Philologie ist ein Hochwertbegriff. Er verspricht handwerkliche Sorgfalt und profunde Kenntnis untergegangener Sprachen. Was aber macht die philologische Tätigkeit aus, aus welchen Traditionen kommt sie, welche Fragen beantwortet sie? Will die Philologie strukturelle Erkenntnisse über sprachliche Phänomene gewinnen - oder beschränkt sie sich auf die kunstvolle Pflege von Texten? Und wie positionieren sich europäische Philologen zu außereuropäischen Formen der Gelehrsamkeit? Gehört die Philologie ins Museum der Praktiken des 19. Jahrhunderts? Welches radikale Potenzial birgt die Aufklärungsphilologie, wie erfindet die Philologie ihre Rolle im digitalen Zeitalter neu? Diese Einführung gibt einen umfassenden Überblick und diskutiert Ansprüche und Verfahren sowie Krisen und Konjunkturen der philologischen Disziplin.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.12.2012Namenparcours
Dass Studienanfänger kaum Vorkenntnisse mitbringen, wird jeder Professor bestätigen: Wie leere Blätter kämen sie in die Vorlesungen und Seminare geweht. Nicht, dass sie dumm wären. Nur müsse man sie allererst studierfähig machen. Diese Klage ist schwer zu widerlegen. Wobei die Rückfrage erlaubt ist, ob die Klageführer sich eigentlich noch daran erinnern, wie kenntnisreich oder -arm sie selbst damals in die Universität gestolpert sind. Für wissenschaftliche Verlage öffnet sich hier ein fruchtbares Feld. Es gibt einen großen Bedarf an Einführungen. Die Aufgabe wird gern Jüngeren überlassen. Diese sind doch näher an den Einzuführenden - vom Alter her und weil sie zumeist die Anfängerveranstaltungen übernehmen müssen. Mit einer Einführung können Nachwuchswissenschaftler relativ schnell eine dringend benötigte Publikation verfertigen. Jedoch haben jüngere Einführungsautoren häufig nicht das studentische Publikum, sondern die etablierte Fachwelt vor Augen. Anstatt sich also in der Kunst des Einfachen zu üben, führen sie lieber den arrivierten Fachvertretern vor, was sie alles wissen und kennen. Dieser Gefahr ist auch Marcel Lepper in seiner kundigen, allzu kundigen Einführung in die Philologie erlegen. Er scheint nicht zu ahnen, dass auch die pädagogische Beschränkung auf das Allernotwendigste eine intellektuelle Leistung ist, weshalb er in Windeseile durch alle Zeiten, Kontinente, Methoden, Institutionen und Debatten der "Wort-Liebe" eilt. Doch was nützt Studienanfängern eine Einführung, die in jedem zweiten Satz einen neuen Namen präsentiert? (Marcel Lepper: "Philologie zur Einführung". Junius Verlag, Hamburg 2012. 180 S., br., 13,90 [Euro].)
jhc
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Dass Studienanfänger kaum Vorkenntnisse mitbringen, wird jeder Professor bestätigen: Wie leere Blätter kämen sie in die Vorlesungen und Seminare geweht. Nicht, dass sie dumm wären. Nur müsse man sie allererst studierfähig machen. Diese Klage ist schwer zu widerlegen. Wobei die Rückfrage erlaubt ist, ob die Klageführer sich eigentlich noch daran erinnern, wie kenntnisreich oder -arm sie selbst damals in die Universität gestolpert sind. Für wissenschaftliche Verlage öffnet sich hier ein fruchtbares Feld. Es gibt einen großen Bedarf an Einführungen. Die Aufgabe wird gern Jüngeren überlassen. Diese sind doch näher an den Einzuführenden - vom Alter her und weil sie zumeist die Anfängerveranstaltungen übernehmen müssen. Mit einer Einführung können Nachwuchswissenschaftler relativ schnell eine dringend benötigte Publikation verfertigen. Jedoch haben jüngere Einführungsautoren häufig nicht das studentische Publikum, sondern die etablierte Fachwelt vor Augen. Anstatt sich also in der Kunst des Einfachen zu üben, führen sie lieber den arrivierten Fachvertretern vor, was sie alles wissen und kennen. Dieser Gefahr ist auch Marcel Lepper in seiner kundigen, allzu kundigen Einführung in die Philologie erlegen. Er scheint nicht zu ahnen, dass auch die pädagogische Beschränkung auf das Allernotwendigste eine intellektuelle Leistung ist, weshalb er in Windeseile durch alle Zeiten, Kontinente, Methoden, Institutionen und Debatten der "Wort-Liebe" eilt. Doch was nützt Studienanfängern eine Einführung, die in jedem zweiten Satz einen neuen Namen präsentiert? (Marcel Lepper: "Philologie zur Einführung". Junius Verlag, Hamburg 2012. 180 S., br., 13,90 [Euro].)
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Höchst erfreulich findet Barbara von Reibnitz diesen Buchbeweis für die Befreiung der Philologie von elitärem Dünkel und Eurozentrismus. Mit diesem Autor würde sie gerne noch einmal die Propädeutik durchmachen. Wie Marcel Lepper Traditionen, Arbeitsweisen und Fragestellungen des Fachs konzis strukturiert und vor allem vor weit gespanntem Horizont erörtert, gefällt der Rezensentin ausnehmend gut. Philologie zwischen Grammatik und Hermeneutik, diese Perspektive kennt von Reibnitz bereits. Leppers Einbeziehung von nah- und fernöstlichen Traditionen, der Geschichte nordafrikanischer und japanischer Bibliotheken sowie arabistischer und hebraistischer Schriftkulturen und auch politischer Aufgabenstellungen in den Problemkreis Philologie, erscheint ihr allerdings frisch und richtungsweisend.
© Perlentaucher Medien GmbH
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