Simmel vertritt bereits um 1900 die These, dass das Geld zunehmenden Einfluß auf Gesellschaft, Politk und auch auf das Individuum erlange. Schon das Selbstwertgefühl des Menschen und seine Lebenseinstellung werde zunehmend durch das Geld bestimmt. Die Geldwirtschaft habe zwar die Abkehr vom feudalistischen Strukturen und die Bildung von Demokratien ermöglicht; in der Moderne sei Geld jedoch immer mehr zum Selbstzweck geworden.
Der vorliegende Abdruck der "Philosophie des Geldes" gibt die "Zweite, vermehrte Auflage" dieses Werkes wieder, die 1907 (...) in Leipzig erschien. Emendationen dieses Textes wurden möglich durch Vergleich und im Zweifelsfall erfolgten Rückgriff auf die erste Ausgabe der "Philosophie des Geldes", die 1900 (...) erschienen war, durch Rückgriff auf Texte und Textpassagen in und aus Aufsätzen über dieselbe Thematik und Vorveröffentlichungen sowie in einem Falle durch Heranziehung eines späteren Nachdruckes.(...) Als erste eindeutige Vorformulierungfür die geplante Monographie kann der 1897 unter dem Titel "Die Bedeutung des Geldes für das Tempo des Lebens" erschiene Aufsatz gelten. (...) Seit 1897 hat Simmel nicht mehr vor, eine "Psychologie", sondern nunmehr eine "Philosophie des Geldes" zu schreiben. (aus: Edit. Bericht, S. 725 f.)
"... ein Buch, in dem ich die geistigen Grundlagen und die geistige Bedeutung des wirtschaftlichen Lebens aufzuzeigen versuche. Die Behauptung des historischen Materialismus, der alle Formen und Inhalte der Kultur aus den jeweiligen Verhältnissen der Wirtschaft aufwachsen läßt, ergänze ich durch den Nachweis, daß die ökonomischen Wertungen und Bewegungen ihrerseits der Ausdruck tiefergelegener Strömungen des individuellen und des gesellschaftlichen Geistes sind." (aus Georg Simmel, Selbstanzeige , S. 719)
Der vorliegende Abdruck der "Philosophie des Geldes" gibt die "Zweite, vermehrte Auflage" dieses Werkes wieder, die 1907 (...) in Leipzig erschien. Emendationen dieses Textes wurden möglich durch Vergleich und im Zweifelsfall erfolgten Rückgriff auf die erste Ausgabe der "Philosophie des Geldes", die 1900 (...) erschienen war, durch Rückgriff auf Texte und Textpassagen in und aus Aufsätzen über dieselbe Thematik und Vorveröffentlichungen sowie in einem Falle durch Heranziehung eines späteren Nachdruckes.(...) Als erste eindeutige Vorformulierungfür die geplante Monographie kann der 1897 unter dem Titel "Die Bedeutung des Geldes für das Tempo des Lebens" erschiene Aufsatz gelten. (...) Seit 1897 hat Simmel nicht mehr vor, eine "Psychologie", sondern nunmehr eine "Philosophie des Geldes" zu schreiben. (aus: Edit. Bericht, S. 725 f.)
"... ein Buch, in dem ich die geistigen Grundlagen und die geistige Bedeutung des wirtschaftlichen Lebens aufzuzeigen versuche. Die Behauptung des historischen Materialismus, der alle Formen und Inhalte der Kultur aus den jeweiligen Verhältnissen der Wirtschaft aufwachsen läßt, ergänze ich durch den Nachweis, daß die ökonomischen Wertungen und Bewegungen ihrerseits der Ausdruck tiefergelegener Strömungen des individuellen und des gesellschaftlichen Geistes sind." (aus Georg Simmel, Selbstanzeige , S. 719)
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.12.2011Das Tor
zur Freiheit
Wer genug hat von oberflächlichen Geschichten rund um das Thema Geld, der kann sich durch Georg Simmels „Philosophie des Geldes“ arbeiten. Und Arbeit ist dieses fast 800 Seiten starke Werk wirklich, aber sie lohnt sich. Der Soziologe hat diese Kulturtheorie des Geldes im Jahr 1900 geschrieben und damit dem Leser einen Kosmos für die menschlichen und gesellschaftlichen Wirkweisen des Geldes geöffnet. Man lernt, wie der Substanzwert des Geldes immer stärker dem Funktionswert weicht: Erst zahlten die Menschen mit Gebrauchsgegenständen wie Muscheln oder Salz, später mit seltenen Metallen, dann mit Papier. Besonders spannend ist die Lektüre wegen des aufgearbeiteten Zusammenhangs zwischen der Geldwirtschaft und der Entwicklung der individuellen Freiheit.
Geld hat den Alltag des Menschen seit Jahrtausenden geprägt. In der lydischen Stadt Sardis entstand in der griechischen Antike der erste Marktplatz, auf dem jeder seine Waren anbieten konnte, zugleich fanden dort die ersten Glücksspiele statt. Geld veränderte die Art des Tausches, aber auch den sozialen Zusammenhalt. Der Mensch konnte sich aus seiner Familie oder der Zunft lösen, wenn er Geld hatte. Geld schwächte die traditionellen Bindungen und verhalf dem Einzelnen zu Freiräumen. Der Mensch „gewann Freiheit von etwas, aber nicht Freiheit zu etwas. Dass es eine bloß negative Freiheit ist, die der Geldbesitz gegenüber jedem anderen (. . .) verleiht, ist nicht ohne Belang für das Verständnis unserer Zeit", schreibt Simmel.
Das Buch ist aktuell, manches würde man heute anders ausdrücken. Beim Einfluss des Geldes auf den Alltag spricht man jetzt von der Ökonomisierung des Lebens. Angesichts dieser Abhängigkeit kann der Mensch die gewonnene Freiheit so recht nicht genießen. „So erklärt es sich, dass unsere Zeit, die als Ganzes betrachtet, trotz allem, was zu wünschen bleibt, sicher mehr Freiheit besitzt als irgend eine frühere, dieser Freiheit doch so wenig froh wird“, schreibt Simmel. Die Freiheit eröffnet dem Menschen, nach anderen Zielen zu streben. Simmel ist ebenfalls seiner Berufung nachgegangen. Durch ein Erbe konnte er sich seinen soziologischen Studien ohne Bezahlung widmen.
Caspar Dohmen
Georg Simmel: Philosophie des Geldes. Suhrkamp, 22 Euro.
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zur Freiheit
Wer genug hat von oberflächlichen Geschichten rund um das Thema Geld, der kann sich durch Georg Simmels „Philosophie des Geldes“ arbeiten. Und Arbeit ist dieses fast 800 Seiten starke Werk wirklich, aber sie lohnt sich. Der Soziologe hat diese Kulturtheorie des Geldes im Jahr 1900 geschrieben und damit dem Leser einen Kosmos für die menschlichen und gesellschaftlichen Wirkweisen des Geldes geöffnet. Man lernt, wie der Substanzwert des Geldes immer stärker dem Funktionswert weicht: Erst zahlten die Menschen mit Gebrauchsgegenständen wie Muscheln oder Salz, später mit seltenen Metallen, dann mit Papier. Besonders spannend ist die Lektüre wegen des aufgearbeiteten Zusammenhangs zwischen der Geldwirtschaft und der Entwicklung der individuellen Freiheit.
Geld hat den Alltag des Menschen seit Jahrtausenden geprägt. In der lydischen Stadt Sardis entstand in der griechischen Antike der erste Marktplatz, auf dem jeder seine Waren anbieten konnte, zugleich fanden dort die ersten Glücksspiele statt. Geld veränderte die Art des Tausches, aber auch den sozialen Zusammenhalt. Der Mensch konnte sich aus seiner Familie oder der Zunft lösen, wenn er Geld hatte. Geld schwächte die traditionellen Bindungen und verhalf dem Einzelnen zu Freiräumen. Der Mensch „gewann Freiheit von etwas, aber nicht Freiheit zu etwas. Dass es eine bloß negative Freiheit ist, die der Geldbesitz gegenüber jedem anderen (. . .) verleiht, ist nicht ohne Belang für das Verständnis unserer Zeit", schreibt Simmel.
Das Buch ist aktuell, manches würde man heute anders ausdrücken. Beim Einfluss des Geldes auf den Alltag spricht man jetzt von der Ökonomisierung des Lebens. Angesichts dieser Abhängigkeit kann der Mensch die gewonnene Freiheit so recht nicht genießen. „So erklärt es sich, dass unsere Zeit, die als Ganzes betrachtet, trotz allem, was zu wünschen bleibt, sicher mehr Freiheit besitzt als irgend eine frühere, dieser Freiheit doch so wenig froh wird“, schreibt Simmel. Die Freiheit eröffnet dem Menschen, nach anderen Zielen zu streben. Simmel ist ebenfalls seiner Berufung nachgegangen. Durch ein Erbe konnte er sich seinen soziologischen Studien ohne Bezahlung widmen.
Caspar Dohmen
Georg Simmel: Philosophie des Geldes. Suhrkamp, 22 Euro.
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»Herrlicher Wahnsinn.« DIE ZEIT 20161206