedrohliches sind (ein Lebewesen auf dem Rücken bedeutet für ein Pferd zuallerst Lebensgefahr, da es sich dabei im allgemeinen um ein Raubtier handelt) ließ sich das Pferd schon im Altertum vom Menschen zähmen und zur Arbeit einsetzen. Ohne Pferde wäre die Geschichte anders verlaufen. Es hätte zum Beispiel…mehr

Produktbeschreibung
Die Beziehung zwischen Pferd und Mensch stand nicht immer unter einem guten Stern. Ob im Krieg, im Bergwerk oder im Sport, das Pferd hatte viel unter dem Menschen zu leiden und war dennoch meist ein verlässlicher Partner.
Obwohl Reiter für ein Pferd zunächst etwas Unnatürliches, ja sogar Bedrohliches sind (ein Lebewesen auf dem Rücken bedeutet für ein Pferd zuallerst Lebensgefahr, da es sich dabei im allgemeinen um ein Raubtier handelt) ließ sich das Pferd schon im Altertum vom Menschen zähmen und zur Arbeit einsetzen.
Ohne Pferde wäre die Geschichte anders verlaufen. Es hätte zum Beispiel nicht die Reiterhorden aus dem Osten gegeben, die weite Teile der damaligen Welt überrannten und auch die spanischen Eroberungszüge im Amerika des 15. Jahrhunderts wären kaum möglich gewesen.
Erhard Oeser schildert die faszinierende Geschichte der Pferd-Mensch-Beziehung von den frühen Hochkulturen bis zur Gegenwart.
Autorenporträt
Erhard Oeser, geb. 1938, ist emeritierter Professor für Philosophie und Wissenschaftstheorie der Naturwissenschaften an der Universität Wien und Vorstand des Institutes für Wissenschaftstheorie. Er erhielt 2006 den Eugen Wüster Sonderpreis für Terminologie-Forschung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.2007

Nur nicht die Zügel aus der Hand geben
Erhard Oeser fragt, wie es kommt, dass sich die meisten Reiterinnen eher von ihrem Mann als von ihrem Pferd trennen würden / Von Wiebke Hüster

Erhard Oesers Untersuchung der Beziehung zwischen Pferd und Mensch legt einen für den Menschen nicht sehr schmeichelhaften Schluss nahe. Dessen Anstrengungen als Neuropsychologe und Verhaltensforscher galten der Erkundung der sozialen Intelligenz der Pferde, ihrer sensomotorischen Fähigkeiten und der drängenden Frage, ob sie vielleicht zum Lesen, Schreiben und Rechnen zu erziehen seien. Besser hätten sich die Wissenschaftler zwischendurch mal gefragt, warum ein derart starkes und dabei freundliches, schnelles und trotzdem gehorsames Wesen vom Menschen regelmäßig schlecht behandelt wird. Seit das Pferd dem Menschen begegnete, hat es bittere Erfahrungen mit ihm machen müssen.

Oeser fasst sie so zusammen: vom Bratspieß und Kochtopf in die Knechtschaft. Die Sanftmütigkeit und Gutwilligkeit des Pferdes wird ihm von Anfang an als Dummheit ausgelegt und ausgenutzt, dabei entspringt sie, wie man heute weiß, biologisch betrachtet einfach dem starken Herdentrieb der Pferde. Dass Pferde sich Despoten unterordnen, sagt aber nichts über ihre Klugheit aus. Nicht weniger interessant sind Oesers Befunde über die Gegenwart. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben die Männer den Frauen das Pferd überlassen, so die These. In dem Moment, da es als Kriegsgerät und Arbeitsmittel nicht mehr gebraucht wird, weil Maschinen es überall ersetzen können, wird das Reiten Amazonenangelegenheit. Frauen wissen es besonders zu schätzen, dass Geschick und Geduld im Umgang mit Pferden geringere Körperkraft ausgleichen können. Sie lieben die Pferde allein dafür, dass sie nur im Pferdesport direkt gegen Männer antreten können.

Aus Pferdesicht betrachtet, hatte die Beziehung weder einen guten Anfang, noch ging sie glücklich weiter. Solange der Mensch das Pferd noch nicht zu zähmen gelernt hatte, war dessen Verfolgung mühevoll und schon auf kurze Distanz natürlich erfolglos. Darum hatten unsere Vorfahren eine primitive und äußerst brutale Weise entwickelt, an das Nahrungsmittel Pferd heranzukommen. Man jagte eine mit Lärm furchtbar erschreckte Herde bis an einen Abgrund, den sich die verängstigten Tiere schließlich runterstürzen würden. Unten warteten bereits andere Jäger, die die verletzten Pferde abpassten und mit Keulen töteten.

Wie lange die Anwendung dieser Methode zurückliegt, ist schwer zu sagen, denn über den Zeitpunkt der Domestizierung des Pferdes liegen keine schriftlichen Zeugnisse vor. Zu den ältesten Haustieren - Hunden, Schafen, Ziegen und Rindern - zählte es aber nicht, das gilt als erwiesen. Vermutlich gelang es etwa zur selben Zeit Nomaden in verschiedenen Ländern, Pferde erstmals zu züchten. Zucht und Reiten hängen wohl eng zusammen, denn nur vom Pferderücken aus konnte man Herden betreuen. Die frühesten Zeugnisse für die Nutzung des Pferdes als Reittier datieren von 1500 vor Christus.

In den frühen Hochkulturen Asiens und Ägyptens - also vor den Griechen und Römern - spannte man das Pferd vor zweirädrige Streitwagen, die der Krieger bestieg, um damit auf dem Kampfplatz vorzufahren. Gekämpft wurde dann zu Fuß. Der Historiker und Philosoph Xenophon war der Pferdeflüsterer der Antike. Pferde waren in Griechenland zu entscheidenden Faktoren in der Kriegführung geworden. Xenophon selbst hatte einen der berühmtesten antiken Feldzüge mit seiner Reiterei angeführt, den Marsch von zehntausend griechischen Soldaten gegen den Perserkönig Artaxerxes. Seine Schriften zur Reitkunst enthalten beeindruckend moderne Auffassungen, etwa, man möge sich auch gegenüber schwierigen Pferden niemals zu zornigen Reaktionen hinreißen lassen.

In der Renaissance war es vorbei mit der tierpsychologischen Einfühlsamkeit. In Neapel, dem Zentrum der europäischen Dressurkunst seit dem zwölften Jahrhundert, riet der Meister Grisone zu Anschreien, Schlägen und anderen harten Strafen. Man hielt Pferde, die sich weigerten, den Reiter aufsitzen zu lassen, für "hoffährtig" oder böse. Dabei ist es für das Pferd etwas ganz Unnatürliches, ein Geschöpf auf seinem Rücken zu dulden - denn eigentlich springen nur Tiger, Löwen und Panther den Pferden dorthin, um sie als Beute zu erlegen. Jenes von Grisone so schrecklich gestrafte Buckeln und Bocken vollführten Pferde, um sich gegen die Raubtiere zu wehren, indem sie sie abwarfen.

Doch bis die Wissenschaft vom Pferd bis zu solchen Erkenntnissen gekommen war, vergingen Jahrhunderte phantasievoller Beschäftigung mit den Tieren. Noch um 1900 hatte der pensionierte Mathematiklehrer Wilhelm von Osten sein Pferd, den "Klugen Hans", angeblich zum Rechnen und Lesen erzogen. In Wahrheit wusste der "Kluge Hans" nur geschickt die unbewusst gesendeten kommunikativen Signale seines Gegenübers zu deuten und in auswendig gelernte Reaktionen umzusetzen.

Nach wie vor interessiert aber die Forschung das Denken und Fühlen besonders jener drei Tierarten, mit denen den Menschen die intensivsten Formen weitgehend körpersprachlicher Kommunikation verbinden. Gegenüber Katze und Hund nimmt das Pferd als dritter der engsten Gefährten eine Sonderstellung ein. Ein athletisches Wesen mit so hervorragenden sensomotorischen Fähigkeiten und einer derart hochentwickelten sozialen Intelligenz bändigen zu können, fasziniert den Menschen bis heute.

Dazu kommt eine Art Verwandtschaft von Pferd und Mensch, auf die der Verhaltensforscher Desmond Morris hingewiesen hat. Wie das Pferd, so ist auch der Mensch kein Gräber, Kletterer oder Klammerer, sondern ein Schnellläufer. Wir empfänden es "als eine Verlängerung unseres eigenen ,schnelllaufenden' Körpers". Die Kentauren der antiken Mythologie seien gewissermaßen die Veranschaulichung der Erfahrung, auf dem Rücken von Pferde mit ihnen zu einem Wesen zu verschmelzen.

Trotz dieser langanhaltenden Faszination für das Pferd, so Oeser, verstehen selbst die leidenschaftlichen Pferdebesitzer bis heute oft wenig von dem, was in ihren Tieren vorgeht. Aber die Pferde scheinen eine psychologisch interessante Form entdeckt zu haben, sich an den Männern zu rächen. Die Zahlen sind vielleicht nicht umstandslos auf den Rest der zivilisierten Welt zu übertragen, denn sie stammen aus dem Land der exzentrischsten Pferdeliebhaber, gleichwohl seien sie hier nicht verschwiegen.

Was das britische Magazin "Galopp" bei einer Befragung von Pferdebesitzerinnen herausgefunden haben will, ist erhebend für das Pferd und niederschmetternd für die männliche Spezies. Drei Viertel der Reiterinnen gaben an, sich eher von ihrem Ehemann als von ihrem Pferd trennen zu wollen, wenn sie sich entscheiden müssten. Probleme würden sie ohnehin öfter ihrem vierfüßigen Freund anvertrauen als dem Gatten. Pferde führen häufig eine derart starke Entfremdung der Besitzerinnen von ihren Ehemännern herbei, dass die Mehrzahl der befragten Frauen aussagte, sie würden weitere Pferde weiteren Kindern vorziehen. Wer ist hier eigentlich ein Fall für die Verhaltensforschung?

Erhard Oeser: "Pferd und Mensch". Die Geschichte einer Beziehung. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2007. 192 S., geb., 29,90 [Euro].

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