Die Einweihung des Holocaust-Mahnmals in Berlin zeugt vom politischen SelbstverständnisDeutschlands, den moralischen Absturz von Auschwitz ein für allemal bewusst zu halten unddie Errungenschaften des demokratischen Rechtsstaats zu unterstreichen. In der philosophischen Deutung muss es darum gehen, aus der geschichtlichen Erfahrung eine Revision traditioneller Moralbegriffe einzuleiten.
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Die Thesen, die Rolf Zimmermann über eine "Neubestimmung von Moral in Politik und Gesellschaft" (so der Untertitel) als "Philosophie nach Auschwitz" vorlegt, sind nach Detlef Horster nicht unbedingt neu. Das entwertet sie allerdings nicht, bemerkt er dazu, sie seien dadurch nicht weniger plausibel und überzeugend. Für Zimmermann stellt Auschwitz keine "normale" Abweichung vom moralischen Handeln dar, erläutert Horster, sondern einen Gattungsbruch oder eine Gattungskrise. Was das im einzelnen bedeutet, erklärt er folgendermaßen: ein individueller Mörder verstoße gegen die existierende moralische Ordnung, wohingegen der Genozidtäter die alte Ordnung beseitigen und eine neue Ordnung etablieren wolle. So gesehen hätten die Nazis die Juden als Begründer der alten moralischen Ordnung gar nicht aus der Gemeinschaft ausschließen, sondern gleich ganz vernichten wollen, da sie in ihrer neuen Ordnung keinen Platz gehabt hätten. Rolf Zimmermanns philosophische Betrachtungen, so Horster, gehen über das herkömmliche philosophische Instrumentarium hinaus, mit dem man die Vorgänge in Auschwitz nicht begreifen oder erklären könne: hätte Hannah Arendt Zimmermanns Thesen vom Gattungsbruch oder der Gattungskrise gekannt, dann hätte sie das "radikal Böse" vielleicht eher begreifen können, wagt der Rezensent zu behaupten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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