Damit eine Revolution stattgefunden haben wird, müssen Mauern überwunden, Plätze besetzt, Türen eingetreten werden. Was ist der Anteil der Architektur am Gelingen oder Scheitern sozialer Ereignisse? Können wir nur etwas erfahren, das die Architektur vorprogrammiert? In seinem Buch 'Philosophie der Architektur' analysiert Ludger Schwarte die Möglichkeiten der Architektur, über die Produktion von Räumen, Zeiten und Interaktionsmedien kulturelle Grundlagen und soziale Lebenswelten einzurichten, festzulegen oder veränderbar zu machen. Ausgehend von der Beobachtung, dass die französische Revolution auf Straßen und Plätzen stattgefunden hat, die noch keine 100 Jahre alt waren und dass sich die revolutionären Massen ohne diese öffentlichen Räume nicht hätten formieren können, beschreibt Ludger Schwarte die performative Kraft der Architektur, um zugleich das Bild der Architektur als Disziplinierungsinstrument, wie es Michel Foucault gezeichnet hat, zu korrigieren wie auch die Vorstellung, Architektur sei als Umweltgestaltung, als Entwurf und Ausführung Inbegriff des Könnens. Nicht zuletzt die Analyse öffentlicher Räume erfordert eine Neubestimmung des Architekturbegriffs am Schnittpunkt von Ontologie, politischer Philosophie und Ästhetik. Im Hinblick darauf verfolgt Schwarte die Spur architektonischen Denkens in der Philosophiegeschichte und stellt zudem den Diskurs der Architekturphilosophie dar, der sich in den letzten Jahren vor allem im englischen und französischen Sprachraum ausgebildet hat. Während dort die Architektur als Machttechnik erörtert wird, führt eine Untersuchung öffentlicher Räu-me zu einer Fokussierung der Argumentation auf die Möglichkeiten freiheitlicher Praktiken und auf die architektonischen Bedingungen der Demokratie: Welche Techniken können bestimmen, was in Erscheinung tritt und wessen Stimme zählt? Welche Räume lassen Versammlungen, politische Interventionen und Ereignisse zu? Wenn Architektur nicht länger als Inbegriff des Könnens gelten soll - so die zentrale These des Buches -, dann sollte sie als Ermöglichung begriffen werden.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Thomas Steinfeld wundert sich, dass es eine Philosophie der Architektur noch nicht gibt. Wenn der Band von Ludger Schwarte entsprechend hochfahrend und zugleich in weiten Teilen kursorisch daherkommt, erscheint ihm das hingegen folgerichtig. Andauernd bringe die Lektüre neue Fragen ans Licht: Was ist ein Raum? Aber lieber nimmt sich der Rezensent den Mittelteil des Buches vor. Hier gehe es bestimmter und lehrreicher zu. Etwa bei einer Typologie des Baus im öffentlichem Raum: Platz, Friedhof, Bordell. Dass sie allesamt Ausdruck und Instanz philosophischer Ideen zum menschlichen Miteinander sind, lernt der Rezensent in diesem Buch.
© Perlentaucher Medien GmbH
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