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Was bedeutet es, Philosoph zu sein? In Shustermans Werk lebt die uralte Idee von Philosophie als einer bewußten Lebenspraxis, die ein Leben voller Schönheit und Glück für die sie Praktizierenden mit sich bringt, wieder auf, eine Idee, die er bis in die Antike zurückverfolgt. Selbst wenn wir bezweifeln, daß jede Lebenskunst eine umfassende philosophische Theorie in sich birgt, und jede Theorie eine Lebensweise ausdrückt, so sollten wir dennoch unsere Lebenskunst auf unserem Wissen und unserer Weltsicht aufbauen, und umgekehrt nach dem Wissen streben, welches unserer Lebenskunst dient.…mehr

Produktbeschreibung
Was bedeutet es, Philosoph zu sein? In Shustermans Werk lebt die uralte Idee von Philosophie als einer bewußten Lebenspraxis, die ein Leben voller Schönheit und Glück für die sie Praktizierenden mit sich bringt, wieder auf, eine Idee, die er bis in die Antike zurückverfolgt. Selbst wenn wir bezweifeln, daß jede Lebenskunst eine umfassende philosophische Theorie in sich birgt, und jede Theorie eine Lebensweise ausdrückt, so sollten wir dennoch unsere Lebenskunst auf unserem Wissen und unserer Weltsicht aufbauen, und umgekehrt nach dem Wissen streben, welches unserer Lebenskunst dient. Philosophie ist dann am stärksten, wenn sie beide Formen einer Praxis miteinander kombiniert, damit sie sich wechselseitig ergänzen. Eine wesentliche Quelle für Shustermans Konzept bildet der Pragmatismus, der die Theorie als nützliches Instrument für eine höherstehende philosophische Praxis ansah - für die Kunst, gut und weise zu leben. In seinem Buch diskutiert der Autor auch die widersprüchliche Beziehung zwischen Ethik und Politik und untersucht Probleme von Liberalismus, Gemeinschaft und Demokratie. Der Pragmatismus stärkt sowohl die Kunst als auch die Philosophie, weil er nicht nur die vitalen praktischen und kognitiven Interessen in der Kunst betont und die Legitimität populärer Kunstformen, wie Hip-Hop und Rap, verteidigt, sondern auch die Idee von Philosophie als Lebenskunst erneuert. Im abschließenden Kapitel setzt sich Shusterman mit der für ihn beunruhigenden Frage nach der eigenen jüdischen Identität auseinander, die er nun als zutiefst prägenden, wenn auch lange unbewußt gebliebenen Einfluß auf sein philosophisches Leben anerkennt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.02.2002

Sanfter atmen
Richard Shusterman hat die Nase voll von Worten über Worte
Was haben Michel Foucaults Experimente mit harten Drogen und sadomasochistischem Sex gemeinsam mit Ludwig Wittgensteins Anrennen gegen die Grenzen der Sprache? Die ästhetische und körperbezogene Intention eines philosophischen Lebens, lautet Richard Shustermans witzige Antwort. Was ist das Gemeinsame zwischen Jürgen Habermas, der die Vernunft „detranszendentalisiert” und in die intersubjektiven Gründe des kommunikativen Handelns verlagert, und seinem befreundeten Widersacher Richard Rorty, der partikulare, kontingente, privatisierende sprachliche Praktiken favorisiert, um sich selbst immer wieder neu zu erschaffen? Beide fixieren sich auf die Sprache und kennen nicht die intensiven Freuden einer lustbetonten körperlichen Erfahrung, kritisiert Shusterman.
Und was hat Sokrates, der zeigte, wie die Idee des Guten lebenspraktisch verwirklicht werden sollte, wobei er vor allem durch Tanztraining „in guter Form” war, gemeinsam mit Shusterman, der ein Buch über „Practicing Philosophy” geschrieben hat? Sie sind verbunden durch die Idee einer praktischen Philosophie, die ein Leben voller Schönheit und Glückseligkeit, Güte und Weisheit bringen soll, wobei die ästhetische „Sorge um den Körper” die entscheidende Rolle spielt.In „Philosophie als Lebenspraxis”, einer Sammlung von sieben Essays in pragmatischer Hinsicht, hat Shusterman eine Art „somästhetischer Wende” vollzogen. Gegen den linguistic turn, der die „Ideologie der logisch-linguistischen Analyse” an den Universitäten professionalisiert und vom Leben isoliert habe, opponiert der Professor für Philosophie an der Temple University in Philadelphia mit einem pragmatic return, der zum verdrängten Körper zurückkehren will.
Sokrates, Henry David Thoreau und James Dewey sind seine geliebten Vorbilder, wobei er vor allem ihre körperlichen Aktivitäten akzentuiert. „Somästhetik” heißt das Programm, in dem sich die Hoffnung auf eine „zutiefst verkörperte philosophische Praxis” ausdrückt. Als Somatiker hat Shusterman die Nase voll vom extremen Professionalismus einer akademischen Philosophie, die sich mit begrifflicher Präzision, methodischer Strenge und logischem Scharfsinn auf ihre immer und immer wieder durchgekauten Standardthemen konzentriert: Bedeutung, Begriff, Urteil, Gedanke, Wahrheit, Wissen etc. Diese Philosophie des Campus habe sich weitgehend vom Pragmatismus der Polis, dem Hauptstrom des gesellschaftlichen Lebens, abgetrennt und sei zu einem formalistischen, spezialistischen, technizistischen Textualismus degeneriert. Nur noch Worte über Worte. Wer dagegen „das Leben als das zentrale philosophische Projekt” favorisiere, müsse das theoretische Nachdenken wieder als ein nützliches Instrument für eine höher stehende philosophische Praxis einsetzen: „für die Kunst, gut und weise zu leben”.
Dieser pragmatische Selbstheilungsversuch, denn Shusterman zählt sich selbst zu jenen „humanistischen Akademikern”, denen die Universität als die einzige Gemeinschaft gilt, „in der wir wirklich leben”, klingt nicht unsympathisch. Man wünscht Shusterman alles Gute. Möge er jene „Glückseligkeit” erfahren, die er als besten Grund und größte Belohnung eines philosophischen Lebens in Aussicht stellt. Aber die „verkörperte Praxis”, die Shusterman gegen eine intellektualisierte Philosophie der Sprache beschwört, bleibt eigentümlich unkonzentriert und vage. Sie gewinnt kein klares Profil, besitzt keine gedankliche Radikalität. Shusterman entschärft die Philosophie und besänftigt ihre beunruhigende Kraft. Aus dem stoischen Kampf gegen die unkontrollierbaren Widerfahrnisse des Lebens macht er eine ruhige und einfache Übereinstimmung mit der Natur.
Von Wittgensteins verstörender Sinnlichkeit bleibt ein sprachloses Somatisches, als „integraler Bestandteil des Ideals eines philosophischen Lebens”. Und gegenüber Foucaults radikalen Körpererfahrungen bevorzugt er sanfte Formen. Am Ende werden als philosophisch-lebenspraktische Heilmittel nur subtile Übungen des Oberkörpers und des Torsos, verbunden mit einer veränderten Atmung, empfohlen. Wie sie funktionieren, wird nicht ausgeführt. Man erfährt nur, dass Shusterman sie zufrieden stellend praktiziert. Erwähnt, jedoch nicht erläutert, werden Alexander-Technik, Feldenkrais-Methode, Bioenergetik, Hatha Yoga und T'ai chi ch'uan, die gegen die „unerfreulich blutleeren” Ausgeburten des philosophischen Kopfes helfen sollen. Das mag für Shustermans Wunsch nach „Glückseligkeit” und „Schönheit” genug sein und kann ja auch nicht schaden. Für ein Leben, das sich der reflexiven Radikalität des philosophischen Denkens verschreibt, ist es zu wenig.
MANFRED GEIER
RICHARD SHUSTERMAN: Philosophie als Lebenspraxis. Wege in den Pragmatismus. Akademie Verlag, Berlin 2001. 289 Seiten, 19,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Trotz mancher Schwäche erblickt Rezensent Dieter Thomä in Richard Shustermans "Philosophie als Lebenspraxis" ein sympathisches Buch. Durchaus im Sinn antiker Lebenslehren empfehle Shusterman die Philosophie als Schlüsseldisziplin für das große Projekt der "Selbstverbesserung". Im Unterschied zu traditionellen Vorläufern geht es Shusterman laut Thomä allerdings nicht um die Vergeistigung des Lebens. Vielmehr plädiert der Autor für eine philosophische Hinwendung zum Körper, für eine "körperbezogene Ästhetik" auf Grundlage von Atemübungen und Meditation, berichtet Thomä. Der Rezensent sieht darin eine "großzügige Art, die Grenzen herkömmlicher Philosophie" zu überschreiten. Damit tritt für Thomä aber auch eine "merkwürdige Begrenztheit" von Shustermans Ansatz zutage, denn mit der Rehabilitierung des Körpers ist die von Shusterman beschworene "Körper-Ästhetik" nach Ansicht von Thomä keineswegs erreicht. Thomä bemängelt in diesem Zusammenhang insbesondere, dass Shusterman die medizinische Sorge um den Körper weitgehend ausklammert, und übersieht, dass die Standards für die körperliche "Selbsterschaffung" heute zuallererst von Disziplinen, wie Gentechnologie und Schönheitschirurgie gesetzt werden.

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