Erstaunlich viele Geschichten und Beziehungen verbergen sich in diesem großformatigen Guck- und Suchbuch - witzig, anregend, ideenreich und wortlos!Wie schon in »Die Torte ist weg!« lässt Thé Tjong-Khing, der Altmeister der niederländischen Kinderbuchillustration, auch in seinem zweiten Torten-Buch unzählige Figuren auftreten, die alle auf irgend eine Art miteinander in Verbindung stehen. Wie, merkt man erst beim x-ten Anschauen und Hin- und Herblättern, denn auf den Seiten ist jedes Detail wichtig: herumliegendes Bonbonpaper, ein Rucksack mit Schlitz oder die ständig strickende Schafsdame. Wieder muss man sich dabei ganz und gar aufs eigene Kombinieren verlassen und das macht längst nicht nur Kindern großen Spaß!
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2008Die Torte ist schon wieder weg!
Was spricht dagegen, ein erfolgreiches literarisches Rezept weiter zu nutzen? Nicht viel, außer der Erfahrung, dass Fortsetzungen nur selten das Original erreichen. Dem niederländischen Bilderbuchzeichner Thé Tjong-Khing aber ist es geglückt, und es gibt gute Gründe dafür, seinem neuen Buch "Picknick mit Torte" sogar den Vorzug gegenüber dem 2006 auf Deutsch erschienenen Vorläufer "Die Torte ist weg" (F.A.Z. vom 15. März 2006) einzuräumen. Das will etwas heißen, denn "Die Torte ist weg" ist ein großes Werk.
Ein großes Werk der Kleinigkeiten: Erzählt wurde vom Diebstahl einer frischgebackenen Torte. Das ist keine große Sache. Erzählt wurde weiter davon, wie sich die ganze Schar der Waldbewohner, eine muntere Ansammlung von Tieren aller Art, auf die Suche nach den Dieben macht. Das ist keine große Mühe, denn die Sache ist von Beginn an klar: Zwei Ratten sind die Täter. Am Schluss werden sie gestellt. Auch keine große Aufregung. Aber vom Diebstahl bis zur Rückgewinnung sind zahllose weitere kleine Geschichten erzählt worden. Denn jeder an der Verfolgungsjagd Beteiligte wurde bei seinem Weg durch Hag und Heide, Feld und Flur, Moor, Modder und Morast selbst verfolgt: vom Auge Thé Tjong-Khings, und so kann man die dreißig Seiten immer wieder lesen, weil sich neue Fragen zum Geschehen auftun, die auch beantwortet werden.
Doch genug zu "Die Torte ist weg", denn "Picknick mit Torte" ist ja noch besser. Warum? Weil das neue Buch alle Stärken des alten hat und einen zusätzlichen Twist. Alles, was ich in den zwei Absätzen zuvor über "Die Torte ist weg" gesagt habe, kann man genauso über "Picknick mit Torte" sagen - mit der Ausnahme, dass die Ratten diesmal unschuldig sind. Natürlich werden sie verdächtigt, aber am Schluss erweist sich jemand ganz anderes als Tortendieb.
Niemand möge sich nun Sorgen machen, dass ihm damit zu viel verraten worden wäre. Denn der Geniestreich von Thé Tjong-Khings neuem Buch liegt darin, dass auch der unaufmerksamste Leser schon auf der zweiten Doppelseite weiß, in welche Hände die Leckerei gefallen ist. Spätestens wenn dann die Ratten beschuldigt werden, richtet sich alle Aufmerksamkeit des Publikums auf die wahren Diebe: Die Gerechtigkeit muss doch siegen! Und dadurch vernachlässigt man all die Nebenhandlungen um Schmierfinken, Angeber, Opportunisten, Heuchler, Vielfraße, Versehrte und Angsthasen. Am Ende fühlt man sich ertappt, dass man sich durch eine richtige Spur derart auf die falsche bringen ließ. Das Drama etwa um die amouröse Flatterhaftigkeit einer Katzendame, die am Ende allein bleibt - es entgeht uns, bis wir sie da sitzen sehen.
Thé Tjong-Khing hat auch den Rahmen seiner Erzählung klug variiert. Schilderte der Vorläufer eine Verfolgungsjagd, die sich von Doppelseite zu Doppelseite immer weiter nach rechts verlagerte, so steht im Zentrum der neuen Handlung ein Berg, auf den die Picknickgesellschaft steigt und von dem es dann in entgegengesetzter Richtung wieder heruntergeht, als der Diebstahl bemerkt wird. Und das ist nicht die einzige Variation: Gab es im Vorgänger ein trautes Paar aus Fuchs und Hase, das nur einmal auftauchte, so liest im letzten Bild der Fortsetzung nun die einsame Katzendame zum Trost ein Buch, das von Fuchs und Hase handelt. Mag sein, dass Thé Tjong-Khing es nie schreiben wird, aber ihm ist allein mit diesem Detail das Bild einer unmöglichen Liebe geglückt, wie sie eben nur im Buche steht.
ANDREAS PLATTHAUS
Thé Tjong-Khing: "Picknick mit Torte".
Moritz Verlag, Frankfurt am Main 2008. 32 S., Abb., geb., 12,80 [Euro]. Ab 3 J. und für jedes Alter.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Was spricht dagegen, ein erfolgreiches literarisches Rezept weiter zu nutzen? Nicht viel, außer der Erfahrung, dass Fortsetzungen nur selten das Original erreichen. Dem niederländischen Bilderbuchzeichner Thé Tjong-Khing aber ist es geglückt, und es gibt gute Gründe dafür, seinem neuen Buch "Picknick mit Torte" sogar den Vorzug gegenüber dem 2006 auf Deutsch erschienenen Vorläufer "Die Torte ist weg" (F.A.Z. vom 15. März 2006) einzuräumen. Das will etwas heißen, denn "Die Torte ist weg" ist ein großes Werk.
Ein großes Werk der Kleinigkeiten: Erzählt wurde vom Diebstahl einer frischgebackenen Torte. Das ist keine große Sache. Erzählt wurde weiter davon, wie sich die ganze Schar der Waldbewohner, eine muntere Ansammlung von Tieren aller Art, auf die Suche nach den Dieben macht. Das ist keine große Mühe, denn die Sache ist von Beginn an klar: Zwei Ratten sind die Täter. Am Schluss werden sie gestellt. Auch keine große Aufregung. Aber vom Diebstahl bis zur Rückgewinnung sind zahllose weitere kleine Geschichten erzählt worden. Denn jeder an der Verfolgungsjagd Beteiligte wurde bei seinem Weg durch Hag und Heide, Feld und Flur, Moor, Modder und Morast selbst verfolgt: vom Auge Thé Tjong-Khings, und so kann man die dreißig Seiten immer wieder lesen, weil sich neue Fragen zum Geschehen auftun, die auch beantwortet werden.
Doch genug zu "Die Torte ist weg", denn "Picknick mit Torte" ist ja noch besser. Warum? Weil das neue Buch alle Stärken des alten hat und einen zusätzlichen Twist. Alles, was ich in den zwei Absätzen zuvor über "Die Torte ist weg" gesagt habe, kann man genauso über "Picknick mit Torte" sagen - mit der Ausnahme, dass die Ratten diesmal unschuldig sind. Natürlich werden sie verdächtigt, aber am Schluss erweist sich jemand ganz anderes als Tortendieb.
Niemand möge sich nun Sorgen machen, dass ihm damit zu viel verraten worden wäre. Denn der Geniestreich von Thé Tjong-Khings neuem Buch liegt darin, dass auch der unaufmerksamste Leser schon auf der zweiten Doppelseite weiß, in welche Hände die Leckerei gefallen ist. Spätestens wenn dann die Ratten beschuldigt werden, richtet sich alle Aufmerksamkeit des Publikums auf die wahren Diebe: Die Gerechtigkeit muss doch siegen! Und dadurch vernachlässigt man all die Nebenhandlungen um Schmierfinken, Angeber, Opportunisten, Heuchler, Vielfraße, Versehrte und Angsthasen. Am Ende fühlt man sich ertappt, dass man sich durch eine richtige Spur derart auf die falsche bringen ließ. Das Drama etwa um die amouröse Flatterhaftigkeit einer Katzendame, die am Ende allein bleibt - es entgeht uns, bis wir sie da sitzen sehen.
Thé Tjong-Khing hat auch den Rahmen seiner Erzählung klug variiert. Schilderte der Vorläufer eine Verfolgungsjagd, die sich von Doppelseite zu Doppelseite immer weiter nach rechts verlagerte, so steht im Zentrum der neuen Handlung ein Berg, auf den die Picknickgesellschaft steigt und von dem es dann in entgegengesetzter Richtung wieder heruntergeht, als der Diebstahl bemerkt wird. Und das ist nicht die einzige Variation: Gab es im Vorgänger ein trautes Paar aus Fuchs und Hase, das nur einmal auftauchte, so liest im letzten Bild der Fortsetzung nun die einsame Katzendame zum Trost ein Buch, das von Fuchs und Hase handelt. Mag sein, dass Thé Tjong-Khing es nie schreiben wird, aber ihm ist allein mit diesem Detail das Bild einer unmöglichen Liebe geglückt, wie sie eben nur im Buche steht.
ANDREAS PLATTHAUS
Thé Tjong-Khing: "Picknick mit Torte".
Moritz Verlag, Frankfurt am Main 2008. 32 S., Abb., geb., 12,80 [Euro]. Ab 3 J. und für jedes Alter.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Dieses Buch übertrifft, was nicht eben die Regel ist, noch den Band, dessen Fortsetzung es ist. Der erste Band hieß "Die Torte ist weg" und der Titel beschreibt das Problem, das sich nun in Teil zwei wiederholt. In Band eins hatten die Ratten die Torte geklaut, diesmal aber nicht. Damit ist nicht zu viel verraten, versichert der Rezensent Andreas Platthaus, denn auf diesen Plot komme es eigentlich gar nicht recht an. Oder vielmehr: Das Buch von The Tjong-Khing sei ohnehin so raffiniert, dass man in jedem Fall auf die falsche Spur gerate. Und die Bilder sind so detailreich, dass man auch beim Wiederlesen stets Neues entdeckt, versichert Platthaus. Kurz gesagt: Der Rezensent empfiehlt den Band ohne jede Einschränkung.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Das Ganze ähnelt einem spannenden Krimi, der einen nicht mehr loslässt. Unzählige Male blättert man vor, dann wieder zurück, staunt, lacht und wundert sich." Bücherbär, Bern "Tage, nein, Wochen kann sich jeder zwischen 2 und 99 Jahren mit Hilfe der beiden Tortenbücher auf geistreiche Weise wegbeamen - nur durchs Gucken. Jedes Detail hat es in sich." Sarah Wildeisen, taz