Eine Phänomenologie der Aufmerksamkeit gibt sich weder mit subjektiven Akten noch mit anonymen Mechanismen zufrieden. Sie bewegt sich zwischen Auffallen und Aufmerken in einem Schwerefeld, das die »Gewichte der Dinge« verändert. Wir sind daran beteiligt, aber nicht als autonome Subjekte. Dazu gehören räumliche Szenerien und zeitliche Verzögerungen. Etwas kommt auf uns zu, bevor wir darauf zugehen. Hinzu kommt ein Arsenal aus Techniken, Medien und sozialen Praktiken, das eine ökonomie und Politik der Aufmerksamkeit hervorbringt. Die Verankerung dieser Zwischeninstanzen im Leib, der als Leibkörper auch neurologische Prozesse und das Wirken des Unbewußten einschließt, widersetzt sich der Hypostasierung von Körperkonstrukten, Netzwerken und Machtpraktiken. Aufmerksamkeitskonflikte verweisen auf ein Ethos, das uns mit Unerwartbarem konfrontiert und in einer Beachtung gipfelt, die wir anderen schulden, ob wir es wollen oder nicht.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Schade, dass Sonja Asal sich keine zwei Zentimeter von der abstrakten Sprache des vorliegenden Buches lösen und damit die Brücke zum Leser der Rezension schlagen kann - was in der Studie sicher argumentativen Wert und intellektuelle Berechtigung, sogar Notwendigkeit hat, ist als isoliertes Zitat in der Besprechung schwer nachvollziehbar. Immerhin, es wird deutlich, dass Waldenfels an Maurice Merleau-Ponty und Emmanuel Levinas geschulte "phänomenologische Erkundungsgänge" unternimmt, um sich dem Begriff und der Realität der "Aufmerksamkeit" zu nähern - einem gesellschaftlich relevanten, weil umkämpften Gegenstand, geht es doch in Werbung und Politik vor allem darum: "Wer auf sich aufmerksam macht, setzt sich gegen andere durch." Waldenfels nähert sich der Aufmerksamkeit über eine "Reihe von Einzelstudien", also von verschiedenen Seiten: Phänomenologie, Erzähltheorie, Psychoanalyse. Und er tut das augenscheinlich zur Zufriedenheit der Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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