Unter den vielen Tausend Kunstwerken, die Pablo Picasso (1881-1973) der Nachwelt hinterließ, befinden sich etwa 170 Selbstbildnisse in allen denkbaren Techniken, von frühen Bleistiftskizzen des 15-Jährigen über Tusche, Ölmalerei und Photographie bis hin zur Skulptur. 1982 gibt Picassos Witwe Jacqueline dem französischen Kunsthistoriker Pascal Bonafoux (geb. 1949) den Hinweis, dass ihr Mann keinesfalls, wie kolportiert, mit Apollinaires Tod 1918 den Blick in den Spiegel und damit das Selbstportrait aufgegeben habe. Jacqueline ermuntert Bonafoux, diesen Werkkomplex eines der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts zusammenzustellen. Vierzig Jahre später hat der ausgewiesene Spezialist für Selbstportraits seine Recherche in Museen, Galerien, Privatsammlungen und Bibliotheken abgeschlossen und legt einen chronologischen Katalog mit zum Teil unveröffentlichten Werken vor, die bis ins Jahr vor Picassos Tod reichen. Er eröffnet damit - nachvollziehbar in dessen Selbstdarstellungen -einen bis dato unerforschten Zugang zu Picasso als Mitbegründer der kubistischen Malerei und Frontmann avantgardistischer Kunstrichtungen. Und in seinem Einleitungstext wirft der Autor unter spannenden Aspekten neue Schlaglichter auf ein Werk, über das man - zu Unrecht - alles zu wissen glaubte.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Rose-Maria Gropp zeigt sich beeindruckt von der Vielfalt der Selbstdarstellungen Picassos in diesem von Pascal Bonafoux zusammengestellten Band - Gemälde, Zeichnungen und auch Fotografien, die Picassos Talent zur Selbststilisierung erkennen lassen. Die Kommentare des Autors findet sie weniger erhellend, weil Bonafoux "plaudernd" vor allem eigenen Assoziationen folgt, keiner kunsthistorischen Linie, wie sie schreibt. Das Fehlen von Quellenangaben scheint ihr ebenso kritikwürdig. Man halte sich an den Bildteil, so ihr Rat.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.08.2023Verwirrspiele der Selbstdarstellung
Am Text von Pascal Bonafoux bleibt man zwar nicht gerade hängen. Aber die von ihm versammelten Selbstporträts Pablo Picassos ergeben einen stattlichen und überaus anregenden Band, zumal er mit einer außerordentlichen Qualität der Bildreproduktion aufwartet.
Insgesamt 169 Selbstbildnisse Picassos aus den Jahren 1894 bis 1972 versammelt dieser Band. Es sind Zeichnungen, Gemälde und auch Fotografien, mithin durchaus mehr, als der Titel verspricht. Zusammengetragen hat sie der französische Schriftsteller und Kunsthistoriker Pascal Bonafoux, und darin liegt sein unbestreitbares Verdienst. Als Ausgangspunkt seiner Recherche nennt er ein Gespräch mit Jacqueline Roque, der zweiten Ehefrau Picassos, von 1954 bis zu seinem Tod vor nun fünfzig Jahren. Sie soll ihn zu diesem Unterfangen ermutigt haben, dessen Vollendung Bonafoux dann über vierzig Jahre hin immer wieder beschäftigt hat; zuerst erschien das Buch 2021 als "Picasso par Picasso" in Frankreich.
Am besten hält man sich an den mehr als hundert Seiten umfassenden Bildteil dieser Publikation, den Lothar Schirmer in der hohen Qualität gedruckt hat, für die sein Verlag bekannt ist. Die Kunst der Selbstbetrachtung hat Picasso von Anfang an beherrscht wie auch bald die der Stilisierung seines Selbst. Schon früh erprobt er seine Physiognomie, übrigens gern mit wechselnder Frisur, mal mit Mittelscheitel, mal mit jener Tolle, an der er festhalten wird, solange es rein haartechnisch eben ging.
Er tut das im klassischen Porträt, dann bereits als Fünfzehn- oder Sechzehnjähriger in bis zu den Lenden nackter Halbfigur. Den Beau à la mode gibt er im verschatteten Halbprofil im Epochenjahr 1900, ein jugendstiliges Idealbildnis, auf dem das erste "YO" links oben erscheint (heute im Metropolitan Museum, New York). Das Aquarell ist ein völlig andersartiges Vorspiel zu jenem unter dem Titel "YO, Picasso" - wieder an gleicher Stelle auf die Leinwand geschrieben - berühmt gewordenen Selbstbildnis, das seinen Anspruch als Künstler ein für alle mal konstatiert. Im Band steht "Privatsammlung" als sein gegenwärtiger Verbleib, es gilt als sicher, dass es sich bis heute in der Kollektion der Familie des griechischen Reeders Stavros Niarchos befindet, der das Ölgemälde 1989 in New York ersteigerte. Allerdings interessiert sich Bonafoux im Text so wenig für den Ort eines solchen Schlüsselwerks, wie er andererseits auch die jeweiligen Lebensumstände Picassos, zumal nachdem dieser Spanien verlassen hat, weitgehend ausblendet.
Interessant sind die Fotografien, soweit sie eben bekannt sind. Picasso hat, man weiß es, die Fotografie als Kunstform eher verschmäht, sich aber doch immer wieder fotografisch selbst festgehalten, wie auf der einzigen Aufnahme der späteren Jahre: Dort taucht 1940 sein Kopf in einem Spiegel an der Wand in einem Atelierfoto auf, zwischen Skizzen seiner damaligen Gefährtin Dora Maar (heute im Musée Picasso, Paris), die selbst Fotografin und Künstlerin war. In früheren Jahren war er wohl offensiver mit dem Medium umgegangen, so in einer Reihe von vier oder fünf Aufnahmen, die 1915/16 in seinem damaligen Atelier in der Rue Victor Schoelcher in Paris entstanden, auf denen er in diversen Verkleidungen, vom Bürger bis zum Boxer, posiert.
Ganz so unerheblich, wie Bonafoux behauptet - "Es sind Selbstporträts, weil sie es sein wollen" -, kann dabei die Frage nach dem (bisher unbekannten) Fotografen freilich doch nicht sein. Es war übrigens die Zeit des Sterbens und Tods seiner Geliebten Eva Gouel, als Picasso vielleicht seine Funktion auch in der Gesellschaft suchte, die Rollen gleichsam ausprobierte, die ihn schließlich (vorübergehend) in die Bourgeoisie und seine erste Ehe mit der russischen Ballerina Olga Khokhlova 1918 führten.
Selbst wer nicht mit Picassos Schaffen vertraut ist, wird in den verzeichneten Selbstbildnissen eine Vorstellung von seinen Verwirrspielen bekommen. Ein Beispiel dafür ist das Gemälde "Der Matrose" von 1943, über das er einem Journalisten gesagt haben soll: "Ja, das bin ich . . .". Zur Begründung soll er unter seinem Hemd eben ein Matrosentrikot hervorgezogen haben. Bonafoux' Text bringt an dieser Stelle allerdings etwas durcheinander mit dem Bild "Maya im Matrosenanzug" von 1938 (heute im Museum of Modern Art, New York). Maya, Picassos Tochter aus der Beziehung mit Marie-Thérèse Walter, trägt dort als Dreijährige eine Mütze mit dem Schriftzug "Picasso" und ebenfalls ein solches Hemd zum Matrosenkostüm, was den Autor veranlasste, auch dieses Werk unter die Selbstporträts aufzunehmen.
Das Gewicht liegt auf der Zeit bis zum Anfang der Zwanzigerjahre, danach werden die, jedenfalls dokumentierten, Selbstporträts spärlicher. Bonafoux konnte sich natürlich, außer an die bekannten Selbstbildnisse, nur an jene, meist Blätter, halten, die Picasso selbst überhaupt bis zu siebzig Jahre lang aufbewahrte. Dazu gehören vor allem frühe skizzenhafte, auch karikaturistische Selbstdarstellungen, als er noch fern vom Großkünstler des zwanzigsten Jahrhunderts war. Es folgen erdige Selbstporträts, nach einem Aufenthalt im spanischen Bergdorf Gósol 1906, Ende seiner Rosa Periode, erster Aufbruch in den Kubismus. Danach malt oder zeichnet er sich, folgt man der Chronologie, zwischen 1917 und 1929 noch einige Male selbst: zunächst fast naturalistisch, auch skeptisch, ehe er 1928 und 1929, nur mehr als Profilschemen, hinter zwei furchterregend gezähnten Figuren auftaucht. Biographisch ließen sich diese Darstellungen verorten in der Zeit, als seine erste Ehe schon am Abgrund stand. Ergreifend sind die todesnahen Selbstporträts, zugleich nachgerade archaische Monumente der Conditio humana.
Es ist schade, das Pascal Bonafoux' immerhin achtzig Seiten langer Text zwar sämtliche Abbildungen erwähnt, allerdings vor allem mit eigenen Assoziationen verknüpft. So entstand ein merkwürdiger Zwitter, der sich weder zu einer geschlossenen literarischen Form fügt noch zur kunsthistorischen Aufarbeitung wirklich beiträgt. Im Ganzen erschöpft er sich in den zu Picassos Schaffen überhaupt gängigen Einschätzungen, die da sind: malend die Zeit anhalten; das Bildnis niemals als reine Repräsentation; die Unmöglichkeit zwingender Deutungen. Bonafoux zeigt sich in Plauderlaune, und es bleibt den Lesern überlassen, ob sie ihm und seinen Exkursen von Seneca bis Diderot, von Vasari bis Jaime Sabartés, von Alberti bis Foucault folgen wollen.
Fußnoten oder Quellenangaben zu den zahlreichen eingefügten Zitaten gibt es nicht, stattdessen räumt der Autor in einer Art Vorwort zur Bibliographie, die gar nicht vollständig habe sein wollen, ein, es versäumt zu haben, "in meinen Notizen die Autorennamen und Buchtitel festzuhalten, auf die ich mich gestützt habe". Solche Angaben hätten sich, denkt man, durchaus recherchieren lassen. Zur Picasso-Forschung erklärt er einmal im Text: "Die Kunstgeschichte hat es bislang nicht gewagt, zu Picassos Selbstporträts eine konzeptuelle Theorie aufzustellen. Und so bleibt ihr nichts anderes übrig, als nicht verifizierbare Thesen vor sich hin zu brabbeln." Auch bei unterstellter Selbstironie wäre es doch charmant gewesen, wenn Bonafoux das wenigstens implizit versucht hätte, denn genau dieses Wagnis einer Einordnung hätte man gern gelesen. Alles läuft aber auf die sattsam strapazierte These vom singulären Genie hinaus. Es bleibt bei Picasso, dem Chamäleon und Charismatiker.
So betrachtet man also gern den exquisiten Bildteil, der weitgehend chronologisch geordnet ist und schon für sich allein genommen Erkenntnis befördert. ROSE-MARIA GROPP
Pascal Bonafoux: "Picasso über Picasso".
Selbstportraits 1894- 1972. Aus dem Französischen von Michaela Angermair und Sibylle Notteboom. Schirmer/Mosel Verlag, München 2023. 224 S., Abb., geb., 46,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Am Text von Pascal Bonafoux bleibt man zwar nicht gerade hängen. Aber die von ihm versammelten Selbstporträts Pablo Picassos ergeben einen stattlichen und überaus anregenden Band, zumal er mit einer außerordentlichen Qualität der Bildreproduktion aufwartet.
Insgesamt 169 Selbstbildnisse Picassos aus den Jahren 1894 bis 1972 versammelt dieser Band. Es sind Zeichnungen, Gemälde und auch Fotografien, mithin durchaus mehr, als der Titel verspricht. Zusammengetragen hat sie der französische Schriftsteller und Kunsthistoriker Pascal Bonafoux, und darin liegt sein unbestreitbares Verdienst. Als Ausgangspunkt seiner Recherche nennt er ein Gespräch mit Jacqueline Roque, der zweiten Ehefrau Picassos, von 1954 bis zu seinem Tod vor nun fünfzig Jahren. Sie soll ihn zu diesem Unterfangen ermutigt haben, dessen Vollendung Bonafoux dann über vierzig Jahre hin immer wieder beschäftigt hat; zuerst erschien das Buch 2021 als "Picasso par Picasso" in Frankreich.
Am besten hält man sich an den mehr als hundert Seiten umfassenden Bildteil dieser Publikation, den Lothar Schirmer in der hohen Qualität gedruckt hat, für die sein Verlag bekannt ist. Die Kunst der Selbstbetrachtung hat Picasso von Anfang an beherrscht wie auch bald die der Stilisierung seines Selbst. Schon früh erprobt er seine Physiognomie, übrigens gern mit wechselnder Frisur, mal mit Mittelscheitel, mal mit jener Tolle, an der er festhalten wird, solange es rein haartechnisch eben ging.
Er tut das im klassischen Porträt, dann bereits als Fünfzehn- oder Sechzehnjähriger in bis zu den Lenden nackter Halbfigur. Den Beau à la mode gibt er im verschatteten Halbprofil im Epochenjahr 1900, ein jugendstiliges Idealbildnis, auf dem das erste "YO" links oben erscheint (heute im Metropolitan Museum, New York). Das Aquarell ist ein völlig andersartiges Vorspiel zu jenem unter dem Titel "YO, Picasso" - wieder an gleicher Stelle auf die Leinwand geschrieben - berühmt gewordenen Selbstbildnis, das seinen Anspruch als Künstler ein für alle mal konstatiert. Im Band steht "Privatsammlung" als sein gegenwärtiger Verbleib, es gilt als sicher, dass es sich bis heute in der Kollektion der Familie des griechischen Reeders Stavros Niarchos befindet, der das Ölgemälde 1989 in New York ersteigerte. Allerdings interessiert sich Bonafoux im Text so wenig für den Ort eines solchen Schlüsselwerks, wie er andererseits auch die jeweiligen Lebensumstände Picassos, zumal nachdem dieser Spanien verlassen hat, weitgehend ausblendet.
Interessant sind die Fotografien, soweit sie eben bekannt sind. Picasso hat, man weiß es, die Fotografie als Kunstform eher verschmäht, sich aber doch immer wieder fotografisch selbst festgehalten, wie auf der einzigen Aufnahme der späteren Jahre: Dort taucht 1940 sein Kopf in einem Spiegel an der Wand in einem Atelierfoto auf, zwischen Skizzen seiner damaligen Gefährtin Dora Maar (heute im Musée Picasso, Paris), die selbst Fotografin und Künstlerin war. In früheren Jahren war er wohl offensiver mit dem Medium umgegangen, so in einer Reihe von vier oder fünf Aufnahmen, die 1915/16 in seinem damaligen Atelier in der Rue Victor Schoelcher in Paris entstanden, auf denen er in diversen Verkleidungen, vom Bürger bis zum Boxer, posiert.
Ganz so unerheblich, wie Bonafoux behauptet - "Es sind Selbstporträts, weil sie es sein wollen" -, kann dabei die Frage nach dem (bisher unbekannten) Fotografen freilich doch nicht sein. Es war übrigens die Zeit des Sterbens und Tods seiner Geliebten Eva Gouel, als Picasso vielleicht seine Funktion auch in der Gesellschaft suchte, die Rollen gleichsam ausprobierte, die ihn schließlich (vorübergehend) in die Bourgeoisie und seine erste Ehe mit der russischen Ballerina Olga Khokhlova 1918 führten.
Selbst wer nicht mit Picassos Schaffen vertraut ist, wird in den verzeichneten Selbstbildnissen eine Vorstellung von seinen Verwirrspielen bekommen. Ein Beispiel dafür ist das Gemälde "Der Matrose" von 1943, über das er einem Journalisten gesagt haben soll: "Ja, das bin ich . . .". Zur Begründung soll er unter seinem Hemd eben ein Matrosentrikot hervorgezogen haben. Bonafoux' Text bringt an dieser Stelle allerdings etwas durcheinander mit dem Bild "Maya im Matrosenanzug" von 1938 (heute im Museum of Modern Art, New York). Maya, Picassos Tochter aus der Beziehung mit Marie-Thérèse Walter, trägt dort als Dreijährige eine Mütze mit dem Schriftzug "Picasso" und ebenfalls ein solches Hemd zum Matrosenkostüm, was den Autor veranlasste, auch dieses Werk unter die Selbstporträts aufzunehmen.
Das Gewicht liegt auf der Zeit bis zum Anfang der Zwanzigerjahre, danach werden die, jedenfalls dokumentierten, Selbstporträts spärlicher. Bonafoux konnte sich natürlich, außer an die bekannten Selbstbildnisse, nur an jene, meist Blätter, halten, die Picasso selbst überhaupt bis zu siebzig Jahre lang aufbewahrte. Dazu gehören vor allem frühe skizzenhafte, auch karikaturistische Selbstdarstellungen, als er noch fern vom Großkünstler des zwanzigsten Jahrhunderts war. Es folgen erdige Selbstporträts, nach einem Aufenthalt im spanischen Bergdorf Gósol 1906, Ende seiner Rosa Periode, erster Aufbruch in den Kubismus. Danach malt oder zeichnet er sich, folgt man der Chronologie, zwischen 1917 und 1929 noch einige Male selbst: zunächst fast naturalistisch, auch skeptisch, ehe er 1928 und 1929, nur mehr als Profilschemen, hinter zwei furchterregend gezähnten Figuren auftaucht. Biographisch ließen sich diese Darstellungen verorten in der Zeit, als seine erste Ehe schon am Abgrund stand. Ergreifend sind die todesnahen Selbstporträts, zugleich nachgerade archaische Monumente der Conditio humana.
Es ist schade, das Pascal Bonafoux' immerhin achtzig Seiten langer Text zwar sämtliche Abbildungen erwähnt, allerdings vor allem mit eigenen Assoziationen verknüpft. So entstand ein merkwürdiger Zwitter, der sich weder zu einer geschlossenen literarischen Form fügt noch zur kunsthistorischen Aufarbeitung wirklich beiträgt. Im Ganzen erschöpft er sich in den zu Picassos Schaffen überhaupt gängigen Einschätzungen, die da sind: malend die Zeit anhalten; das Bildnis niemals als reine Repräsentation; die Unmöglichkeit zwingender Deutungen. Bonafoux zeigt sich in Plauderlaune, und es bleibt den Lesern überlassen, ob sie ihm und seinen Exkursen von Seneca bis Diderot, von Vasari bis Jaime Sabartés, von Alberti bis Foucault folgen wollen.
Fußnoten oder Quellenangaben zu den zahlreichen eingefügten Zitaten gibt es nicht, stattdessen räumt der Autor in einer Art Vorwort zur Bibliographie, die gar nicht vollständig habe sein wollen, ein, es versäumt zu haben, "in meinen Notizen die Autorennamen und Buchtitel festzuhalten, auf die ich mich gestützt habe". Solche Angaben hätten sich, denkt man, durchaus recherchieren lassen. Zur Picasso-Forschung erklärt er einmal im Text: "Die Kunstgeschichte hat es bislang nicht gewagt, zu Picassos Selbstporträts eine konzeptuelle Theorie aufzustellen. Und so bleibt ihr nichts anderes übrig, als nicht verifizierbare Thesen vor sich hin zu brabbeln." Auch bei unterstellter Selbstironie wäre es doch charmant gewesen, wenn Bonafoux das wenigstens implizit versucht hätte, denn genau dieses Wagnis einer Einordnung hätte man gern gelesen. Alles läuft aber auf die sattsam strapazierte These vom singulären Genie hinaus. Es bleibt bei Picasso, dem Chamäleon und Charismatiker.
So betrachtet man also gern den exquisiten Bildteil, der weitgehend chronologisch geordnet ist und schon für sich allein genommen Erkenntnis befördert. ROSE-MARIA GROPP
Pascal Bonafoux: "Picasso über Picasso".
Selbstportraits 1894- 1972. Aus dem Französischen von Michaela Angermair und Sibylle Notteboom. Schirmer/Mosel Verlag, München 2023. 224 S., Abb., geb., 46,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main