Pilze gehören zu den schwer bestimmbaren Lebewesen, das wissen insbesondere Pilzsammler, bei denen diese Kenntnisse im wahrsten Sinn lebensnotwendig sind. Auf dem Level von Einsteigern gibt es zahlreiche gute Bestimmungsbücher, die sich meist auf einige Hundert gut bestimmbare Arten beschränken und
dort besonders die essbaren behandeln. Hier kommt es auf eindeutige Merkmale an und die Abgrenzung…mehrPilze gehören zu den schwer bestimmbaren Lebewesen, das wissen insbesondere Pilzsammler, bei denen diese Kenntnisse im wahrsten Sinn lebensnotwendig sind. Auf dem Level von Einsteigern gibt es zahlreiche gute Bestimmungsbücher, die sich meist auf einige Hundert gut bestimmbare Arten beschränken und dort besonders die essbaren behandeln. Hier kommt es auf eindeutige Merkmale an und die Abgrenzung gegenüber ähnlichen, aber giftigen Arten.
Am entgegengesetzten Ende der Expertise steht die mykologische Fachliteratur, die für den normalen Pilzenthusiasten nicht zielführend und auch meistens nicht zugänglich ist. Dazwischen gibt es relativ wenig erschwingliches Material, sieht man von dem, allerdings seit vielen Jahren vergriffenen „2000 Pilze einfach bestimmen“ von Rudolf Winkler (1996) einmal ab. Andere Werke mit größerer Artenzahl, wie „Pilze“ von Ryman und Holmasen (1992), haben einen eher regionalen Fokus und enthalten oft keine Bestimmungsschlüssel. „Pilze Mitteleuropas“ füllt nun genau diese Lücke in einem nie gesehenen Umfang und einer praxisnahen, innovativen Schlüsselstruktur.
Die Region „Mitteleuropa“ definiert sich als Deutschland, Österreich und Schweiz, inklusive der nördlichen Regionen Italiens und Frankreichs. Nicht erfasst sind mediterrane Vegetationsstufen und dezidierte Küstengebiete, alpine Regionen sind dagegen in Teilen mit berücksichtigt.
Wie man leicht errechnen kann, sind auch die hier vorgestellten 3800 Arten nur ein Ausschnitt der Mykofauna in den genannten Gebieten, denn alleine in Deutschland sind fast 14 000 Pilzarten nachgewiesen. Die Auswahlkriterien richten sich vor allem nach praktikablen Gesichtspunkten. Zum einen sind nur Pilze mit makroskopischen Fruchtkörpern berücksichtigt, zum anderen sollen zur Bestimmung in der Regel makroskopische Merkmale ausreichen. Bei einigen Gattungen sind jedoch auch chemische Reaktionen oder die mikroskopische Untersuchung (ggf. mit Objektmikrometer) notwendig. Schleimpilze werden nicht behandelt, da für deren korrekte Bestimmung oft genetische Untersuchungen nötig sind. Der clevere Bestimmungsschlüssel nutzt ein innovatives Konzept, indem er die wissenschaftliche Systematik nur insofern berücksichtigt, als sie die Komplexität nicht unnötig erhöht. Die primären Sortiermerkmale sind einfach (z. B. Lamellenform, Sporenfarbe, Fleischkonsistenz, Verfärbungen) und führen daher mitunter zu Treffern in unterschiedlichen Gattungen, was aber nie zu Missverständnissen führt. Auf den einfachen Übersichtsschlüssel folgt der komplexere Einstiegsschlüssel, der in die jeweiligen Gattungs- und anschließend Artenschlüssel leitet. Das ist sehr übersichtlich und intuitiv strukturiert, wird aber auch anhand eines Beispiels einmal komplett durchexerziert.
Die Steckbriefe zeigen bei 2400 der mittelhäufigen bis häufigen Arten die ausgebildeten Fruchtkörper in aussagekräftigen Aufnahmen, meist mit Auf- und Untersichten, sowie freiliegenden Stielen oder auch Anschnitten. Alle 3800 Arten werden über die morphologischen, olfaktorischen und ökologischen Merkmale komplett beschrieben. Die Essbarkeit wird durch ein Symbol angezeigt. Gefehlt haben mir regelmäßige Angaben zur Jahreszeit, in der die Fruchtkörper sichtbar sind, aber möglicherweise ist das regional unterschiedlich. Im Anhang finden sich ein Glossar (allerdings nicht illustriert), sowie wissenschaftliche und deutsche Indizes.
Die Systematik ist aufgrund genetischer Erkenntnisse ständig im Fluss. Die Autoren berücksichtigen mit großer Sorgfalt den aktuellen Forschungsstand und verweisen oft auch auf kürzlich erfolgte Neueinstufungen. 12 Jahre intensiver Arbeit stecken in diesem in jeder Hinsicht monumentalen Werk, das tatsächlich den schwierigen Spagat zwischen fortgeschrittener Laien- und weiterführender Spezialliteratur schafft.
(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)