Am 26. Dezember 2004 löste ein Seebeben vor der Küste der indonesischen Insel Sumatra eine Flutwelle aus. Der Tsunami tötete und verletzte Hunderttausende, machte unzählige heimatlos, zerstörte ganze Landstriche. Auch die wenige Kilometer vor der Westküste Thailands gelegene Insel Koh Phi Phi wurde von der verheerenden Naturkatastrophe schwer getroffen. Josef Haslinger und seine Familie verbrachten hier ihren Weihnachtsurlaub. Sie überlebten die Katastrophe. "Phi Phi Island" ist ein Augenzeugenbericht des Unglücks.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.03.2007Der kleine Finger, die Welle und der große Tod
Josef Haslinger hat mit seiner Familie in Thailand Urlaub gemacht. Dann kam der Tsunami. Und schließlich schrieb Josef Haslinger ein Buch, das ihm wohl mehr hilft, als es dem Leser bringt Von Iris Hanika
An Weihnachten 2004 flog der Schriftsteller Josef Haslinger mit seiner Familie nach Thailand, um dort zwei Wochen Ferien zu machen. Am 26. Dezember, dem zweiten Morgen ihres Aufenthalts, wurde die Insel, auf der sie zwei Bungalows gemietet hatten, vom Tsunami überrollt. Alle Familienmitglieder überlebten das Unglück und waren etwa drei Tage später wieder daheim in Wien.
Über dieses Erlebnis hat Josef Haslinger einen Bericht geschrieben, obwohl er das erst gar nicht wollte. Dann hat es ihn aber am Schreiben anderer Geschichten gehindert, so dass er es doch aufschreiben musste. Der Professor für Literarische Ästhetik am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig weiß: „erzählungen, die davon handeln, wie jemand in die ferne reist, es dort mit unerwarteten vorgängen zu tun bekommt, die es ungewiss machen, ob er überleben wird, heißen abenteuergeschichten. (. . .) ich habe die zufallsbekanntschaft mit einer abenteuergeschichte gemacht.”
Haslinger erwähnt in diesem Zusammenhang Kara Ben Nemsi, eine Figur aus der Zeit, als Nachrichten vom anderen Ende der Welt lange brauchten, bis sie ankamen, und schwer überprüft werden konnten. Beim Tsunami 2004 hingegen wussten die Daheimgebliebenen früher vom Ausmaß der Katastrophe als die, die sie selbst erlebten. Der Bericht muss also nicht ausgeschmückt werden, entsprechend sachlich bemüht Haslinger sich zu schreiben. Das tut er in radikaler Kleinschreibung. Das war jedoch keine ästhetische Entscheidung; der Grund liegt, wie man am Ende des Buches erfährt, darin, dass der Autor sich, als er gegen die große Welle um sein Leben kämpfte, die Sehnen am linken kleinen Finger zerschnitt und sie zu spät wieder zusammengenäht wurden. Jetzt kann der Finger die Umschalttaste am Computer nicht mehr bedienen. Zeige deine Wunde – auch wenn die Lesbarkeit darunter leidet. Oft merkt man gar nicht, dass ein Satz zu Ende ist und ein neuer angefangen hat. Dadurch hat der Text etwas unangenehm Drängendes; er schiebt den Leser voran wie eine Schlammlawine.
Der Bericht beginnt mit einer detaillierten Schilderung der Anreise; sobald die Familie in Thailand ist, wird keine Minute ausgelassen. Für die Beschreibung der Insel hat Haslinger offenbar auf Reiseprospekte zurückgegriffen: „paradiesische idylle”, „farbenprächtige unterwasserwelt”, „feinste weiße sandstrände”. Von der Topographie des Ortes bekommt man so keine Vorstellung. Doch viel wichtiger als die Umwelt ist dem Autor seine eigene Welt, also werden sämtliche Weihnachtsgeschenke, die sich die Familie gemacht hat und von denen natürlich keins mehr da ist, aufgelistet.
Damit man nun trotzdem nicht einschläft, erzählt Haslinger auf verschiedenen Zeitebenen. Die Reise, die mit dem Tsunami endete, steht im Imperfekt, alles, was danach geschah, im Präsens, auch die zweite Reise, die Haslinger ein knappes Jahr später für eine Woche nach Thailand zurückführte. Auch hierbei geht es ausschließlich um die Dinge, die der Autor zufällig persönlich gesehen hat. Er macht also genau denselben Spaziergang noch einmal und kann darum mitteilen, welche Bars wieder geöffnet haben und was es dort zu trinken gibt. Nicht nur radikal kleingeschrieben, sondern auch radikal subjektiv ist dieser Bericht, und darum zwischendurch reichlich läppisch. Nach dem Tsunami liegen Leichen herum, der Müll stapelt sich, schon bald fängt es an zu stinken, in einer Reisetasche findet sich Kleidung. Die einzige Sorge ist die Heimreise.
Dem Autor hat es gewiss gutgetan, diesen Bericht zu schreiben, denn wenn man etwas Schlimmes erlebt hat, hilft es, davon zu erzählen, um es zu verarbeiten. Für den, der etwas Schlimmes erlebt hat, ist das sehr wichtig. Für alle anderen nicht. Es stellt sich also die Frage, ob es nicht gereicht hätte, diese Geschichte Freunden und Verwandten, vielleicht auch einer Traumatherapeutin zu erzählen, statt das allgemeine Publikum daran teilnehmen zu lassen.
Der Tsunami war eine Naturkatastrophe. Es war nicht der erste Tsunami, und es wird nicht der letzte sein. Vielleicht war es der größte, vielleicht auch nicht. Es gibt Stürme, Erdbeben, Flutwellen, Dürre, Frost und vierzig Tage Regen, und meistens sterben Menschen dabei, und manchmal sind es sehr viele. So ist der Lauf der Welt. Die Natur lässt sich vom Wunsch nach einem angenehmen Tod nicht beeindrucken, und das wirklich Schreckliche an Naturkatastrophen ist am Ende immer nicht die Katastrophe selbst, sondern der Mensch, der sie für seine Zwecke ausnutzt, indem er plündert, Spendengelder in die eigene Tasche umleitet oder Politik macht, wie in der indonesischen Provinz Aceh, wo die Rebellen nun die Oberhand haben und die Einhaltung der Scharia mit Straßenpatrouillen kontrollieren.
Aber Haslinger war ja in Thailand. Die Einheimischen tauchen durchaus auf, er hat ihren Fährnissen einen Absatz gewidmet: „von den vielen millionen, die als tsunami-hilfe nach thailand flossen, haben die menschen auf phi phi island nicht viel gesehen. Für den totalverlust eines geschäfts gab es von der regierung umgerechnet vierhundert euro. für den tod eines angehörigen vierzig euro.” Ansonsten sind die Einheimischen attraktive Rezeptionistinnen; Masseurinnen, die anscheinend auch der Prostitution nachgehen; Leute, die sich nicht ordentlich anstellen, wenn es darum geht, auf das Boot zu kommen, das sie von der Insel wegbringt; sie sind Plünderer und aufdringliche Taxifahrer; buddhistische Nonnen und Mönche; eine alte Frau, die der Tochter eine neue Frisur macht; eine Krankenschwester, die sich für den Tsunami entschuldigt. Und einer ist Fischer, der sein Boot verloren hat. Sie sind Staffage.
Das wiederum liegt daran, dass Haslinger glaubt, er könne ein Ereignis, das ungefähr 231 000 Menschen den Tod brachte, als Abenteuergeschichte erzählen. Damit hat er sich überfordert. Das weiß er selbst und ist zumeist erfreulich uneitel. Manchmal aber vergreift er sich im Ton, und zwar gewaltig. Nach seinen Worten war nicht die Natur ungerecht, sondern „das große gericht”, als es die ganze Familie überleben ließ. Da der Autor nun sehr von dieser Ungerechtigkeit profitierte, ist es anmaßend, so zu sprechen. Außerdem wird suggeriert, die Katastrophe habe irgendeiner Logik gehorcht. In diesem Fall wäre es eine göttliche, bei einem anderen falschen Wort aber eine menschliche: „es gab drei extreme todeszonen auf phi phi island”.
Dieses unheimliche Wort „Todeszone” entspringt derselben Unbeholfenheit, die zu der Reiseprospektbeschreibung der Insel geführt hat. Ein Vernichtungslager könnte man eine „Todeszone” nennen, denn man denkt sich dabei etwas Menschengemachtes, weil das Wort etwas künstlich Gemachtes ist. Hätte Haslinger ein menschengemachtes Grauen erlebt, wäre in der Tat alles wichtig, auch die verlorenen Weihnachtsgeschenke, aber so ist das einzig wirklich Interessante an diesem Text die konkrete Beschreibung davon, wie die Familie die Gewalt des Tsunamis erlebte.
Da es aber um den Tsunami geht, der die ganze Welt bewegte, wüsste man gerne noch andere Dinge, zum Beispiel: Wie viele der obdachlos Gewordenen haben inzwischen wieder ein eigenes Dach über dem Kopf? Warum hat der Fischer, dem Haslinger begegnet ist, kein neues Boot? Haben die vielen Spendengelder dafür nicht gereicht?
Solcherlei indes wären Themen für Reportagen, und die kann man von einem staatlich anerkannten Schriftsteller nun nicht erwarten. Der nämlich weiß um die Ästhetik der Abenteuergeschichte. Zwar ist die ein reichlich veraltetes Genre, aber wenn einem unerwartet eine in den Schoß fällt, sagt man eben nicht nein. Und darum wissen wir jetzt, dass eine Urlaubsreise, sogar wenn man „das exquisiteste der resorts” gebucht hat, ganz schön schlimm ausgehen kann.
Es gibt Naturkatastrophen – so ist der Lauf der Welt
Josef Haslinger
Phi Phi Island
Ein Bericht. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007. 208 S., 17,90 Euro.
Er musste es erzählen, obwohl er es zuerst nicht wollte: Phi Phi Beach, Thailand, nach der Flutwelle vom 26. Dezember 2004. Foto: Saeed Khan/AFP
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Josef Haslinger hat mit seiner Familie in Thailand Urlaub gemacht. Dann kam der Tsunami. Und schließlich schrieb Josef Haslinger ein Buch, das ihm wohl mehr hilft, als es dem Leser bringt Von Iris Hanika
An Weihnachten 2004 flog der Schriftsteller Josef Haslinger mit seiner Familie nach Thailand, um dort zwei Wochen Ferien zu machen. Am 26. Dezember, dem zweiten Morgen ihres Aufenthalts, wurde die Insel, auf der sie zwei Bungalows gemietet hatten, vom Tsunami überrollt. Alle Familienmitglieder überlebten das Unglück und waren etwa drei Tage später wieder daheim in Wien.
Über dieses Erlebnis hat Josef Haslinger einen Bericht geschrieben, obwohl er das erst gar nicht wollte. Dann hat es ihn aber am Schreiben anderer Geschichten gehindert, so dass er es doch aufschreiben musste. Der Professor für Literarische Ästhetik am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig weiß: „erzählungen, die davon handeln, wie jemand in die ferne reist, es dort mit unerwarteten vorgängen zu tun bekommt, die es ungewiss machen, ob er überleben wird, heißen abenteuergeschichten. (. . .) ich habe die zufallsbekanntschaft mit einer abenteuergeschichte gemacht.”
Haslinger erwähnt in diesem Zusammenhang Kara Ben Nemsi, eine Figur aus der Zeit, als Nachrichten vom anderen Ende der Welt lange brauchten, bis sie ankamen, und schwer überprüft werden konnten. Beim Tsunami 2004 hingegen wussten die Daheimgebliebenen früher vom Ausmaß der Katastrophe als die, die sie selbst erlebten. Der Bericht muss also nicht ausgeschmückt werden, entsprechend sachlich bemüht Haslinger sich zu schreiben. Das tut er in radikaler Kleinschreibung. Das war jedoch keine ästhetische Entscheidung; der Grund liegt, wie man am Ende des Buches erfährt, darin, dass der Autor sich, als er gegen die große Welle um sein Leben kämpfte, die Sehnen am linken kleinen Finger zerschnitt und sie zu spät wieder zusammengenäht wurden. Jetzt kann der Finger die Umschalttaste am Computer nicht mehr bedienen. Zeige deine Wunde – auch wenn die Lesbarkeit darunter leidet. Oft merkt man gar nicht, dass ein Satz zu Ende ist und ein neuer angefangen hat. Dadurch hat der Text etwas unangenehm Drängendes; er schiebt den Leser voran wie eine Schlammlawine.
Der Bericht beginnt mit einer detaillierten Schilderung der Anreise; sobald die Familie in Thailand ist, wird keine Minute ausgelassen. Für die Beschreibung der Insel hat Haslinger offenbar auf Reiseprospekte zurückgegriffen: „paradiesische idylle”, „farbenprächtige unterwasserwelt”, „feinste weiße sandstrände”. Von der Topographie des Ortes bekommt man so keine Vorstellung. Doch viel wichtiger als die Umwelt ist dem Autor seine eigene Welt, also werden sämtliche Weihnachtsgeschenke, die sich die Familie gemacht hat und von denen natürlich keins mehr da ist, aufgelistet.
Damit man nun trotzdem nicht einschläft, erzählt Haslinger auf verschiedenen Zeitebenen. Die Reise, die mit dem Tsunami endete, steht im Imperfekt, alles, was danach geschah, im Präsens, auch die zweite Reise, die Haslinger ein knappes Jahr später für eine Woche nach Thailand zurückführte. Auch hierbei geht es ausschließlich um die Dinge, die der Autor zufällig persönlich gesehen hat. Er macht also genau denselben Spaziergang noch einmal und kann darum mitteilen, welche Bars wieder geöffnet haben und was es dort zu trinken gibt. Nicht nur radikal kleingeschrieben, sondern auch radikal subjektiv ist dieser Bericht, und darum zwischendurch reichlich läppisch. Nach dem Tsunami liegen Leichen herum, der Müll stapelt sich, schon bald fängt es an zu stinken, in einer Reisetasche findet sich Kleidung. Die einzige Sorge ist die Heimreise.
Dem Autor hat es gewiss gutgetan, diesen Bericht zu schreiben, denn wenn man etwas Schlimmes erlebt hat, hilft es, davon zu erzählen, um es zu verarbeiten. Für den, der etwas Schlimmes erlebt hat, ist das sehr wichtig. Für alle anderen nicht. Es stellt sich also die Frage, ob es nicht gereicht hätte, diese Geschichte Freunden und Verwandten, vielleicht auch einer Traumatherapeutin zu erzählen, statt das allgemeine Publikum daran teilnehmen zu lassen.
Der Tsunami war eine Naturkatastrophe. Es war nicht der erste Tsunami, und es wird nicht der letzte sein. Vielleicht war es der größte, vielleicht auch nicht. Es gibt Stürme, Erdbeben, Flutwellen, Dürre, Frost und vierzig Tage Regen, und meistens sterben Menschen dabei, und manchmal sind es sehr viele. So ist der Lauf der Welt. Die Natur lässt sich vom Wunsch nach einem angenehmen Tod nicht beeindrucken, und das wirklich Schreckliche an Naturkatastrophen ist am Ende immer nicht die Katastrophe selbst, sondern der Mensch, der sie für seine Zwecke ausnutzt, indem er plündert, Spendengelder in die eigene Tasche umleitet oder Politik macht, wie in der indonesischen Provinz Aceh, wo die Rebellen nun die Oberhand haben und die Einhaltung der Scharia mit Straßenpatrouillen kontrollieren.
Aber Haslinger war ja in Thailand. Die Einheimischen tauchen durchaus auf, er hat ihren Fährnissen einen Absatz gewidmet: „von den vielen millionen, die als tsunami-hilfe nach thailand flossen, haben die menschen auf phi phi island nicht viel gesehen. Für den totalverlust eines geschäfts gab es von der regierung umgerechnet vierhundert euro. für den tod eines angehörigen vierzig euro.” Ansonsten sind die Einheimischen attraktive Rezeptionistinnen; Masseurinnen, die anscheinend auch der Prostitution nachgehen; Leute, die sich nicht ordentlich anstellen, wenn es darum geht, auf das Boot zu kommen, das sie von der Insel wegbringt; sie sind Plünderer und aufdringliche Taxifahrer; buddhistische Nonnen und Mönche; eine alte Frau, die der Tochter eine neue Frisur macht; eine Krankenschwester, die sich für den Tsunami entschuldigt. Und einer ist Fischer, der sein Boot verloren hat. Sie sind Staffage.
Das wiederum liegt daran, dass Haslinger glaubt, er könne ein Ereignis, das ungefähr 231 000 Menschen den Tod brachte, als Abenteuergeschichte erzählen. Damit hat er sich überfordert. Das weiß er selbst und ist zumeist erfreulich uneitel. Manchmal aber vergreift er sich im Ton, und zwar gewaltig. Nach seinen Worten war nicht die Natur ungerecht, sondern „das große gericht”, als es die ganze Familie überleben ließ. Da der Autor nun sehr von dieser Ungerechtigkeit profitierte, ist es anmaßend, so zu sprechen. Außerdem wird suggeriert, die Katastrophe habe irgendeiner Logik gehorcht. In diesem Fall wäre es eine göttliche, bei einem anderen falschen Wort aber eine menschliche: „es gab drei extreme todeszonen auf phi phi island”.
Dieses unheimliche Wort „Todeszone” entspringt derselben Unbeholfenheit, die zu der Reiseprospektbeschreibung der Insel geführt hat. Ein Vernichtungslager könnte man eine „Todeszone” nennen, denn man denkt sich dabei etwas Menschengemachtes, weil das Wort etwas künstlich Gemachtes ist. Hätte Haslinger ein menschengemachtes Grauen erlebt, wäre in der Tat alles wichtig, auch die verlorenen Weihnachtsgeschenke, aber so ist das einzig wirklich Interessante an diesem Text die konkrete Beschreibung davon, wie die Familie die Gewalt des Tsunamis erlebte.
Da es aber um den Tsunami geht, der die ganze Welt bewegte, wüsste man gerne noch andere Dinge, zum Beispiel: Wie viele der obdachlos Gewordenen haben inzwischen wieder ein eigenes Dach über dem Kopf? Warum hat der Fischer, dem Haslinger begegnet ist, kein neues Boot? Haben die vielen Spendengelder dafür nicht gereicht?
Solcherlei indes wären Themen für Reportagen, und die kann man von einem staatlich anerkannten Schriftsteller nun nicht erwarten. Der nämlich weiß um die Ästhetik der Abenteuergeschichte. Zwar ist die ein reichlich veraltetes Genre, aber wenn einem unerwartet eine in den Schoß fällt, sagt man eben nicht nein. Und darum wissen wir jetzt, dass eine Urlaubsreise, sogar wenn man „das exquisiteste der resorts” gebucht hat, ganz schön schlimm ausgehen kann.
Es gibt Naturkatastrophen – so ist der Lauf der Welt
Josef Haslinger
Phi Phi Island
Ein Bericht. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007. 208 S., 17,90 Euro.
Er musste es erzählen, obwohl er es zuerst nicht wollte: Phi Phi Beach, Thailand, nach der Flutwelle vom 26. Dezember 2004. Foto: Saeed Khan/AFP
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.2007Vier Wiener im Paradies
Josef Haslingers bewegender Bericht über sein Katastrophen-Weihnachten 2004 mitten im südthailändischen Tsunami-Gebiet / Von Eberhard Rathgeb
Am Morgen des 26. Dezember hat Josef Haslingers Ehefrau Edith so etwas wie ein Erdbeben gespürt. Sie dachte sich aber nichts weiter dabei und ging wieder ins Bett.
Phi Phi Island ist eine Inselgruppe in der Andamanensee vor der Westküste von Südthailand. Rund achthundertfünfzig Menschen kamen hier ums Leben, als am 26. Dezember 2004 nach einem Erdbeben im Indischen Ozean das Meer sich aufbäumte und Land überschwemmte. Die durch das Beben ausgelösten Flutwellen haben insgesamt rund 227000 Menschen an den Küsten südasiatischer Regionen getötet.
Phi Phi Island war vor der Katastrophe ein Touristenparadies gewesen, vor allem für Jugendliche. Sonne, weiße Strände, Palmen, türkisfarbenes Meer, Korallenriffe, Berge. Und ein Flecken Land, auf dem sich Hotels, Bars, Restaurants, Geschäfte für dies und das, Massagesalons sowie Tauch- und Kletterschulen drängelten. Die thailändische Regierung hat diesen Bauboom nicht verhindern können. Die Insel war im Grunde genommen auch ein Platz für tage- und nächtelange Partys. Man mag sich das nicht vorstellen. Wer möchte schon genau wissen, wer in dieses aufgedrehte Naturtouristenparadies aus allen Ecken der Welt hingeflogen ist, als seien zwei, drei Wochen dort am Strand die natürlichste Sache von der Welt.
Einer, der dort hinflog, ist der österreichische Schriftsteller Josef Haslinger gewesen. Er flog mit seiner Familie an Weihnachten 2004 ins Paradies. Die Haslingers wohnen in Wien. Sie wollten zuerst nach Jamaika fliegen, das kannten sie schon. Sie flogen dann aber nach Phi Phi Island, das kannten sie noch nicht. Wer die Welt kennenlernen möchte, muss Ruhe und Zuversicht vor der Welt bewahren können. Sonst kommt man vor Aufregung und Ängstlichkeit nicht vom Fleck, bleibt daheim und liest die ganze Zeit Kant.
Den Hinweis auf dieses neue ferne Reiseziel hatten sie von einer Freundin der Tochter bekommen. Die endgültige Entscheidung fällte die Familie, als sich herausstellte, dass der Flug nach Thailand viel billiger war als der Flug nach Jamaika. Wo der Mensch überall hinkommt, weil es billig ist. Die vier Wiener mieteten sich zwei einander schräg gegenüberstehende Bungalows der komfortablen "Phi Phi Princess"-Anlage, die nahe am Meer lag. So konnten sich Eltern und Kinder von Haus zu Haus sehen. Als das Wasser kam, konnten die Eltern die Kinder rufen.
Am Morgen des 24. Dezember landete die Familie in Bangkok: Josef Haslinger, seine Frau Edith und ihre Zwillingskinder Sophie und Elias, die kurz vor der Matura standen. Es ist schön, dass Eltern mit ihren Kindern in diesem Alter beziehungsweise Kinder in diesem Alter mit ihren Eltern noch Urlaub machen können, ohne sich anzuöden. In dieser Familie muss es gut laufen.
Das Phi Phi Princess Hotel hatte damals, schreibt Josef Haslinger in seinem Bericht über die Ereignisse der kommenden Weihnachtstage, zweihunderteinundzwanzig Gäste. Nach der Katastrophe gab es auf der Homepage des Hotels eine Liste mit den Gästen jenes Unglückstages. Die meisten Gäste waren aus Großbritannien gekommen (wahrscheinlich weil es dort viel regnet), gefolgt von den Gästen aus Deutschland (wahrscheinlich weil es dort viel Urlaubsgeld gibt). Die Haslingers feierten Weihnachten wie gewohnt im Kreis der Familie. Sie standen im elterlichen Bungalow vor einem Weihnachtsbaum aus Plastik, verteilten ihre Geschenke und sangen "O Tannenbaum". Edith Haslinger hatte Kipferln gebacken. Josef Haslinger hat schon auf der Bootsüberfahrt nach Phi Phi Island gefilmt.
Wer nicht durch die weite Welt fliegt, sondern lieber das Klima schützt und deswegen keine weiten Sprünge macht, der sollte sich vor der Lektüre des bewegenden Berichtes einmal Bilder von Phi Phi Island, von der Natur und den Hotelanlagen, ansehen, damit man sich eine bessere Vorstellung davon machen kann, wohin die Haslingers von Wien aus über Weihnachten geflogen sind. Die Haslingers hatten sich vorher Prospekte angesehen, sie wussten also ungefähr, wie es dort aussah und was sie dort erwartete - normalerweise. Das normale Touristenleben auf Phi Phi Island hat ihnen keinen kulturkritischen Schrecken eingejagt, vor allem offenbar den Eltern nicht. Am 25. Dezember verlebten sie daher einen ganz normalen Tag, insofern für Österreicher ein zweiter Weihnachtsfeiertag auf den Phi Phi Islands ganz normal sein kann. Am Morgen des 26. Dezember hat Edith Haslinger so etwas wie ein Erdbeben gespürt. Sie dachte sich aber nichts weiter dabei und ging wieder ins Bett. Später, bei seiner zweiten Fahrt nach Phi Phi Island im Dezember 2005, hat Josef Haslinger einen Mann getroffen, der ihm erzählte, dass er ebenfalls damals früh am Morgen das Erdbeben gespürt habe und nach einem Blick auf das sich zurückziehende Meer mit seiner Familie in die Berge hinaufgegangen sei. Das ist einer der Zeugen der Katastrophe, mit denen Haslinger bei seinem zweiten Aufenthalt auf der Insel sprach, wahrscheinlich sprach er mit anderen darüber, um die eigenen Erlebnisse besser fassen zu können.
Gegen zehn Uhr saß die Familie beim Frühstück im Speisepavillon. Zurück in ihren Bungalows, hörten sie Lärm und sahen Menschen rennen, die offensichtlich in Panik waren. Da rannten sie los. Sie rannten mit den anderen Menschen mit.
Josef Haslinger ist Professor für literarische Ästhetik am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Sein Roman "Opernball" hat ihn 1995 einem größeren Publikum bekannt gemacht. Der Roman ist auch verfilmt worden. Die Geschichte handelt von einem Terroranschlag auf den Wiener Opernball. Ein Journalist, der die Live-Übertragung aus den Ballsälen koordinieren soll, beobachtet das Verbrechen auf den Monitoren. Sein Sohn ist unter den Opfern.
Ein Jahr nach dem Tsunami ist Haslinger zusammen mit seiner Frau erneut nach Phi Phi Island gefahren, nicht um Urlaub zu machen, sondern wegen seiner Erinnerungen. Über das Unglück am 26. Dezember 2004 hätte er, der zuerst gar nicht darüber schreiben wollte, einen Roman schreiben können, aber er hat dann, weil es keinen Sinn machte, um das tatsächliche Erleben auf gleichsam erfundenen Umwegen herumzuschleichen, einen im Ton nüchternen, doch gerade in dieser bebenden Nüchternheit noch um Fassung ringenden Bericht geschrieben, dessen Ebenen nicht durchgehend chronologisch aufeinander folgen, sondern kunstvoll, formsinnig ineinandergeschoben sind: Ereignisse und Erlebnisse vom 24. bis zum 28. Dezember 2004 und danach, Erkundungen des verwüsteten und wieder aufgebauten Terrains Anfang Dezember 2005, Gespräche und Nachforschungen.
Die Familie Haslinger überlebte, körperlich weitgehend unversehrt, abgesehen von zahlreichen Schnittwunden. Sie hatten, während sie mit den anderen Menschen zu einer Treppe rannten, die sie nach oben in vorläufige Sicherheit bringen sollte, nicht zusammenbleiben können. Die Wassermassen und die Menschenmenge hatten die Familie auseinandergerissen. Die vier haben sich rasch wiedergefunden. Sie alle haben Augenblicke in der Flut erlebt, in denen sie davon ausgingen, dass sie sterben würden. In der Not fanden sich schnell Menschen, die halfen.
Die Haslingers kamen nach wenigen Tagen zurück nach Hause, waren aber noch nicht daheim angekommen: Sie wurden von Träumen und Panikattacken geplagt. Hotels und Anlagen auf Phi Phi Island locken wieder Touristen an.
Als Josef Haslinger mit seiner Frau das zweite Mal nach Phi Phi Island flog, hatte er Angst, dass diese Reise kein glückliches Ende nehmen würde. Während er seinen Koffer packte, stellte er beunruhigt fest, dass er nur schwarze Kleider einpackte. Er tauschte sie daraufhin, über seinen Aberglauben den Kopf schüttelnd, gegen einige bunte Kleider um.
Man kann nicht leben, wenn man alles schwarzsieht. Hoffentlich findet Haslingers Bericht viele Leser.
Josef Haslinger: "Phi Phi Island". Ein Bericht. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007. 204 S., geb., 17,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Josef Haslingers bewegender Bericht über sein Katastrophen-Weihnachten 2004 mitten im südthailändischen Tsunami-Gebiet / Von Eberhard Rathgeb
Am Morgen des 26. Dezember hat Josef Haslingers Ehefrau Edith so etwas wie ein Erdbeben gespürt. Sie dachte sich aber nichts weiter dabei und ging wieder ins Bett.
Phi Phi Island ist eine Inselgruppe in der Andamanensee vor der Westküste von Südthailand. Rund achthundertfünfzig Menschen kamen hier ums Leben, als am 26. Dezember 2004 nach einem Erdbeben im Indischen Ozean das Meer sich aufbäumte und Land überschwemmte. Die durch das Beben ausgelösten Flutwellen haben insgesamt rund 227000 Menschen an den Küsten südasiatischer Regionen getötet.
Phi Phi Island war vor der Katastrophe ein Touristenparadies gewesen, vor allem für Jugendliche. Sonne, weiße Strände, Palmen, türkisfarbenes Meer, Korallenriffe, Berge. Und ein Flecken Land, auf dem sich Hotels, Bars, Restaurants, Geschäfte für dies und das, Massagesalons sowie Tauch- und Kletterschulen drängelten. Die thailändische Regierung hat diesen Bauboom nicht verhindern können. Die Insel war im Grunde genommen auch ein Platz für tage- und nächtelange Partys. Man mag sich das nicht vorstellen. Wer möchte schon genau wissen, wer in dieses aufgedrehte Naturtouristenparadies aus allen Ecken der Welt hingeflogen ist, als seien zwei, drei Wochen dort am Strand die natürlichste Sache von der Welt.
Einer, der dort hinflog, ist der österreichische Schriftsteller Josef Haslinger gewesen. Er flog mit seiner Familie an Weihnachten 2004 ins Paradies. Die Haslingers wohnen in Wien. Sie wollten zuerst nach Jamaika fliegen, das kannten sie schon. Sie flogen dann aber nach Phi Phi Island, das kannten sie noch nicht. Wer die Welt kennenlernen möchte, muss Ruhe und Zuversicht vor der Welt bewahren können. Sonst kommt man vor Aufregung und Ängstlichkeit nicht vom Fleck, bleibt daheim und liest die ganze Zeit Kant.
Den Hinweis auf dieses neue ferne Reiseziel hatten sie von einer Freundin der Tochter bekommen. Die endgültige Entscheidung fällte die Familie, als sich herausstellte, dass der Flug nach Thailand viel billiger war als der Flug nach Jamaika. Wo der Mensch überall hinkommt, weil es billig ist. Die vier Wiener mieteten sich zwei einander schräg gegenüberstehende Bungalows der komfortablen "Phi Phi Princess"-Anlage, die nahe am Meer lag. So konnten sich Eltern und Kinder von Haus zu Haus sehen. Als das Wasser kam, konnten die Eltern die Kinder rufen.
Am Morgen des 24. Dezember landete die Familie in Bangkok: Josef Haslinger, seine Frau Edith und ihre Zwillingskinder Sophie und Elias, die kurz vor der Matura standen. Es ist schön, dass Eltern mit ihren Kindern in diesem Alter beziehungsweise Kinder in diesem Alter mit ihren Eltern noch Urlaub machen können, ohne sich anzuöden. In dieser Familie muss es gut laufen.
Das Phi Phi Princess Hotel hatte damals, schreibt Josef Haslinger in seinem Bericht über die Ereignisse der kommenden Weihnachtstage, zweihunderteinundzwanzig Gäste. Nach der Katastrophe gab es auf der Homepage des Hotels eine Liste mit den Gästen jenes Unglückstages. Die meisten Gäste waren aus Großbritannien gekommen (wahrscheinlich weil es dort viel regnet), gefolgt von den Gästen aus Deutschland (wahrscheinlich weil es dort viel Urlaubsgeld gibt). Die Haslingers feierten Weihnachten wie gewohnt im Kreis der Familie. Sie standen im elterlichen Bungalow vor einem Weihnachtsbaum aus Plastik, verteilten ihre Geschenke und sangen "O Tannenbaum". Edith Haslinger hatte Kipferln gebacken. Josef Haslinger hat schon auf der Bootsüberfahrt nach Phi Phi Island gefilmt.
Wer nicht durch die weite Welt fliegt, sondern lieber das Klima schützt und deswegen keine weiten Sprünge macht, der sollte sich vor der Lektüre des bewegenden Berichtes einmal Bilder von Phi Phi Island, von der Natur und den Hotelanlagen, ansehen, damit man sich eine bessere Vorstellung davon machen kann, wohin die Haslingers von Wien aus über Weihnachten geflogen sind. Die Haslingers hatten sich vorher Prospekte angesehen, sie wussten also ungefähr, wie es dort aussah und was sie dort erwartete - normalerweise. Das normale Touristenleben auf Phi Phi Island hat ihnen keinen kulturkritischen Schrecken eingejagt, vor allem offenbar den Eltern nicht. Am 25. Dezember verlebten sie daher einen ganz normalen Tag, insofern für Österreicher ein zweiter Weihnachtsfeiertag auf den Phi Phi Islands ganz normal sein kann. Am Morgen des 26. Dezember hat Edith Haslinger so etwas wie ein Erdbeben gespürt. Sie dachte sich aber nichts weiter dabei und ging wieder ins Bett. Später, bei seiner zweiten Fahrt nach Phi Phi Island im Dezember 2005, hat Josef Haslinger einen Mann getroffen, der ihm erzählte, dass er ebenfalls damals früh am Morgen das Erdbeben gespürt habe und nach einem Blick auf das sich zurückziehende Meer mit seiner Familie in die Berge hinaufgegangen sei. Das ist einer der Zeugen der Katastrophe, mit denen Haslinger bei seinem zweiten Aufenthalt auf der Insel sprach, wahrscheinlich sprach er mit anderen darüber, um die eigenen Erlebnisse besser fassen zu können.
Gegen zehn Uhr saß die Familie beim Frühstück im Speisepavillon. Zurück in ihren Bungalows, hörten sie Lärm und sahen Menschen rennen, die offensichtlich in Panik waren. Da rannten sie los. Sie rannten mit den anderen Menschen mit.
Josef Haslinger ist Professor für literarische Ästhetik am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Sein Roman "Opernball" hat ihn 1995 einem größeren Publikum bekannt gemacht. Der Roman ist auch verfilmt worden. Die Geschichte handelt von einem Terroranschlag auf den Wiener Opernball. Ein Journalist, der die Live-Übertragung aus den Ballsälen koordinieren soll, beobachtet das Verbrechen auf den Monitoren. Sein Sohn ist unter den Opfern.
Ein Jahr nach dem Tsunami ist Haslinger zusammen mit seiner Frau erneut nach Phi Phi Island gefahren, nicht um Urlaub zu machen, sondern wegen seiner Erinnerungen. Über das Unglück am 26. Dezember 2004 hätte er, der zuerst gar nicht darüber schreiben wollte, einen Roman schreiben können, aber er hat dann, weil es keinen Sinn machte, um das tatsächliche Erleben auf gleichsam erfundenen Umwegen herumzuschleichen, einen im Ton nüchternen, doch gerade in dieser bebenden Nüchternheit noch um Fassung ringenden Bericht geschrieben, dessen Ebenen nicht durchgehend chronologisch aufeinander folgen, sondern kunstvoll, formsinnig ineinandergeschoben sind: Ereignisse und Erlebnisse vom 24. bis zum 28. Dezember 2004 und danach, Erkundungen des verwüsteten und wieder aufgebauten Terrains Anfang Dezember 2005, Gespräche und Nachforschungen.
Die Familie Haslinger überlebte, körperlich weitgehend unversehrt, abgesehen von zahlreichen Schnittwunden. Sie hatten, während sie mit den anderen Menschen zu einer Treppe rannten, die sie nach oben in vorläufige Sicherheit bringen sollte, nicht zusammenbleiben können. Die Wassermassen und die Menschenmenge hatten die Familie auseinandergerissen. Die vier haben sich rasch wiedergefunden. Sie alle haben Augenblicke in der Flut erlebt, in denen sie davon ausgingen, dass sie sterben würden. In der Not fanden sich schnell Menschen, die halfen.
Die Haslingers kamen nach wenigen Tagen zurück nach Hause, waren aber noch nicht daheim angekommen: Sie wurden von Träumen und Panikattacken geplagt. Hotels und Anlagen auf Phi Phi Island locken wieder Touristen an.
Als Josef Haslinger mit seiner Frau das zweite Mal nach Phi Phi Island flog, hatte er Angst, dass diese Reise kein glückliches Ende nehmen würde. Während er seinen Koffer packte, stellte er beunruhigt fest, dass er nur schwarze Kleider einpackte. Er tauschte sie daraufhin, über seinen Aberglauben den Kopf schüttelnd, gegen einige bunte Kleider um.
Man kann nicht leben, wenn man alles schwarzsieht. Hoffentlich findet Haslingers Bericht viele Leser.
Josef Haslinger: "Phi Phi Island". Ein Bericht. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007. 204 S., geb., 17,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Weit mehr als nur ein Bericht über sein persönliches Erleben der Tsunamikatastrophe sei Josef Haslinger hier gelungen, anerkennt Rezensent Oliver Pfohlmann. Ein Jahr, nachdem der Autor mit seiner Familie die Naturkatastrophe überlebt habe, sei er in einer Art "Traumabewältigung" wieder zum Ort des Geschehens gereist und habe anschließend das Buch geschrieben. Die Gliederung des Stoffes sei durch das Bemühen bestimmt, während des Schreibprozesses ein Verständnis für das zu gewinnen, was als chaotische Erinnerungsschnipsel, spätere Informationen und Albträume, aber auch an Bildern aus einer wiedergefundenen Kamera als Grundmaterial der Recherche vorliege. Immer "hektischer" springe der Erzähler zwischen den verschiedenen Zeitebenen hin und her. Die "Akribie", mit der auch noch die kleinsten Details festgehalten würden, führt der Rezensent auf die so drängende wie unerklärliche Frage zurück, warum ausgerechnet man selbst überlebt habe. Wichtig für die Kraft von Haslingers "hochreflexivem" Rekonstruktionsversuch, so der Rezensent, seien auch die vielen Stimmen von anderen Überlebenden, die er zu Wort kommen lasse.
© Perlentaucher Medien GmbH
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