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Die Studie führt am Leitfaden der "photographischen Momente" durch das komplexe Romanwerk des Nobelpreisträgers von 1985. Die Werke von Claude Simon (geb. 1913) werden dabei als ein einziger großangelegter Erinnerungsroman gelesen, der fortwährend aus dem gleichen Erinnerungsmaterial schöpft und zu immer neuen Reflexionen über den Zusammenhang von Zeit, Erinnerung, Text und Photographie ansetzt. Die größtenteils traumatischen Erinnerungen an den Krieg, eine dramatische Familiengeschichte, Tod und Zerstörung lassen sich für Simon nicht mehr in ein stabiles Erinnerungsgebäude bannen. Jeder Text…mehr

Produktbeschreibung
Die Studie führt am Leitfaden der "photographischen Momente" durch das komplexe Romanwerk des Nobelpreisträgers von 1985. Die Werke von Claude Simon (geb. 1913) werden dabei als ein einziger großangelegter Erinnerungsroman gelesen, der fortwährend aus dem gleichen Erinnerungsmaterial schöpft und zu immer neuen Reflexionen über den Zusammenhang von Zeit, Erinnerung, Text und Photographie ansetzt. Die größtenteils traumatischen Erinnerungen an den Krieg, eine dramatische Familiengeschichte, Tod und Zerstörung lassen sich für Simon nicht mehr in ein stabiles Erinnerungsgebäude bannen. Jeder Text beginnt von neuem auf den Trümmern der vorhergehenden. Realität ist nur noch fragmentarisch darstellbar, die Zeit zerfällt in eine Folge von unverbundenen Momentaufnahmen. Wichtigste Instanz dieser Erfahrung ist in Simons Romanen die Photographie. Hauptfigur von Le vent (1957), Simons erstem "nouveau roman", ist ein Photograph, zentrale Szenen von L'herbe (1958) kreisen um zwei vergilbte Aufnahmen aus dem Familienarchiv, Le palace (1962) ist in stillstehenden Momentbildern erzählt, die mit den Zenonschen Zeit- und Bewegungsparadoxien assoziiert werden, Histoire (1967) schließlich enthält zahllose Beschreibungen von Postkarten und hat 30 Seiten lang eine einzige rätselhafte Photographie zum Gegenstand. Der Titel "Photographische Momente bei Claude Simon" faßt zwei Aspekte zusammen: untersucht wird vor dem Hintergrund phototheoretischer Reflexionen (u.a. Kracauer, Benjamin, Barthes) und literarischer Intertexte (Proust) einerseits die Rolle der Photographie als Denkfigur in Simons Gedächtnispoetik, andererseits Simons Verfahren der "dynamischen Beschreibung" photographischer Bilder. Auf diese Weise werden Simons Romane nicht nur für eine (noch größtenteils ungeschriebenen) Literaturgeschichte der Photographie erschlossen, sondern auch als hochaktuelle Reflexionen über Photographie und Gedächtnis lesbar gemacht.
Autorenporträt
Irene Albers ist Professorin für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und für Romanische Philologie an der FU Berlin und Mitglied des Exzellenzclusters Languages of Emotion.