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Dem Prager Philologen Josef Körner (1888-1950) hat die deutsche und internationale Literaturforschung viel zu verdanken: Als herausragender Kenner des literarischen Lebens zwischen 1790 und 1830 und akribischer Editor hinterließ er bedeutende Ausgabenromantischer Texte und Korrespondenzen. Mit dem Fund von nahezu 3000 Briefen aus dem Umkreis der Brüder Schlegel im Nachlass der Madame de Stael auf Schloß Coppet am Genfer See und deren mustergültiger Kommentierung erweiterte er die Kenntnis von den personellen Konstellationen der klassisch-romantischen Literaturepoche. Doch Körner war nicht nur…mehr

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Produktbeschreibung
Dem Prager Philologen Josef Körner (1888-1950) hat die deutsche und internationale Literaturforschung viel zu verdanken: Als herausragender Kenner des literarischen Lebens zwischen 1790 und 1830 und akribischer Editor hinterließ er bedeutende Ausgabenromantischer Texte und Korrespondenzen. Mit dem Fund von nahezu 3000 Briefen aus dem Umkreis der Brüder Schlegel im Nachlass der Madame de Stael auf Schloß Coppet am Genfer See und deren mustergültiger Kommentierung erweiterte er die Kenntnis von den personellen Konstellationen der klassisch-romantischen Literaturepoche. Doch Körner war nicht nur ein detektivischer Romantikforscher: Als einer der ersten Literaturwissenschaftler erkannte er die Bedeutung Franz Kafkas und widmete sich in subtilen Studien dem Werk Arthur Schnitzlers. Als Rezensent hinterließ er eine Fülle präziser Besprechungen; sein 1949 erschienenes "Bibliographisches Handbuch des deutschen Schrifttums" gilt noch heute als unentbehrliches Nachschlagewerk.
Das arbei tsr
Autorenporträt
Hans Eichner, geboren 1921 in Wien, Studium der Germanistik an der University of London; Promotion 1949, Assistent Professor an der University of London 1948-1950; Professor für Germanistik an der Queen's University, Canada, 1950-1967, dann an der University of Toronto 1967-1988. Bücher über Thomas Mann, Friedrich Schlegel u.a. Ralf Klausnitzer, geboren 1967, Studium der Philosophie und der deutschen Literaturwissenschaft in Rostow/Don und Berlin; Promotion 1998 mit einer Arbeit zur Rezeption der Romantik im Dritten Reich; seit 1999 wissenschaftlicher Assistent an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.10.2001

Einmal und nie wieder wollte ich den Herrschaften meine Meinung sagen
Dokumente zur Geschichte einer gescheiterten Karriere: Schriften und Briefe des Romantikforschers Josef Körner
Auf Erstaunen, wenn nicht Befremden stieß im Jahre 1949 eine in der „Deutschen Literaturzeitung” abgedruckte Rezension zu Wolfgang Kaysers Buch „Das sprachliche Kunstwerk” (1948). Der Rezensent ließ nicht nur überdeutlich durchblicken, dass er selbst dieses Buch gern – und besser! - geschrieben hätte. Er gestattete sich zudem mitten in seinem weit ausgreifenden Text über das künftige Standardwerk der deutschen Nachkriegsgermanistik eine persönliche Zwischenbemerkung, deren für eine Fachzeitschrift überaus ungewöhnlicher Ton den Lesern schrill in den Ohren klingen musste: „Gerade in dem Augenblick, da ich bezügliche Vorarbeiten von nahezu zwei Jahrzehnten in ein systematisches Buch zu runden mich anschickte, bereits mit einem bedeutenden Verlage abgeschlossen und baldiges Erscheinen der „anthropologischen” Poetik „Dichtung als Ausdrucksgebilde” angekündigt hatte, bereitete die Weltkatastrophe diesem stolzen Planen ein Ende, politische Diskriminierung machte mich für ein volles Jahrzehnt bürgerlich wie literarisch tot. Meine neuen Arbeiten durften nicht gedruckt, meine älteren nicht zitiert werden; und so schwanden diese einer jüngeren Gelehrtengeneration (zu der auch Kayser gehört) eben aus dem Bewusstsein. Trotzdem und obwohl auch nach dem Kriege von allen Seiten im Stiche gelassen und in höchst prekäre Wirtschafts- und Wissenschaftslage versetzt, die wohl jedem anderen Lust und Kraft zum Weiterarbeiten für immer benommen hätte, bei schon erschütterter Gesundheit, habe ich durchaus nicht resigniert, sondern rüste und hoffe, dass dieses mein eigentliches Lebens- und Herzenswerk dennoch zustande kommt.”
Nicht lange nach dem Erscheinen dieser Zeilen, die ihm seine große Bitterkeit und sein großes Selbstbewusstsein gemeinsam diktiert hatten, starb Josef Körner (1888 bis 1950). Das Herzenswerk blieb ungeschrieben. Zum fünfzigsten Todestag des Gelehrten, der wie kein anderer die Quellen für das Studium der deutschen Romantik erschlossen hat, war der nun im Wallstein Verlag erschienene Band mit Schriften und Briefen geplant. Er verschafft nun der neuen Schriftenreihe der Marbacher „Arbeitsstelle für die Erforschung der Geschichte der Germanistik” einen mustergültigen Einstand. Der Herausgeber Ralf Klausnitzer, Autor einer umfangreichen Untersuchung zur Rezeption der deutschen Romantik im Dritten Reich („Blaue Blume unterm Hakenkreuz”, 1999), zeichnet in seinem sorgfältig recherchierten Nachwort den Lebensweg Körners nach: die Herkunft aus einer deutschsprachigen jüdischen Familie in Südmähren, das Studium in Wien, der Fronteinsatz im Sommer 1915, die Arbeit als Redakteur der Zeitschrift „Donauland”, die vergeblichen Versuche, in Prag eine Professur zu erhalten. Schließlich die Deportation nach Theresienstadt im Februar 1945, die Rückkehr nach Prag, die von Krankheit und Kärglichkeit überschatteten Nachkriegsjahre.
Der Habilitations-Skandal
Die Lektüre dieses Nachwortes ist der beste Einstieg in das Buch. Es erhellt im Durchgang durch eine missglückte Karriere die Gründe für die Bitterkeit wie für das Selbstbewusstsein Josef Körners. Bei Jakob Minor hatte er studiert, über die „Nibelungenhypothesen der Romantiker” promoviert, sich früh an der Erneuerung der Romantikforschung beteiligt. Als er sein minutiös aus den Quellen gearbeitetes, Kritik an den Klassikern nicht scheuendes Buch „Romantiker und Klassiker. Die Brüder Schlegel in ihren Beziehungen zu Schiller und Goethe” (1924) in Prag zur Habilitation einreichte, wurde der Antrag auf Betreiben des Lehrstuhlinhabers August Sauer abgelehnt. Vorbehalte gegen den Juden Körner spielten dabei nicht nur zwischen den Zeilen eine Rolle.
In Prag war im späten neunzehnten Jahrhunderten die Universität zweigeteilt worden, in eine tschechische und eine deutsche. August Sauer, der kein Tschechisch konnte, lehrte an der deutschen. Wie viele „auslandsdeutsche” Germanisten mochte er sich von „reichsdeutschen” Kollegen an nationaler Gesinnung nicht überbieten lassen. Das skandalöse Verfahren, in dem er Körners Habilitation zum Scheitern brachte, ließ im Niveau der Ranküne die von misstrauischem Unverständnis diktierte Ablehnung der Habilitationsschrift Walter Benjamins durch den Frankfurter Ordinarius Franz Schultz weit hinter sich. Schultz trug übrigens, nachdem Josef Körner formell gegen das Kommissionsvotum Widerspruch eingelegt hatte, durch ein vierseitiges Außengutachten maßgeblich zu Ablehnung des Rekurs-Antrags bei. Fritz Brüggemann, Hermann August Korff und Oskar Walzel traten hingegen öffentlich für Körner ein.
August Sauer nannte Josef Körner in einem Brief an Julius Petersen „ein übelbeleumundetes anationales Individuum”. Doch waren im Körner-Skandal neben dem persönlichen und nationalen Ressentiment Sauers die Richtungskämpfe innerhalb des Faches entscheidend. Klausnitzers kluge Auswahl aus Körners Schriften, deren imponierende Fülle in einer beigefügten Bibliographie hier erstmals dokumentiert ist, zeigt den Verfasser inmitten dieser Auseinandersetzungen. Sie bringt die Rezension, in der Körner sich 1919 scharf gegen die „Literaturgeschichte der deutschen Stämme und Landschaften” des August Sauer-Schülers Josef Nadler und die darin betriebene wechselseitige Isolierung von Klassik („Blüte der Altstämme”) und Romantik (”Blüte der Neustämme”) wandte. Gegen die Ausblendung der weltliterarischen Wahl- zugunsten der Blutsverwandtschaft hielt Körner lapidar fest, „dass der Doppelstrom Klassik-Romantik nicht bloß durch deutsche Lande fließt, ja dass sein Quellgebiet gar nicht hier, sondern in außerdeutscher Erde, vor allem in England gelegen ist”.
Körner schrieb diesen Satz als Erbe August Wilhelm Schlegels, dessen Wiener „Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur” (1808) er in „Die Botschaft der deutschen Romantik an Europa” (1929) kommentierte. Als Erbe komparatistisch orientierter Philologie, europäisch orientierter Germanistik. Auf Körners große Editionen, darunter die Briefsammlung „Krisenjahre der Frühromantik” kann die Auswahl nur hindeuten. Aber sie bringt den Aufsatz, in dem Körner stolz beschreibt, wie er im Sommer 1929 in Madame de Staels Schloss Coppet am Genfer See die verloren geglaubte Korrespondenz August Wilhelm Schlegels der Jahre 1804 bis 1812 entdeckte. Dass Körner nicht in blinder Liebe an der Rehabilitierung der Romantik arbeitete, zeigt sein Aufsatz über Achim von Arnims Antisemitismus.
Geistvoller Positivismus
Wenn überhaupt, so ist Josef Körner als Romantikforscher in Erinnerung. Zu recht präsentiert ihn diese Auswahl zugleich als Kenner der älteren Literatur, des Barock und nicht zuletzt der Gegenwartsliteratur. Franz Kafka, der August Sauers Vorlesungen enttäuscht verließ, schrieb an Körner, nachdem dieser in dem Aufsatz „Dichter und Dichtung aus dem deutschen Prag” (1917/18) die „Verwandlung” und ihren Autor aus dem Kreis um Max Brod hervorgehoben hatte, das habe bei ihm „eine Orgie der Eitelkeit” verursacht. Dass Körner den stadtbekannten Pazifisten Franz Werfel ebenfalls lobte – wie überhaupt sein Eintreten für die junge Prager Literatur –, wird seinen Leumund bei August Sauer nicht verbessert haben, der sich gern über die „Herren, die den Zionisten und Sozialisten nahestehen”, beklagte.
Etwas von dem Aktualitätsbewusstsein, mit dem die expressionistische Generation im Barock eine wahlverwandte Epoche entdeckte, mag in Körners Rezension des Buches „Deutsche Barockdichtung” (1924) von Herbert Cysarz eingegangen sein. Denn hier erschien das Barock vor allem als vorbereitendes, noch erfolgloses Ringen um die deutsche Klassik. Vehement brachte Körner gegen diese Eichung auf den „Meridian des Klassizismus” den Anteil des Barock an der Vorgeschichte der Romantik zur Geltung. Zugleich und vor allem aber attackierte er Cysarz- Buch als exemplarisches Produkt der vorschnellen Synthesenbildung geistesgeschichtlich orientierter Germanistik. Dies war zwar der Einspruch eines Quellenkundlers und Anwalts historisch- kritischer Detailforschung. Aber es war nicht der Einspruch eines verstockten Positivisten gegen den Aufschwung der Geistesgeschichte seit Wilhelm Dilthey. Mit wünschenswerter Deutlichkeit durchkreuzen Körners Schriften das in der Wissenschaftsgeschichte der Germanistik beliebte Klischee, demzufolge die Wiederentdeckung von Ästhetik und Poetik im frühen 20. Jahrhundert aus der Überwindung des ,geistlosen Positivismus’ hervorgegangen sei. Denn Körner steht für die Verschränkung von Positivismus und Geist. Sein Lebensprojekt einer großen Poetik hätte das Erbe Scherers in sich aufgenommen. Zugleich war der Maßstab, mit dem er das Buch von Cysarz richtete, eine der Gründungsurkunden der Rebellion gegen das, was auch Körner „die tote Chronik literarischer Fakta” nannte – Friedrich Gundolfs „Shakespeare und der deutsche Geist” (1911). Als Motto aktueller Revisionen der aus den zwanziger Jahren überkommenen Klischees empfiehlt sich eine Passage aus der eingangs zitierter Rezension zu Wolfgang Kayser: „Schon historisch ist es falsch, zwischen Wilhelm Scherer, dem vermeintlichen Matador des Positivismus, und Wilhelm Dilthey, seinem angeblichen Überwinder, eine Kluft aufzureißen, die zwischen diesen beiden Freunden nie bestanden hat. Dilthey blieb dem Positivismus zeitlebens recht nahe, Scherer strebte kraft Begabung und Neigung allweg über ihn hinaus.”
Briefe an Käte Hamburger
Nach dem Tode August Sauers im Jahre 1926 und langen Querelen erhielt Josef Körner 1930 doch noch seine venia legendi. Aber als er nach dem Einmarsch der deutschen Truppen im März 1939 sein Lehramt verlor, war das nur der Tiefpunkt einer Karriere, die in ihren akademischen Ambitionen schon lange zuvor gescheitert war. Viele Seiten des Bandes, mit dem Josef Körner nun verspätet geehrt wird, wenden sich vor allem an das Fachpublikum. Aber die gut 250 Seiten mit seinen vom Januar 1946 bis zum Mai 1950 geschriebenen Briefen an die damals im Exil in Schweden lebende Literaturwissenschaftlerin Käte Hamburger (1896 bis 1992) sind ein Buch im Buch für alle Leser. Die luziden Facherörterungen, etwa über die Umrisse der geplanten „anthropologischen” Poetik oder die Form des Dramas, sind hier in eine Fülle historischer und alltäglicher Details eingelassen. das Buch im Buch erzählt vom kargen Leben der deutsch orientierten Familie Körner im Nachkriegsprag, während die Deutschen allerorts vertrieben werden. Es erzählt von der unermüdlichen Arbeit des unermüdlichen Bibliographen am „Bibliographischen Handbuch des deutschen Schrifttums” (1949) und von seiner Sehnsucht nach gelehrtem Austausch und Anerkennung. Es hält das Zögern angesichts vager Angebote aus Amerika und die aggressive Resignation fest, mit der er die Nachrichten von der Schändung jüdischer Friedhöfe in Deutschland und die Rückkehr ganzer Scharen kompromittierter Germanisten an die deutschen Universitäten verfolgt. Es enthält die düsteren Reflexionen Koerners über die Vernichtung der europäischen Juden.
Es zeigt zudem, wie an die Position Arthur Schnitzlers, mit dem Körner korrespondiert und über den er 1921 ein ganzes Buch publiziert hatte, mehr und mehr Thomas Mann rückte. Über ihn kreuzten Körner und Hamburger in ihrem Briefwechsel die Klingen. Sie als Anwältin der „Josefsromane”, die Körner nicht ausstehen konnte; er als zunehmend faszinierter Leser und Kommentator des „Doktor Faustus”, über den Hamburger eine ablehnende Rezension veröffentlichte, die Thomas Mann erboste. Schade nur, dass dieses Buch im Buch eine Separatpublikation des Briefwechsels unter Einschluss der Briefe Käte Hamburgers nicht eben begünstigt.
Als Käte Hamburger den „allzu persönlichen” Einschub in der Kayser- Rezension missbilligte, schrieb Körner zurück: „Selbstverständlich ist das eine völlig ungehörige Sache, dennoch aber, und zwar im vollen Bewusstsein dieser Ungehörigkeit, von mir unternommen, weil gerade der allgemeine Ärger, der darüber entstehen musste, die Aufmerksamkeit erhöht, die ich à tout prix erregen wollte. Einmal und natürlich nie wieder wollte ich den Herrschaften meine Meinung sagen.”
LOTHAR MÜLLER
JOSEF KÖRNER: Philologische Schriften und Briefe. Herausgegeben von Ralf Klausnitzer. Mit einem Vorwort von Hans Eichner. Wallstein Verlag, Göttingen 2001. 476 Seiten, 78 Mark.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Einen fast vergessenen Autor für die "happy few" hat Rezensent "haj" bislang in dem Prager Germanisten und Romantik-Spezialisten Josef Körner gesehen. Mit diesem Band nun kann sich das ändern. Nicht bloß, weil er Proben aus den diversen Arbeitsgebieten des Gelehrten enthält, die, wie "haj" sich freut, dessen Scharfblick und Tiefgründigkeit belegen, sondern auch, weil die beigefügten Briefe an Käte Hamburger sowie ein "gehaltvolles Nachwort" den Zugang zu Persönlichkeit und Werk "in wünschenswerter Deutlichkeit" erschließen.

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