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Wieder einmal wird in Deutschland die existenzielle Frage von Krieg und Frieden debattiert - genauer: die Frage nach der Legitimation nationalstaatlicher Gewalt innen- und außenpolitisch. Der erfahrene Militärdekan Hartwig von Schubert steuert das Schiff politischer Vernunft sicher zwischen radikalpazifistischer Friedensethik und einer einzig auf nationale Stärke setzenden Interessenpolitik hindurch. Er vertritt einen rechtspazifistischen Liberalismus (legal pacifism), der das Gewaltmonopol des Staates bejaht, weil nur so Recht und Frieden gewährleistet werden können. Damit nimmt er zugleich…mehr

Produktbeschreibung
Wieder einmal wird in Deutschland die existenzielle Frage von Krieg und Frieden debattiert - genauer: die Frage nach der Legitimation nationalstaatlicher Gewalt innen- und außenpolitisch. Der erfahrene Militärdekan Hartwig von Schubert steuert das Schiff politischer Vernunft sicher zwischen radikalpazifistischer Friedensethik und einer einzig auf nationale Stärke setzenden Interessenpolitik hindurch. Er vertritt einen rechtspazifistischen Liberalismus (legal pacifism), der das Gewaltmonopol des Staates bejaht, weil nur so Recht und Frieden gewährleistet werden können. Damit nimmt er zugleich die Debatte darüber auf, welche Rolle Deutschland und Europa künftig bei globalen Konflikten spielen sollen, und bekräftigt das bewährte Programm gemeinsamer Sicherheit.
Von Schubert versteht seine Schrift als Aufruf an die Kirchen im Mutterland der Reformation, beim Weiterbau am Menschheitstraum von Frieden und Freiheit auch unbequeme politische Realitäten anzuerkennen: Wer politische Freiheit will, muss herrschen, also Macht gebrauchen wollen. Doch wer herrscht, kompromittiert und kontaminiert sich mit der "Sünde der Welt". Das Verweigern der Tat aber hilft nicht und steht der reformatorischen Theologie und Tradition entgegen.
Das Buch richtet sich an alle Leser, die an der Zukunftsgestaltung unseres Landes interessiert sind.
Autorenporträt
Hartwig, von Schubert
Hartwig von Schubert, Dr. theol., Jahrgang 1954, studierte Evangelische Theologie in Göttingen, Tübingen, Heidelberg und Kiel. Er war von 1982 bis 1987 Pastor im Hamburger Bahnhofsviertel St. Georg und arbeitete anschließend weitere fünf Jahre an der Forschungsstelle der Evangelischen Studiengemeinschaft in Heidelberg zu Fragen der Bioethik. Von 1992 bis 2002 leitete von Schubert gesamtstädtische Dienste im Diakonischen Werk Hamburg, dem folgte die Tätigkeit als Studienleiter an der Evangelischen Akademie Nordelbien in Hamburg und Bad Segeberg. Seit 2004/2005 ist er evangelischer Militärdekan an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg mit den Schwerpunkten Politische und Militärische Ethik.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.10.2019

Wer den Frieden will, der rüste sich für die EKD-Synode
Zwei neue Bücher zur Debatte über Militär und Kirche

Der Evangelischen Kirche in Deutschland steht eine vermutlich ziemlich kontroverse Synodentagung bevor: Es geht um das Thema "Frieden". Schon seit geraumer Zeit lässt sich beobachten, wie sich die kirchenpolitischen Flügel dafür in Stellung bringen. In mehreren Landeskirchen wurden Positionen zur Außen- und Verteidigungspolitik beschlossen. Die Synode der rheinischen Kirche hat sich für einen prinzipiellen Verzicht auf "Gegengewalt" ausgesprochen. Und in einem Papier der badischen Landeskirche wird ein "Positivszenario" entworfen, das eine umfassende "Demilitarisierung" Europas vorsieht. Andere Landeskirchen äußern sich deutlich abgewogener. Doch insgesamt ist unverkennbar, dass sich die evangelische Kirche zunehmend pazifistischen Positionen annähert, während sich die politische Diskussion eher in die Gegenrichtung entwickelt.

Die beiden Bücher "Können Kriege gerecht sein?" von Sigurd Rink sowie "Pflugscharen und Schwerter" von Hartwig von Schubert versuchen auf unterschiedliche Weise, die kirchliche Debatte wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Die Autoren haben daran nicht zuletzt ein berufliches Interesse: Sigurd Rink ist der Militärbischof der EKD, Hartwig von Schubert Militärdekan an der Führungsakademie der Bundeswehr. In ihrer Tätigkeit stehen beide vor dem Problem, dass sie auf der kirchlichen Seite mit teils tiefsitzenden Vorbehalten gegenüber allem Militärischen zu tun haben, während innerhalb der Bundeswehr die Kirchen angesichts mancher ihrer Verlautbarungen nicht für voll genommen werden. Militärbischof Sigurd Rink versucht diesen argumentativen Zwei-Fronten-Krieg mit Hilfe von Story-Telling zu gewinnen. Er erzählt seine eigene Wandlung vom pazifistischen Studenten aus Hessen-Nassau, der "natürlich" 1981 im Bonner Hofgarten gegen den Nato-Doppelbeschluss mitdemonstriert habe, hin zu einem Militärbischof, der bei seinen Reisen von einem "Close Protection Team" geschützt wird.

Im Rückblick diagnostiziert Rink bei der Bundesrepublik der achtziger Jahre einen "Sündenstolz": Aus seiner besonderen Schuld sei damals in Deutschland eine besondere moralische Überlegenheit abgeleitet worden. Gedeihen konnte dies nach Rink nur "im Windschatten der Geschichte", in dem das Land damals segelte. Seit den neunziger Jahren wird Deutschland nun Schritt für Schritt wieder von den konkreten Konflikten der Welt eingeholt. Rink erzählt, wie sich im Lauf der Zeit damit auch seine eigene Position wandelte. Heute denkt Rink in den Spuren von Augustinus und Thomas von Aquin, die mit der "Lehre vom gerechten Krieg" einen begrenzten Einsatz militärischer Gewalt rechtfertigten und einen Kriterienkatalog dafür aufstellten.

Als Fortentwicklung dieser Position wertet Rink die EKD-Denkschrift aus dem Jahr 2007 mit ihrem Leitbild des "gerechten Friedens". Freilich lässt sich das bis heute gültige Papier jedoch auch als Absage an die traditionelle "Lehre vom gerechten Krieg" lesen, weshalb sich auch Rinks heutige kirchenpolitische Opponenten auf die Denkschrift berufen.

Breiten Raum nehmen Rinks Darlegungen zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr ein. Der Militärbischof kann dabei oft auf Eindrücke zurückgreifen, die er bei Truppenbesuchen in den Krisengebieten selbst gewonnen hat. Rink gelangt dabei zu reflektierten Urteilen, weil er die dortigen Realitäten nicht beschönigt und auch Umstände einbezieht, die bisweilen unter den Tisch fallen: Er schildert, wie beim Einsatz in Mali auch die französischen Interessen an den Uranlagerstätten in der Region eine Rolle spielen und wie internationale Militäreinsätze regelmäßig zu Konjunkturprogrammen für korrupte Regierungen, Waffenhersteller, aber auch Hilfsorganisationen werden. Die Militärpolitik der Vereinigten Staaten bewertet der Militärbischof auffallend kritisch. Bemerkenswert sind auch die Passagen zur Seenotrettung von Flüchtlingen: Aus seinen Kontakten in die Bundeswehr berichtet Rink, dass kaum einer der eingesetzten Soldaten an der Notwendigkeit der Seenotrettung zweifele. Ebenso wenig sei den Soldaten aber verborgen geblieben, dass sie damit "indirekt das Geschäft der Schleuser förderten" und diese "kalt kalkulierend" die Seenotrettung auch ziviler Kräfte "mehr und mehr in ihr Geschäftsmodell einpreisten". Rink sagt sogar, dass sich im Mittelmeer eine "geradezu aberwitzige Rettungskette" entwickelt habe. Dazu sollte man wissen, dass der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm es kürzlich "infam" nannte, über einen solchen Zusammenhang zwischen Rettung und Schleusung überhaupt nachzudenken.

Rink wahrt aber auch kritische Distanz zur Bundeswehr und schreibt, einer militärischen Organisation sei "zwangsläufig ein Gewaltpotential wie auch antidemokratische Tendenzen inhärent". Für umso wichtiger hält der Militärbischof darum ein enge Anbindung der Streitkräfte an die Gesellschaft. Die Abschaffung der Wehrpflicht sieht Rink kritisch. Gern hätte man genauer erfahren, wie Rink die von ihm befürwortete Dienstplicht mit der unumgänglichen Professionalisierung der Bundeswehr in Einklang bringen will. Auch in der vieldiskutierten Frage des Zwei-Prozent-Ziels positioniert sich Rink nicht eindeutig. Solche diplomatischen Rücksichtnahmen auf innerkirchliche Debatten schmälern den Wert dieses leicht zugänglichen Buchs aber nur geringfügig.

Deutlich anspruchsvoller ist die Lektüre des schmalen Buches von Hartwig von Schubert. Mit Blick auf den vor der EKD-Friedenssynode anschwellenden "bedingungslosen Pazifismus" unternimmt der Militärdekan den Versuch einer theologisch-philosophischen Rechtfertigung von Militäreinsätzen zur Durchsetzung rechtsstaatlicher Gewaltmonopole. Von Schubert sieht sich als Vertreter eines "legal pacifism" und beruft sich dabei vornehmlich auf Immanuel Kant. Als Theologe sieht von Schubert den Philosophen in der Tradition Luthers sowie des Apostels Paulus stehen. Der Militärdekan argumentiert in seinen Ausführungen schlüssig und sauber. Ob sich eingefleischte Pazifisten oder hartleibige Bellizisten von gründlicher Kant-Exegese bekehren lassen, kann dahingestellt bleiben. Schwerer wiegt, dass auch bei diesem Buch ein klar umrissenes Bild fehlt, wie eine verantwortbare Sicherheitspolitik aus evangelischer Sicht konkret aussieht. Wie viel darf die Bundeswehr kosten? Wo sollen die Soldaten eingesetzt werden? Welche Waffen sollen sie in die Hand bekommen? Soll eine kirchliche Friedensethik Gehör finden, muss sie auch auf solche Fragen durchdachte und umsetzbare Antworten geben. Die beiden Bücher von Sigurd Rink und Hartwig von Schubert leisten dafür wertvolle Vorarbeiten.

REINHARD BINGENER.

Sigurd Rink: Können Kriege gerecht sein? Glaube, Zweifel, Gewissen - wie ich als Militärbischof nach Antworten suche.

Ullstein Buchverlage, Berlin 2019. 288 S., 20,- [Euro].

Hartwig von Schubert: Pflugscharen und Schwerter. Plädoyer für eine realistische Friedensethik.

Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2019. 160 S., 15,- [Euro].

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