"Die Diskussion über das Wesen des Geldes wird allenthalben von der Frage durchzogen: ob das Geld, um seine Dienste des Messens, Tauschens, Darstellens von Werten zu leisten, selbst ein Wert sei und sein müsse, oder ob es für diese genüge, wenn es, ohne eigenen Substanzwert, ein bloßes Zeichen und Symbol wäre, wie eine Rechenmarke, die Werte vertritt, ohne ihnen wesensgleich zu sein. Die ganze sachliche und historische Erörterung dieser, in die letzten Tiefen der Geld- und Wertlehre hinunterreichenden Frage würde sich erübrigen, wenn ein oft hervorgehobener logischer Grund sie von vornherein entschiede." Gröls-Klassiker (Edition Werke der Weltliteratur)
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.12.2011Das Tor
zur Freiheit
Wer genug hat von oberflächlichen Geschichten rund um das Thema Geld, der kann sich durch Georg Simmels „Philosophie des Geldes“ arbeiten. Und Arbeit ist dieses fast 800 Seiten starke Werk wirklich, aber sie lohnt sich. Der Soziologe hat diese Kulturtheorie des Geldes im Jahr 1900 geschrieben und damit dem Leser einen Kosmos für die menschlichen und gesellschaftlichen Wirkweisen des Geldes geöffnet. Man lernt, wie der Substanzwert des Geldes immer stärker dem Funktionswert weicht: Erst zahlten die Menschen mit Gebrauchsgegenständen wie Muscheln oder Salz, später mit seltenen Metallen, dann mit Papier. Besonders spannend ist die Lektüre wegen des aufgearbeiteten Zusammenhangs zwischen der Geldwirtschaft und der Entwicklung der individuellen Freiheit.
Geld hat den Alltag des Menschen seit Jahrtausenden geprägt. In der lydischen Stadt Sardis entstand in der griechischen Antike der erste Marktplatz, auf dem jeder seine Waren anbieten konnte, zugleich fanden dort die ersten Glücksspiele statt. Geld veränderte die Art des Tausches, aber auch den sozialen Zusammenhalt. Der Mensch konnte sich aus seiner Familie oder der Zunft lösen, wenn er Geld hatte. Geld schwächte die traditionellen Bindungen und verhalf dem Einzelnen zu Freiräumen. Der Mensch „gewann Freiheit von etwas, aber nicht Freiheit zu etwas. Dass es eine bloß negative Freiheit ist, die der Geldbesitz gegenüber jedem anderen (. . .) verleiht, ist nicht ohne Belang für das Verständnis unserer Zeit", schreibt Simmel.
Das Buch ist aktuell, manches würde man heute anders ausdrücken. Beim Einfluss des Geldes auf den Alltag spricht man jetzt von der Ökonomisierung des Lebens. Angesichts dieser Abhängigkeit kann der Mensch die gewonnene Freiheit so recht nicht genießen. „So erklärt es sich, dass unsere Zeit, die als Ganzes betrachtet, trotz allem, was zu wünschen bleibt, sicher mehr Freiheit besitzt als irgend eine frühere, dieser Freiheit doch so wenig froh wird“, schreibt Simmel. Die Freiheit eröffnet dem Menschen, nach anderen Zielen zu streben. Simmel ist ebenfalls seiner Berufung nachgegangen. Durch ein Erbe konnte er sich seinen soziologischen Studien ohne Bezahlung widmen.
Caspar Dohmen
Georg Simmel: Philosophie des Geldes. Suhrkamp, 22 Euro.
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zur Freiheit
Wer genug hat von oberflächlichen Geschichten rund um das Thema Geld, der kann sich durch Georg Simmels „Philosophie des Geldes“ arbeiten. Und Arbeit ist dieses fast 800 Seiten starke Werk wirklich, aber sie lohnt sich. Der Soziologe hat diese Kulturtheorie des Geldes im Jahr 1900 geschrieben und damit dem Leser einen Kosmos für die menschlichen und gesellschaftlichen Wirkweisen des Geldes geöffnet. Man lernt, wie der Substanzwert des Geldes immer stärker dem Funktionswert weicht: Erst zahlten die Menschen mit Gebrauchsgegenständen wie Muscheln oder Salz, später mit seltenen Metallen, dann mit Papier. Besonders spannend ist die Lektüre wegen des aufgearbeiteten Zusammenhangs zwischen der Geldwirtschaft und der Entwicklung der individuellen Freiheit.
Geld hat den Alltag des Menschen seit Jahrtausenden geprägt. In der lydischen Stadt Sardis entstand in der griechischen Antike der erste Marktplatz, auf dem jeder seine Waren anbieten konnte, zugleich fanden dort die ersten Glücksspiele statt. Geld veränderte die Art des Tausches, aber auch den sozialen Zusammenhalt. Der Mensch konnte sich aus seiner Familie oder der Zunft lösen, wenn er Geld hatte. Geld schwächte die traditionellen Bindungen und verhalf dem Einzelnen zu Freiräumen. Der Mensch „gewann Freiheit von etwas, aber nicht Freiheit zu etwas. Dass es eine bloß negative Freiheit ist, die der Geldbesitz gegenüber jedem anderen (. . .) verleiht, ist nicht ohne Belang für das Verständnis unserer Zeit", schreibt Simmel.
Das Buch ist aktuell, manches würde man heute anders ausdrücken. Beim Einfluss des Geldes auf den Alltag spricht man jetzt von der Ökonomisierung des Lebens. Angesichts dieser Abhängigkeit kann der Mensch die gewonnene Freiheit so recht nicht genießen. „So erklärt es sich, dass unsere Zeit, die als Ganzes betrachtet, trotz allem, was zu wünschen bleibt, sicher mehr Freiheit besitzt als irgend eine frühere, dieser Freiheit doch so wenig froh wird“, schreibt Simmel. Die Freiheit eröffnet dem Menschen, nach anderen Zielen zu streben. Simmel ist ebenfalls seiner Berufung nachgegangen. Durch ein Erbe konnte er sich seinen soziologischen Studien ohne Bezahlung widmen.
Caspar Dohmen
Georg Simmel: Philosophie des Geldes. Suhrkamp, 22 Euro.
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»Herrlicher Wahnsinn.« DIE ZEIT 20161206