Mit Richard Rorty verstarb im Sommer 2007 einer der einflußreichsten Intellektuellen des 20. Jahrhunderts. Spätestens seit seiner aufsehenerregenden Demontage des cartesianischen Selbstverständnisses der Philosophie in "Der Spiegel der Natur" gehörte er zu den meistgelesenen Philosophen weltweit, der auch aufgrund seiner politischen Interventionen Bekanntheit erlangte. Heidegger, Wittgenstein und vor allem John Dewey waren seine Gewährsmänner, deren Einsichten er mit analytischer Brillanz für die Gegenwart fruchtbar machte. Romantische Ironie und weltbürgerliche Solidarität galten ihm mehr als philosophische Besserwisserei. Philosophie - das war für Rorty kein akademisches Fach, exklusiv zuständig für die "ersten Fragen", sondern vielmehr eine Stimme unter vielen im großen zivilisatorischen Gespräch der Menschheit.Philosophie als Kulturpolitik, der letzte von Rorty selbst zusammengestellte Band mit zum Teil bislang unveröffentlichten Essays, kann als sein Vermächtnis gelesen werden: Religion und Moralphilosophie, Wittgenstein und Kant, Naturalismus, romantischer Polytheismus und immer wieder die analytische Philosophie und ihre "Heilung" durch den Pragmatismus sind die scheinbar disparaten Themen, die gleichwohl durch ein starkes Band zusammengehalten werden, nämlich die Frage nach der Rolle der Philosophie in der westlichen Kultur, genauer: Wie muß man philosophieren, um als Philosoph einen sinnvollen Beitrag zur menschlichen Kultur leisten zu können? Rortys Antwort: Man muß sich entscheiden, und zwar gegen den Elfenbeinturm und für den kulturellen Wandel durch das Gespräch - mit den Naturwissenschaften, der Kunst, der Literatur, der Religion und der Politik.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Rezensent Thomas Assheuer verneigt sich vor dem im vergangenen Jahr verstorbenen amerikanischen Philosophen und seinem posthum erschienenen Essayband mit dem für seinen Geschmack etwas "abschreckenden Titel". In ihm könne man noch einmal nachlesen, wie "leichthändig" Richard Rorty "die dicken Mauern philosophischer Weltgebäude" nach hohlen Stellen abgeklopft, wie "federnd und elegant" er "sein Florett" geführt habe. Besonders begeistert sich der Rezensent für Rortys Theorie von der Ironie als Fanatismusvermeidung. Manchmal allerdings sieht er dessen Überlegungen auch in ungemütliche, nichtsdestotrotz äußerst nachdenkenswerte Regionen wachsen: Wenn Rorty zum Beispiel die Existenz einer "kontextfreien gültigen Vernunft" bezweifelt, die er nicht so sehr als Kategorie denn als Prozess verstanden wissen will. In diesem Zusammenhang beeindrucken den Rezensenten auch Rortys Überlegungen zur Frage, warum der westliche Universalismus in der nichtwestlichen Welt so wenig Freunde findet. Die Übersetzung der Aufsätze wird ebenfalls sehr gelobt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Die Leichtfüßigkeit seiner makellosen Sprache täuscht über den Schwierigkeitsgrad dieses scharfsinnigen Denkers hinweg.« Thomas Assheuer DIE ZEIT