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Vor langer Zeit lebte die Hexe Pikko. Sie war so klein, dass sie unter einem Sandkorn wohnen konnte. Bis sie eines Tages die Reiselust packte. Mit ihrem winzigen Hexenbesen flog sie über Berge und Täler und sah, wieviel Unrecht auf der Welt herrschte. Aus Mitgefühl verhalf sie kurz entschlossen einem Kettenhund zur Freiheit. Und einen kleinen Jungen ermutigte sie, den bösen Kaiser zu stürzen. Die Geschichte regt an, mit Kindern über Recht und Unrecht zu sprechen - ein besonderes Bilderbuch zu einem wichtigen Thema.

Produktbeschreibung
Vor langer Zeit lebte die Hexe Pikko. Sie war so klein, dass sie unter einem Sandkorn wohnen konnte. Bis sie eines Tages die Reiselust packte. Mit ihrem winzigen Hexenbesen flog sie über Berge und Täler und sah, wieviel Unrecht auf der Welt herrschte. Aus Mitgefühl verhalf sie kurz entschlossen einem Kettenhund zur Freiheit. Und einen kleinen Jungen ermutigte sie, den bösen Kaiser zu stürzen. Die Geschichte regt an, mit Kindern über Recht und Unrecht zu sprechen - ein besonderes Bilderbuch zu einem wichtigen Thema.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2006

Herrscherin der Gedanken
Toon Tellegens verstörendes Hexenmärchen um Macht und Mißbrauch

Hexen fliegen auf Besen, brauen Zaubertränke und lachen böse über all die schrecklichen Dinge, die sie anrichten. Sie haben Macht über Mensch und Tier, das ist ja bekannt. Gibt es heute noch Hexen? "Ganz ausgeschlossen ist das nicht", behauptet der niederländische Kinderbuchautor Toon Tellegen und erzählt uns ein Märchen, das mit dem vertrauten Bild von Gut und Böse gründlich aufräumt.

Es lebte nämlich einmal vor langer Zeit eine klitzekleine Hexe mit Namen Pikko. Sie war so winzig, daß sie unter einem Sandkorn wohnen konnte. Ob so eine kleine Hexe auch Macht hat? Pikko will das unbedingt herausfinden. Und so saust sie übermütig auf ihrem Besenstielchen durchs Märchenreich. Dort herrscht ein böser Kaiser, und das Volk lebt in Angst. Die Gefängnisse sind voll, Kinder leiden Hunger, und des Kaisers eigene Tochter wird in einem Turm gefangengehalten.

In dieser tristen Umgebung findet Pikko schnell den idealen Platz, an dem sie ihre Macht entfalten kann. Durch die Nase eines Hundes fliegt sie direkt in dessen Kopf und mitten zwischen seine Gedanken. Dort ist sie nicht mehr klein, denn Gedanken sind noch tausendmal kleiner als sie selbst. Endlich kann Pikko zeigen, daß sie eine wahrlich machtvolle Hexe ist.

Toon Tellegen wählt hier ein großes, gedankenschweres Thema. Eine unsichtbare Hexe fliegt durchs Land, und Unfaßbares geschieht mit Mensch und Tier. "Knurre! Jaule! Heule! Beiße!" befiehlt die Hexe im Kopf des Hundes. Und der Hund reißt sich los und heult und jault, daß Himmel und Erde beben. Doch dann verschwindet Pikko, und das Tier sinkt schmerzerfüllt und kraftlos zu Boden. Der Bauer schlägt den Hund halb tot. Die kurze und heftige Rebellion des Tieres führt zu keinem guten Ende, die Drahtzieherin im Kopf hat sich verzogen. Spätestens jetzt werden Kinder empörte Fragen stellen: Was hat der Hund denn getan? Warum läßt Pikko ihn wieder alleine? Toon Tellegen führt seine jungen Leser auf den schmalen Grat zwischen Macht und Machtmißbrauch. Wer beherrscht hier wen und warum? Und wo hat das Machtspiel Grenzen?

Weder der Text noch die Bilder geben Antwort auf diese Fragen. Die schwedische Illustratorin Marit Törnqvist zeichnet geschickt um den unsichtbaren Kern der Geschichte herum. Sie läßt uns nicht in die Köpfe schauen, in denen Pikko ihr Unwesen treibt. Statt dessen sieht man den Schrecken im Kaiserreich und die Folgen von Pikkos Tun. Schwefelgelb bricht der Himmel auf, als sich der Hund von der Kette reißt. In grotesken Verrenkungen tanzt das Volk, als der Bär Gewalt über seinen Dompteur gewinnt. Und gedemütigt liegt der Kaiser vor den Füßen des kleinen Jungen Iwan, als dieser ihn entmachtet. Kontrastreich werden Gewalt und Aufbegehren sichtbar. Hier das Schwarz der fesselnden Eisenkette, dort das Rot, das wie ein Aufschrei von Bild zu Bild wandert: vergiftete Äpfel, der Mantel des Kaisers, Iwans Mütze, offene Münder, fließendes Blut.

Wir sehen die Spuren von Macht und Herrschaft, aber auch von Demütigung und Niederlage. Nicht nur durch Farbkomposition, sondern auch mit Hilfe kleiner Details zeigt Törnqvist das Bedrohliche: zähnefletschende Wölfe im Märchenwald und schemenhafte Gefangene hinter Gitterfenstern im Palast. Auf das Zuckerbrot folgt die Peitsche. "Wünsch dir warmen Schokoladenkuchen!" befiehlt Pikko im Kopf des kleinen Iwan. Und kaum hat der hungrige Junge ein paar Bissen gegessen, läßt sie ihn alles an die Möwen verfüttern. Hund, Bär und Iwan können sich weder gegen äußere Gewalt noch gegen innere Manipulation zur Wehr setzen. Und so mag zwar am Ende das Reich vom Kaiser befreit sein, aber zu welchem Preis! Was wird nun aus dem ängstlichen Hund, dem traurigen Bären und dem einsamen kleinen Jungen? Muß der Kaiser tatsächlich sein Leben lang durchs Land kriechen und Würmer fressen? Selten läßt ein Kinderbuch seine Leser so allein.

Toon Tellegen setzt uns eine Hexe in den Kopf, die widersprüchlich und provozierend ist. Sein gewagtes, abstraktes Gedankenexperiment wird Kinder im Bilderbuchalter überfordern. Eine fehlende Identifikationsfigur sowie ein ganzes Bündel ungelöster Fragen machen bei diesem Buch erwachsene Begleitung notwendig. Im Bilderbuchregal zwischen den vielen lustigen kleinen Hexen ist dieser Titel jedenfalls fehl am Platz.

Zu guter Letzt fliegt Pikko in die Gedanken der Oberhexe: "Eklige Vorstellungen stritten mit bösen Plänen, falsche Beschuldigungen und böses Mißtrauen jagten sich, zerrissen sich gegenseitig, spuckten sich an und steckten einander in Brand." Schließlich fliegt die gesamte Hexenwelt in die Luft. Sind jetzt alle Hexen tot? Oder sind sie etwa zu staubkorngroßen Pikkos geworden, die seither unbemerkt in unseren Köpfen herumspuken? Ganz ausgeschlossen ist das nicht.

CORDULA GERNDT

Toon Tellegen: "Pikko, die Hexe". Mit Bildern von Marit Törnqvist. Aus dem Niederländischen übersetzt von Mirjam Pressler. Sauerländer Verlag, Düsseldorf 2006. 48 S., geb., 15,90 [Euro]. Ab 6 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Cordula Gerndt gefällt das Buch schon, aber sie ist auch kein Kind mehr. Ganz anders, befürchtet die Rezensentin, könnten das Märchen von der sandkorngroßen Hexe Pikko und die verhandelten Themen Macht und Machtmissbrauch bei kleinen Lesern wirken. Bei allem Kontrast- und Detailreichtum, mit dem die Illustratorin des Bandes Gewalt und Aufbegehren bebildert, was der Autor Toon Tellegen im Hexenkessel zusammenbraut, erscheint Gerndt dann doch zu offen und erklärungsbedürftig, als dass sie es unter die üblichen niedlichen Hexengeschichten einreihen und Kindern "im Bilderbuchalter" ohne "erwachsene Begleitung" überlassen würde.

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